E-Book, Deutsch, 105 Seiten
Nixdorf Demut macht Sinn
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-2365-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Über Demut als Führungshaltung
E-Book, Deutsch, 105 Seiten
ISBN: 978-3-7519-2365-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Demut ist ein Zeitgeist-Phänomen. Längst nicht mehr nur Theologen und religiöse Menschen setzen sich mit dem Wert der Demut auseinander. Manager, Unternehmensberater und Coaches tun es genauso. Galt plakativ zur Schau gestelltes Gewinnstreben in den 1980er Jahren in Managementkreisen noch als sozial akzeptiert, kann man heute eher mit proklamierter Demut punkten. Demut ist, so liest man in diversen Management-Ratgebern, heute eine jener Voraussetzungen, derer es bedarf, um eine Kultur der Menschenwürde in Organisationen zu etablieren und zu leben. Demut schützt eine Führungskraft davor, übermütig zu wer-den und sich deutlich zu überschätzen. Demut erdet, was einem Unternehmen dienlich sein kann. Wer demütig ist, wird auch eher geneigt sein, seinen Mitmenschen mit Respekt zu begegnen und deren Expertise anzunehmen. Wer demütig führt, gesteht sich Fehler ein. Er trägt so entscheiden dazu bei, dass eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit gelebt wird. Wenn Mitarbeiter ihre Führungskraft als demütig und fehlertolerant erleben, werden sie eher geneigt sein, ebenfalls Fehler einzuräumen. In einer globalisierten Welt, in der Unternehmen weltweit konkurrieren, ist das essenziell, da es Innovationen befördert. Kurzum kann es von Vorteil zu sein, mehr Demut zu zeigen. Aber es gibt auch manche Nachteile. Dass man es auch mit Hochmut sehr weit bringen kann, beweist Donald Trump schließlich tagtäglich. Und noch etwas stimmt im Hinblick auf die Demut nachdenklich: Wie echt ist Demut, so ließe sich fragen, wenn Unternehmen sich ihrer im Kontext von Corporate-Social-Responsibility-Bekundungen primär deshalb bedienen, weil es dem eigenen Image dienlich ist. Ist das dann wirklich Demut, oder ist es nur Legitimationskitsch, mithin also Heuchelei? Und wenn Letzteres zutrifft, ist das schlimm? Und warum eigentlich? Darum geht es im vorliegenden Text.
Dr. Christian Philipp Nixdorf ist Sozialwissenschaftler und Organisationspädagoge. Er arbeitet als Führungskraft im Öffentlichen Dienst und ist nebenbei als Coach, Mediator und Berater tätig. Sein Schwerpunkt liegt im Bildungs- und Non-Profit-Bereich sowie in der öffentlichen Verwaltung. Er ist erreichbar über seine Homepage www.serene-success.de
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Demütig sein – Was heißt das eigentlich?
Philipp Wüschner (2017, S. 98) erklärt die Wortherkunft und die Assoziationen, die mit Demut einhergehen so: „Demut wird von der deutschen Sprache etymologisch als eine Form des ‚Muts‘ bestimmt. Dessen indogermanische Wurzeln verweisen auf Phänomene von ‚Mühe‘, ‚Kraft‘, ‚Zorn‘, ‚Wille‘, aber auch auf ‚Sinn‘ und ‚Geist‘; das heißt auf all das, was im Deutschen gemeint wird, wenn einem irgendwie zumute ist.“ Anselm Bilgri (2012, S. 2) beschreibt, dass das Wort Demut sich vom Ausdruck „dien-muot“ ableite, was so viel wie „Wille zum Dienen“ bedeutet. Kristian Furch (2008, S. 23) führt die Bedeutung des Wortes Demut ebenfalls etymologisch zurück auf die Wortstämme „Deus“ (lat. Gott) und „Muoth“ (altdeutsch Mut). Die Demut könne somit verstanden werden als „der Mut, sich von etwas Großem, zweifelsfrei Guten, abhängig zu machen“. Es gehe dabei, so Bilgri (ebd.), „nicht um Dienen im Sinne von ‚ducken‘, sondern um eine Haltung, eine kraftvolle Übernahme von Verantwortung.“ Anselm Grün (2013) schildert die Wortherkunft der Demut so: ,Das griechische Wort für dienen heißt ‚diakonein‘, und das meint den Tischdiener. Für mich ist das ein Bild: der Tischdiener möchte, dass uns das Leben schmeckt. Dienen heißt daher: dem Leben dienen, Leben hervorlocken in den Menschen, Leben wecken.“ Weiter erklärt er: „Demut ist der Mut, hinabzusteigen in die Tiefen der Seele und alles, was da in mir ist, anzunehmen: Das gehört auch zu mir. Wenn ich es annehme, verliert es an Gefährlichkeit. Dieses Hinabsteigen in die Tiefen der eigenen Seele meint Jesus, wenn er sagt: ‚Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden‘ (Lk 18, 14).“ Demut ist im christlichen Verständnis die überdauernde innere Haltung des Individuums Gott gegenüber. Thomas Eggensperger (2017, S. 114) meint dazu: „Demut scheint ihren Ort in einem Beziehungsgeflecht zwischen Gott und Mensch zu haben, nicht zwischen Menschen untereinander […]. Dennoch steht es dem Menschen an, einem anderen gegenüber demütig zu sein. Denn um Gottes Willen unterwirft sich der Mensch in Demut auch anderen.“ Demütig zu sein, bedeutet in der jüdisch-christlichen Tradition, sich als Diener Gottes zu erweisen, dessen Allmacht anzuerkennen und zu akzeptieren, dass es etwas Unerreichbares, Höheres gibt: Gott. Ähnliches schreibt Karl Hörmann die Demut betreffend im Lexikon der christlichen Moral (1969, S. 190): „Sein Verhältnis zu Gott sieht der Demütige, wie es wirklich ist: Alle natürlichen und übernatürlichen Vorzüge hat er von Gott empfangen. Der Wille anerkennt diesen Befund: ‚Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin’ (1 Kor. 15, 10).“ Demut meint das Streben, es Gottes Vorbild nachzutun, bei gleichzeitiger Gewissheit, dass dieses Ideal erstrebt, doch nie erreicht werden kann. Der Mensch ist fehlbar. Demut verlangt, sich diese Fehlbarkeit einzugestehen, denn Demut umfasst auch die Bereitschaft, „sich selbst richtig einzuschätzen und gemäß einer richtigen Selbsteinschätzung sich zu verhalten [...] Die Selbsteinschätzung vollzieht sich auf dem Weg des Vergleichs gemäß Beziehungen, in denen der Mensch durch Natur und Gnade steht, nämlich zu Gott und zum Mitmenschen“ (ebd., S. 190). Da der Demütige weiß, dass alle Vorzüge von Gottes Gnaden kommen, liegt es ihm fern, sich selbst zu überschätzen und andere zu unterschätzen. „In der Überwindung dieser Schwierigkeit liegt die eigentliche Leistung des Demütigen“ (ebd., S. 190). Der Demütige ergeht sich nicht in Selbstgefälligkeit, „sondern sieht in Gott den Urheber des eigenen Wertes. Auf die eigenen Vorzüge weist er nur dann hin, wenn es einen guten Sinn hat, etwa zur Vermehrung des Lobes Gottes [...] oder zur Sicherung des eigenen Bestehens und Wirkens [...]; im übrigen überläßt er das Urteil Gott“ (ebd., S. 191). Der Demütige ist unvoreingenommen, denn er erkennt, dass er selbst nicht besser ist als andere Menschen. Er erhebt sich daher ganz bewusst nicht über andere und bildet sich auf seine Erfolge nichts ein, da er weiß, dass er sich diese nicht nur selbst zuzuschreiben hat. Diese Erkenntnis schützt vor Hochmut. Kurzum ist dem Demütigen wohl bewusst, dass am „sichersten [...] vor der Überheblichkeit bewahrt [wird], wer im Geist christlicher Liebe seine Aufgabe im Dienst am Nächsten erblickt. Jesus verwirklicht diese demütige Liebe. ‚Er entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an und wurde den Menschen gleich. In seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze’ (Phil. 2,7 f; vgl. Apg. 8,33; Hebr. 2,7.9)“ (ebd., S. 192). Der wahrhaft Demütige ist nun aufgefordert, es Jesus gleichzutun: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, müßt auch ihr einander die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe (Joh. 13,14 f)“ (ebd., S. 193). Das Dargelegte zeigt das Demutsverständnis aus einer genuin religiösen Sicht. Freilich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, Demut zu betrachten und ihren Sinn philosophisch, sozialpsychologisch oder wirtschaftlich herzuleiten. Demut ist also ausdrücklich keine exklusiv jüdisch-christliche Tugend, wie Thomas Eggensperger (2017, S. 113) darlegt. Er kontrastiert das christliche Demutsverständnis mit Demutsverständnissen aus anderen Epochen und kommt zum Schluss, dass „man die Demut in den antiken nicht-christlichen Tugendkatalogen der Philosophen nicht findet. Die griechische Demut bezeichnet keine sittliche Tugend, sondern Unterwürfigkeit oder Untertänigkeit. In der aristotelischen Tradition ist es tugendhaft, großgesinnt zu sein und damit in der Mitte zwischen Aufgeblasenheit und Kleinmütigkeit zu stehen. Selbst Bescheidenheit ist keine Zier, sondern die Haltung des Mittelmäßigen. Demut wird erst in der jüdisch-christlichen Anschauung zu einer positiv bewerteten Grundhaltung der sittlichen Lebensführung.“ Demut hängt, so die Konsequenz, in der jüdisch-christlichen Tradition eng zusammen mit Dienen, oder besser: Mit Dienst am Menschen. Allerdings hat die Demut als Tugend trotz der religiösen Ableitung des Wortes im weiteren Sinne nicht zwangsweise etwas mit Religiosität bzw. mit dem Glauben an eine Gottheit zu tun. Vom Dienst für und vor Gott hat sich das heute Demutsverständnis in weiteren Teilen der Gesellschaft gewandelt. Auch Nicht-Gläubige, die ihren universalen Selbstwert nicht aus ihrer Unvollkommenheit im Vergleich zu Gott ableiten, betonen häufig, etwas in Demut zu tun oder Demut zu empfinden. Ein jeder Mensch, ob religiös oder nicht, kann demütig sein, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - davon überzeugt ist, dass es ein hohes Gut ist, (auch) anderen zu dienen und sich selbst immer wieder infrage zu stellen. Martina Aron-Weidlich schildert das in ihrem Buch Essenz der Führung (2012, S. 44) so: „Führung bedeutet auch Autoritäten anzuerkennen, sich unterzuordnen und in einer bestimmten Art und Weise auch demütig sein zu können. Dienen ist ein ausgleichendes Element, das nicht automatisch mit ‚sich verbiegen‘ einhergeht“. Eine erfolgreiche Führungskraft verstehe es, eine Balance zwischen Anpassung und Querdenken an den Tag zu legen. „Zugegeben, es erfordert manchmal die Künste eines Chamäleons, sowohl der eigenwillige Entrepreneur als auch der flexible, sich situativ Unterordnende zu sein.“ Ein Blick in diverse Texte, in denen die Verknüpfung von Demut und Management vorgenommen wird, zeigt, dass die religiöse Bezugnahme heute kaum mehr erfolgt. Eher wird Demut als moralisch gebotene Tugend ohne deistischen Bezug interpretiert. So definiert Rainer Wallisser (2006) die Demut als „Gesinnung des Dienenden bzw. des selbstlosen Dienens im Gegensatz zu Selbsterhebung, Stolz und Hochmut, der eigenen Selbstüberschätzung und Vermessenheit. [...] Demut wird im weltlichen Sinn vor allem als soziale Tugend, als Dienst an der Gemeinschaft verstanden. Wer demütig ist, stellt seine eigenen Ansprüche zurück und seinen persönlichen Stolz nicht in den Vordergrund. Schicksalsschläge können u. a. ohne zu klagen ‚demütig’ akzeptiert werden.“ Robert Solomon (1999, S. 94) definiert Demut als „a realistic assessment of one’s own contribution and the recognition of the contribution of others, along with luck and good fortune that made one’s own success possible. Humility, acordingly, is a version of gratitude […].“ Žiaran et al. (2015, S. 2222) sehen Demut als Konvergenz von Selbst-Achtung, Selbst-Vertrauen und Selbst-Einschätzung: „Humility is the mid-point between negative extremes of arrogance and lack of self-esteem. In our view, this definition, based on one’s own capacity to discern among esteem, confidence and assessment is most compatible with our view of the humility concept.“ Nicht religiöse Menschen assoziieren mit Demut oft schlicht Zurückhaltung, Mäßigung und Kenntnis um die eigene Fehlbarkeit. Wer Demut eher negativ konnotiert (was auch vorkommt), hat mitunter hingegen Assoziationen wie Kriecherei, Leisetreterei, Schleimerei oder Duckmäusertum im Kopf. Festzustellen ist allerdings, dass sich in wissenschaftlichen Datenbanken weit mehr Texte finden, die auf den Nutzen der Demut eingehen, als solche, die vom potenziellen Nutzen des Hochmutes berichten. Es gibt aber auch Letztere, die darauf verweisen, dass ein gewisses Maß an Hochmut und Selbstüberschätzung in bestimmten Situationen hilfreich sein kann. So schildern Galasso & Simcoe (2010, S. 22) in einem Working Paper - basierend auf einer Modellrechnung - dass Selbstüberschätzung Innovationen befördern kann. Sie schreiben: „In particular, overconfident...