Noelke | Django und das Mörderschiff | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

Noelke Django und das Mörderschiff

Kurze Geschichten mit kriminellem Hintergrund

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

ISBN: 978-3-7502-0772-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Diese Anthologie fasst alle kurzen Geschichten mit kriminellem Hintergrund zusammen, die Heinrich-Stefan Noelke veröffentlicht hat. Er geht darin weit über die üblichen Klischees des Krimigenres hinaus und legt beispielsweise die dunklen Seiten seiner Heimatstadt Versmold offen (Sünne Peider oder ein tiefes Schweigen und Weihnacht ohne Männer). Er bereist mit einem offenen Boot das Wattenmeer (Die Tasche voller Wunder und Trutz nu, Blanke Hans) oder fährt gleich weit auf die Nordsee hinaus (Schläge an die Eisentür). Heinrich-Stefan Noelke fährt mit dem Hundeschlitten durch Norwegen (First the Dogs) und mit dem eBike (Django und das Mörderschiff) durch Bremerhaven. Er reist nach Moskau (Mord ohne Absicht), ins spanische Salamanca (iPan iVino) und auf die Isles of Scilly (Leben und Sterben auf den einsamen Inseln). Auch die Ostsee wird besucht (die beiden Geschichten um Heiligendamm). Seinem Wohnort Osnabrück würdigt er gleich zwei Geschichten (Ostermontag und Ossenfang).

Heinrich-Stefan Noelke wurde 1955 im westfälischen Versmold geboren. Er ist gelernter Metzger, studierter Betriebswirt, hat in Frankreich, England und Spanien gearbeitet und später in Deutschland die Geschäfte eines bedeutenden Wurst- und Fleischverarbeiters geleitet. Seit 2008 lebt er mit seiner Familie in Osnabrück und widmet sich dem Schreiben. 2006 wurde sein erster Roman veröffentlicht, dem viele weitere gefolgt sind, zudem schreibt er sehr gerne Kurzgeschichten. Mit zunehmender Begeisterung widmet er sich der Musik. Er spielt den Bass bei STRENG GEHEIM, der weltweit einzigen Rockband, die nur aus Krimiautoren besteht. Seine Lesungen inszeniert er gerne als Live-Hörspiel. Mehr Information zum Autor unter www.hsnoelke.de.
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Sünne Peider oder ein tiefes Schweigen
Als die Kellnerin fragte, was er trinken möchte, zog Thomas unschlüssig die Schulter hoch, denn er wollte hier nur sitzen. Sie lächelte und nickte. An manchen Tagen war er mundfaul und froh über jedes Wort, das er nicht sprechen musste. Er half sich dann mit Gesten, Blicken und Gebrumme, und er kam erstaunlich weit damit, wirklich. Sie entschied sich für einen Espresso und lächelte erneut, als sie ihn brachte. Ein warmes Lächeln, das ihr sehr verputztes Gesicht zum Leben erweckte. Thomas hatte sich gleich an den ersten Tisch gesetzt und betrachtete jetzt die funkelnden Lichter des Jahrmarktes durch die Scheibe der Eisdiele. Nur noch wenige Menschen kamen in dicken Mänteln vorbei und zeigten Interesse für die Verkaufsstände. Bald war es Zeit, dass die Karussells schlossen, damit auch die Kneipen ihren Umsatz machten. Schon als kleiner Junge hatte Thomas hier gesessen und dem Treiben zugesehen, abgesetzt von wechselnden Kindermädchen, die manchmal im Wohnwagen eines Fahrgeschäftes verschwanden, der Freirunden wegen.   Thomas war hier auf die Welt gekommen: in Versmold am Rande des Teutoburger Waldes. Jedes Jahr Ende Februar wird in der Stadt die Jahrmarktsaison für die ganze Region eröffnet und die Eisdiele schließt sich an. ‘Sünne Peider’ heißt der Markt, ‘Sankt Peter’. Die Kellnerin blickte erneut fragend zu Thomas und der schaute unentschlossen zurück. Sie nickte resolut und brachte freundlich einen weiteren Espresso. Auf dem Flachdach gegenüber tauchten ein paar betrunkene Halbwüchsige auf. Ihr Atem dampfte in der eiskalten Luft. Sie begannen, die Leute auf der Straße anzupöbeln und Flaschen hinunterzuwerfen, die auf dem Asphalt zerschellten wie reife Birnen. „Wenn ihr nicht sofort da runterkommt, ihr Arschlöcher, dann gibt es bei uns Hausverbot, und zwar für lange! Ich kenne euch!“ Die Kellnerin stand im Eingang und – eben noch bissig wie eine Schlange, lachte sie sofort wieder. Die Jugendlichen trollten sich. „Die verletzen sich am Ende selbst, betrunken wie sie sind“, sagte die Kellnerin zu Thomas. Mühsam verzog auch er seinen Mund. Er glaubte sich kaum zwanzig Jahre älter als sie. Ihr Parfum hing in der Luft, es war zu süß. Alle seine Sinne waren hellwach, aber er bekam den Mund nicht auf und schämte sich dafür. „Mach Platz, Alter!“ Die Jugendlichen waren vom Dach gestiegen und setzten sich feixend neben ihn. In solchen Momenten spürt man ein Ziehen an den Genitalien, das nur langsam nachlässt. Thomas stand auf und zahlte. Einer der Halbwüchsigen spuckte an ihm vorbei durch die Tür hindurch bis auf die Terrasse. Thomas hatte dessen Bild am Morgen in der Zeitung gesehen. Er trug eine hellgelbe Pudelmütze, dafür kannte man ihn. Der Junge und seine Freunde hatten sich den Tag zuvor mit anderen zu einer Prügelei auf dem Jahrmarkt getroffen. „Ich heiße Barbara“, rief ihm die Kellnerin nach. Draußen durchdrang ein Gestank nach Zuckerwatte die kalte Luft. An seinem üblichen Platz gegenüber der Sparkasse stand das Riesenrad. Es bot einen Blick über die Dächer der Stadt, mehr nicht. Mit dem bisschen Licht wirkte es inmitten des umgebenden Blendwerks wie ein schwarzes Loch. Die Musik lieh es sich von den umstehenden Karussells.   Andreas saß müde in seinem Glashaus hinter der Kasse und machte die Abrechnung. Er war der Sohn eines Arztes in der Stadt und in jungen Jahren der Liebe wegen bei den Ausstellern geblieben. Thomas besuchte ihn täglich, wenn Jahrmarkt im Ort war. Sein Freund lebte in dieser Welt aus Alkohol, Vergnügen und keifendem Wettbewerb. Vor Jahren schon hatte er das Riesenrad gekauft. Andreas lächelte ihm zu, als Thomas die Stufen zu der kleinen Plattform erklomm, auf der sonst die Fahrgäste warteten. Thomas setzte sich auf das Geländer. Aus der Dunkelheit heraus schaute er sich die Lichter an. Das Lied, das nebenan gespielt wurde, kannte er, aber der Titel fiel ihm nicht ein. Vielleicht würde es morgen schneien. Es sah ganz danach aus. Sein Blick blieb dort hängen, wo sich sein Bauch unter dem Mantel gegen den Gürtel presste. „Hei!“ Andreas brachte ihm eine Flasche Bier und setzte sich neben ihn. „Kommt keiner mehr. Hast du von der Schlägerei gelesen? Die haben wir schnell verjagt, was? Hat richtig blutige Köpfe gegeben.“ Schweigend tranken sie. „Warst du dabei?“ Andreas antwortete nicht. „Wie hältst du das nur aus, das Leben?“, sagte Thomas. „Ich brauche nichts auszuhalten. Das lebt sich ganz von alleine.“ „Manchmal habe ich Angst. Ich will mich ja wehren, aber dann wird alles schlimmer.“ „Du musst zuschlagen. Manchmal ist zuschlagen das Beste.“ „Ich kann nicht zuschlagen“, sagte Thomas. Andreas nahm schlürfend einen Schluck. „Das geht auch“, sagte er. „Dann musst du es aushalten.“ Sie tranken das Bier zu Ende. Thomas schaute zu, wie Andreas die Lichter löschte, und sie verabschiedeten sich bis zum nächsten Jahr. In der Nacht noch würden die meisten Karussells abgebaut werden, damit man die Straßen säubern konnte.   Wieder im Licht stand Thomas vor einem Tapeziertisch, über den hinweg eine Frau mittleren Alters Töpferwaren verkauft hatte, die sie jetzt zusammenpackte. Ihr Atem kam in Wolken und die Mütze über dem üppigen Haar hatte Ohrenklappen. Um besser arbeiten zu können, trug sie Handschuhe, die die Finger freiließen. Viele der Krüge, Schalen und Figuren standen auf dem Boden und der mutmaßliche Ehemann der Frau ging, schnaubend und mühsam seine schweren Stiefel von den Gefäßen fernhaltend, zwischen ihnen hindurch. Er erblickte Thomas und hielt einen Moment inne, um dann im Dunkeln zu verschwinden. „Helfen Sie mir!“ Thomas sah sich um und kam widerstrebend näher. Man meinte ihn. „Helfen Sie mir! Er wird gleich zurückkommen und ich habe Angst, dass er in seiner Wut unsere Ware zertritt.“ Stumm nahm Thomas einige der Schalen und reichte sie der Frau, die sie sofort einpackte. Langsam verschwand das meiste in Kartons. Die Frau arbeitete zügig und konzentriert. Sie schien entschlossen, die Atempause zu nutzen, während Thomas ihr kaum schnell genug die Ware reichen konnte. Zu viel stand noch unverpackt, als der Ehemann zurückkam. Thomas richtete sich auf und stand mehr zufällig zwischen ihm und seiner Frau. Er hatte begriffen, dass sie weniger Angst vor dem Mann hatte als um ihre Ware. Weniger offensichtlich war, wie der Ehemann auf fremde Männer reagieren würde, die seine Frau beschützten. Sie hatte ihren Mann ebenfalls bemerkt. Einen Moment lang schien die Stille die Jahrmarktsmusik verscheuchen zu können. „Lass die Ware in Ruhe!“ Der Mann war kaum größer als Thomas, aber jünger. Die schulterlangen blonden Haare und die Bartstoppeln gaben ihm das Aussehen eines gealterten Hippies, und die Lammfellweste passte dazu. Der Mann stand ganz dicht vor Thomas, der nicht umhinkonnte, den säuerlichen Geruch nach Schweiß einzuatmen. „Lass den Mann in Ruhe!“ Der Ehemann wartete, schaute ihm ruhig in die Augen und rührte sich nicht. Auf Thomas‘ Gesicht machte sich der friedliche Ausdruck breit, den man bei Leuten findet, die die Gewalt über ihren Schließmuskel zu bewahren suchen. Jeder unglückliche Windstoß, so schien es, konnte den Mann dazu veranlassen, sich auf ihn zu stürzen. Bis die Frau sich still entfernte. Da war es plötzlich, als ob der Mann lächelte. Das Gesicht vor Thomas’ Nase nahm den gebührenden Abstand ein und entspannte sich. „Sie ist weg!“, sagte der Mann. „Lauf zu! Ich räum das hier auf.“ Er gab Thomas einen Schlag auf die Schulter, drückte seine Hand und führte ihn vorsichtig durch die Gefäße. Kopfschüttelnd, die Hände tief in den Manteltaschen und den Kragen hochgestellt, wollte Thomas nach Hause stapfen. Es war spät genug. Er schwieg immer noch, aber jetzt schien es passend und nicht mehr fremd, eine annehmbare Geisteshaltung. Im Rinnstein fand er einen Schraubenzieher, den jemand verloren hatte, und steckte ihn in seine Manteltasche, damit sich niemand daran verletzen konnte. Aushalten, hatte Andreas gesagt. Drei von den Jugendlichen, die er in der Eisdiele getroffen hatte, kamen ihm entgegen. Einer spuckte Thomas ins Gesicht, ein anderer rempelte ihn hart mit der Schulter an. Thomas blieb einen Moment stehen, sah sich um, rieb sich den Arm und wischte sich die Spucke weg. Die Jugendlichen sahen ihn böse an, machten aber keine Anstalten, ihn anzugreifen. Sie waren zufrieden mit sich. Thomas erkannte den Jungen aus der Zeitung, den mit der gelben Mütze. Da ging er einfach weiter, als wolle er sich in seinen Gedanken nicht stören lassen. Die Kellnerin kam ihm in den Sinn. Kurz entschlossen änderte er seine Pläne und ging zurück zur Eisdiele, um sie mit neuem Mut anzusprechen. Sie hatte den Boden gefegt und war fertig zum Gehen. „Soll ich dich nach Hause bringen? Es ist kalt und die Kerle von vorhin laufen in der Stadt herum.“ „Sollen musst du nicht“, sagte sie fröhlich, „aber dürfen darfst du.“ Sie zog einen warmen Mantel an und hakte sich bei ihm unter. „Warum sprichst du nicht?“ „Ich spreche doch.“ „Ja, aber nur so zugeklebt. Man versteht dich kaum.“ „Wenn ich rede, dann verstehen die Leute mich noch weniger“, sagte Thomas. Sie lachte und rief: „Ach was! Komm, ich wohne am Stadtrand. Fast im Bruch.“ Das ist ein Naturschutzgebiet, um das heftig gestritten wird, weil es die Stadt nach Südosten hin fast isoliert. Vögel wohnen dort. Leute kamen die Straße hinuntergerannt. Wieder die Jugendlichen, Kinder noch, verfolgt von...


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