Nixon | Lucky Newman. Roman | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Nixon Lucky Newman. Roman


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-944818-89-4
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-944818-89-4
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der dritte Roman von Carl Nixon führt weit in der Zeit zurück: zu einem Maimorgen im Jahr 1919, an dem die Krankenschwester Elizabeth Whitman auf dem Weg zu ihrer Arbeit ist. Ein Wagen hält neben ihr, und der Fahrer überreicht ihr einen Brief, der ihr Leben verändern wird. Zu der Zeit wohnt sie mit ihrem 4jährigen Sohn Jack äußerst beengt bei ihren Eltern; Jacks Vater, den sie während des Kriegs in London geheiratet hat, wird seit zwei Jahren vermisst. Der Brief enthält das Angebot, einen sehr wohlhabenden Mann zu pflegen, der mit einer Kopfverletzung aus dem Krieg zurückgekehrt ist; sie zögert lange, als sie erkennt, um welche Verletzung es sich handelt: Paul Blackwell hat sein Gedächtnis verloren, weiß nicht, wer oder wo er ist. Langsam, ganz langsam gewinnt sie sein Vertrauen, vor allem dadurch, dass sie ihm Geschichten erzählt. Und sie erzählt ihrem Sohn eine Geschichte, ein Märchen besser: Der Ballonfahrer. Es handelt von einem Mann, der in exotischen Ländern wilde Abenteuer erlebt - und der nicht wiederkehren wird. Durch die Kraft der Erzählung soll ihr Sohn den Verlust vermittelt bekommen, vielleicht ist das für ihn leichter zu ertragen als die harten Fakten. Der Roman zeigt, was Geschichten vermögen, und beginnt mit derjenigen eines alten Mannes, der Carl Nixon bittet, seine Geschichte aufzuschreiben, beziehungsweise die seiner Eltern: Elizabeth Whitman und Lucky Newman. Ein berührender, intelligenter Roman über die Kraft des Erzählens und wie uns Geschichten helfen können, eine eigene Identität zu finden und die Beziehungen untereinander zu vertiefen.

Carl Nixon, geboren 1967 in Christchurch, ist ein neuseeländischer Autor von Romanen, Kurzgeschichten und Dramen. Er gewann mit seinen Werken viele Preise, darunter den Katherine Mansfield Short Story Contest. 2007 war Nixon der Ursula Bethell/Creative New Zealand Writer in Residence an der University of Canterbury. Dort vollendete er seinen ersten Roman »Rocking Horse Road«, der äußerst erfolgreich war -das Buch stand 4 Monate auf der KrimiZEIT-Bestenliste. »Settlers Creek« erschien 2010 im englischen Original, 2013 auf Deutsch und war nominiert für den International IMPAC Dublin Literary Award 2012.

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Sieben
Am Samstag hält Martin Templeton pünktlich um 8:30 Uhr die schwarzglänzende Limousine seiner Chefin vor dem Haus Sydenham Street 22 an. Es ist zwar noch dunstig, doch läßt sich die Sonne bereits erahnen. Elizabeth ist in diesem Haus aufgewachsen und lebt mit ihren Eltern und ihrem Sohn Jack seit der Rückkehr aus England wieder hier. Es ist ein bescheidenes Holzhaus mit quadratischen Fenstern. Es hat nur zwei kleine Schlafzimmer. Das Klosetthäuschen liegt dahinter, neben dem kleinen Gemüsegarten, wo ihr Vater Salat und Möhren anbaut und Stangenbohnen zieht, an Schnüren, die am verblichenen Holzzaun befestigt sind. Elizabeth hat im Schatten der Veranda gewartet. Sie tritt aus dem Gartentor, bevor Mr. Templeton zur Haustür kommen kann. Es ist ihr peinlich, daß er ihr den Wagenschlag aufreißt. »Lassen Sie nur, das kann ich doch selbst.« »Ich mache nur meine Arbeit«, erwidert er lächelnd. Sie weiß, daß ihre Mutter am Küchenfenster steht und sie beobachtet. Ihre Eltern hegen ein tiefes Mißtrauen gegenüber der verschlungenen Hierarchie von Geld und Beziehungen, die der jungen Nation ein Klassensystem aufzwingen will. Die Einwanderer, zumeist einfache Arbeiter, die aus England und Schottland kamen, trugen den Glauben in sich, daß sie an einem Ort neu anfangen würden, wo der kleine Mann auf einer Stufe mit seinem Vorgesetzten stünde. Sie verteidigen diesen Glauben zuweilen mit fast religiösem Eifer. Als Elizabeth in den Luxus von weichem Leder und Wurzelholz versinkt, sitzt ihr Vater vor einem Kohlefeuer in seinem vollgestopften Wohnzimmer. Er liest die Nachrichten über Schiffsankünfte in der gestrigen Zeitung und trinkt seine zweite Tasse Tee mit viel Milch. Sein ganzes Leben hat er für die Hafengesellschaft gearbeitet. Vor fünf Jahren mußte er in Ruhestand gehen, weil sich beim jahrzehntelangen Verladen von »Schwarzem Gold« in seinen Lungen zuviel Kohlenstaub angesammelt hatte. Er wählt die Arbeiterpartei und zweigt noch immer einen kleinen Teil seiner Invalidenrente für die Gewerkschaft ab, für die »gute Sache«. Elizabeth weiß, wenn ihr Vater sähe, wie sie in einen Wagen mit Chauffeur steigt, spuckte er auf den Boden. Seine Frau erwähnt das wohlweislich nicht, als sie ihm die dritte Tasse Tee bringt. Martin Templeton fährt mit beiden Händen am Steuer, die krabbenartige Schere steckt in einem Handschuh, von dem drei Finger mit Watte ausgestopft sind, damit sie nicht herunterhängen. Er ist höflich, wahrt aber zumeist ein professionelles Schweigen. Im Wagen riecht es nach Tabak und Leder­pflege­mittel. Elizabeth wird durch Mansfields breite, ebene Straßen gefahren, links und rechts Bungalows und Villen. Schließlich überqueren sie eine unsichtbare Grenze in eine herausgeputzte Vorstadt, wo die Häuser selbstzufriedener und breiter sind und hinter hohen Palisadenzäunen thronen. Ganz am Rande der Stadt bremst der Wagen stark und biegt von der Hauptstraße ab wie ein Schiff, das sich gegen die Strömung dreht. Elizabeth beugt sich nach vorn. »Sind wir da?« »Ja, das ist Woodbridge.« Martin fährt langsam die baumbestandene Auffahrt hoch. Elizabeth erblickt ein Haus, umgeben von großen Rasenflächen und von Bäumen gerahmt, die ein eigenes Wäldchen bilden. Sie legt den Kopf in den Nacken, um das größte Privathaus zu erfassen, das sie seit ihrer Rückkehr aus England gesehen hat. Woodbridge hat riesige Erkerfenster oben und unten und so etwas wie Zinnen an der Nordseite, gekrönt von einem Turmhelm. Das Dach ist mit Schiefer gedeckt. Um ihren Vater nicht zu kränken, versucht Elizabeth unbeeindruckt zu bleiben. Aber das ist nicht einfach. Dieses Haus ist entworfen worden, um zu beeindrucken. Wie die Universität und andere öffentliche Gebäude in Mansfield zeigt es einen kolonialen Charakter. Das ist nicht die Art, die enormer Reichtum anderswo hervorgebracht hätte. Woodbridge ist aus Holz gebaut, nicht aus Stein oder Ziegeln; seine tragende Struktur sind Balken aus feinsten lokalen Hölzern. Der Schiefer für die Dachziegel stammt aus einem nahegelegenen Steinbruch, und hiesige Handwerker haben die bleiverglasten Fenster geschaffen, wobei sie Verfahren und Ornamente benutzten, die anderswo unbekannt sind. Dasselbe gilt für das aufwendige Schnitzwerk, das die Veranda oben umläuft. Die Räder knirschen im Kies, als Martin Templeton den Wagen vor den Stufen zur Veranda zum Stehen bringt. Er springt fast aus seinem Sitz und hat die Tür des Fonds schon geöffnet, bevor Elizabeth den Griff finden kann. »Hier sind wir also«, sagt er und senkt die Stimme. »Wir sind ein bißchen zu spät. Bitte gehen Sie sofort rein. Mrs. Blackwell liebt Präzision, wenn Sie verstehen, was ich meine.« »Danke.« Schon bevor Elizabeth die wenigen Stufen hochgegangen ist, öffnet ein Hausmädchen die Tür. Rothaarig, dünn, vielleicht fünfzehn Jahre alt. »Guten Tag, Mrs. Whitman. Willkommen in Woodbridge.« Das Mädchen hat die Worte offenbar auswendiggelernt und sagt sie ein bißchen zu prononciert auf. Fast als wäre das arme Mädchen darauf abgerichtet, Staatsgäste zu begrüßen. »Guten Tag und besten Dank.« »Hier entlang, bitte.« Sie folgt dem Mädchen in eine große Eingangshalle mit dunklen Holzpaneelen. Eine leere Garderobe neben einem Elefantenfuß voller Schirme und Spazierstöcke. Familienporträts an den Wänden. Drei Generationen von Blackwells sind hier versammelt, um die Besucher zu inspizieren und ihnen ein gnädiges Nicken in Öl zu gewähren. Elizabeth ist plötzlich verärgert. Über den uniformierten Chauffeur und das Hausmädchen, das riesige Haus und seinen Namen, die versteinerten Gesichter der Ahnen. Es sind nicht die Menschen selbst, die sie wütend machen, sondern die Rollen, die sie spielen. Während ihrer Zeit in England hat sie mehr als genug Menschen gesehen, die sich innerhalb der Klassengesellschaft freiwillig unterwarfen. »Wie heißen Sie?« fragt sie das Mädchen. »Merry«, kommt zögernd die leise Antwort. »Gut, Merry. Ich heiße Elizabeth. Meine Freunde nennen mich Lizzy.« Sie zwinkert ihr zu. Das Mädchen gibt sich einen Ruck und lächelt, wobei sie ein sehr unregelmäßiges Gebiß entblößt. »Freut mich ...« Sie hält inne und entschließt sich dann offenbar, keinen Namen zu verwenden. »Arbeiten Sie schon lange hier?« »Nein, erst zwei Monate.« Sie setzt leise hinzu: »Ich habe oben im Anbau ein kleines Zimmer.« »Fällt Ihnen da nicht manchmal die Decke auf den Kopf?« »Doch, schon. Sonntags fahre ich mit der Straßenbahn zu meiner Mutter und Schwester nach Hause.« Sie schüttelt den Kopf. »Oh, Mrs. Blackwell wartet auf Sie; ich sollte sie sofort zu ihr in die Bibliothek bringen.« »Danke, Merry. Das ist sehr nett von Ihnen.« »Hier entlang.« Das Mädchen führt Elizabeth durch einen breiten Korridor, in dem selbst bei Tag elektrisches Licht brennt. Landschafts­gemälde an den Wänden, und die sorgfältig abgestaubten Stengel einer Schmucklilie streifen beim Vorbeigehen an Elizabeth’ Wollrock entlang. Das Mädchen klopft leise an eine Tür. Eine Frauenstimme antwortet: »Herein.« Das Zimmer, das Elizabeth nun betritt, ist mit demselben dunklen Holz getäfelt wie die anderen Teile des Hauses, die sie gesehen hat. Die Morgensonne fällt durch ein Erkerfenster. Ein großer Schreibtisch und ein dick gepolsterter Ledersessel. Schwere Vorhänge in Waldgrün. Überall volle Bücherregale und Vitrinen mit Steinen verschiedener Formen und Größen. Mrs. Blackwell steht am Fenster. Elizabeth’ erster Eindruck von ihr ist der einer Frau ihres Alters, doch mit der gestreckten Haltung eines Tieres, dessen Ahnen in der Evolution ihre Nahrung immer wieder oben suchten. (Elizabeth kann keine konkrete Spezies benennen; Giraffe wäre zu naheliegend, aber auch zu extrem.) Mrs. Blackwell trägt ein dunkles Kleid. Sie sieht so aus, als sei sie im Aufbruch zu einer wichtigen Veranstaltung. »Mrs. Whitman, ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Sie geht mit ausgestreckter Hand auf Elizabeth zu. »Ich bin Margaret Blackwell. Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie meiner Einladung gefolgt sind.« Hinter ihnen verläßt das Mädchen beinahe geräuschlos das Zimmer. »Vielen Dank, Merry«, sagt Elizabeth, bevor sich die Tür ganz geschlossen hat. Als Antwort blitzen die kaputten Zähne des Mädchens auf. »Bitte setzen Sie sich doch.« Mrs. Blackwells Stimme hat keinen definierbaren Akzent, schon gar nicht den des Landes, in dem sie lebt. Sollte man das kolonial nennen? Für die Akten: Mrs. Blackwell ist tatsächlich in Mansfield geboren und aufgewachsen. Außer einem längeren Aufenthalt in England und auf dem europäischen Kontinent im Jahr 1909 – das war ihre Hochzeitsreise – hat sie das Land nie verlassen. Dieser Akzent wurde von den besten Privatschulen und Sprachlehrern kultiviert, wie man Lilien inmitten von Disteln kultivieren kann. Ihr Vater war ein sehr angesehener Reeder, und als sie mit neunzehn Jahren Paul Blackwell heiratete, hielten das alle Mitglieder ihrer Gesellschaftsschicht für eine ausgezeichnete Partie. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, entgegnet Elizabeth ein wenig steif. Ihr erster Eindruck eines Wesens, das sich aus Baumwipfeln ernährt, verwischt nicht komplett bei näherer Betrachtung. Mrs. Blackwell hat ein längliches Gesicht mit großen Augen, auf denen ein dunkler Schatten liegt. »Interessieren Sie sich für...



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