Buch, Deutsch, Band 2, 240 Seiten, Format (B × H): 151 mm x 219 mm, Gewicht: 402 g
Reihe: Sombart Autobiografie
Heidelberger Reminiszenzen. 1945-1951
Buch, Deutsch, Band 2, 240 Seiten, Format (B × H): 151 mm x 219 mm, Gewicht: 402 g
Reihe: Sombart Autobiografie
ISBN: 978-3-96160-081-6
Verlag: Elfenbein Verlag
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Meine Vermieter waren ein exemplarisches Paar der Heidelberger Urbevölkerung. Kleine Leute der schlimmsten Sorte, denen ihre politische Gesinnung ins Gesicht geschrieben stand, Nazis, Pg, SA und NS-Frauenbund. Er muss Blockwart gewesen sein, wenn nicht Schlimmeres. Von der Sorte, die in der Pogromnacht im November 1938 die Synagogen in Brand gesteckt hatte, im Braunhemd, mit Hakenkreuzarmbinde und Schulterriemen. Das jedenfalls glaubte ich mit einem Blick zu erfassen: Unser Luftschutzwart im Grunewald war genau derselbe Typ.
Die beiden waren mir so unsympathisch wie ich ihnen. Der Mann, Mitte vierzig, ohne Stellung und Arbeit, in ein Entnazifizierungsverfahren verstrickt, saß schmollend zu Hause. Ein Wicht, ein Gartenzwerg, der rechte Arm mit automatischer Hitlergrußmechanik, im Arsch ein eingebauter Sprengsatz. Ganz unten auf der Stufenleiter der Menschheit angesiedelt, ganz unten auf der Stufenleiter der Bösewichte, ein Nichts verglichen mit den Bonzen, den Gauleitern, den hohen SS-Chargen, die ihn verachteten und auf ihm herumtraten. Das Einzige, was ihm blieb, war, auf den Juden herumzutrampeln.
Die Frau, etwa gleichen Alters, kompensierte ihre politische Frustration mit frenetischer Hausarbeit, sie putzte. Von morgens bis abends lief sie in einer blaurosageblümten Kittelschürze und braunkarierten Filzpantoffeln herum, den Staubsauger oder Eimer oder Feudel zur Hand. Dabei schimpfte sie halblaut über die Amerikaner. Beide waren schlecht ernährt, mal baisée, wie der Franzose treffend sagt, womit alles gesagt ist.
Beide erkannten in mir mit sicherem Instinkt sofort den Feind.