Buch, Deutsch, Band 1, 320 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 219 mm, Gewicht: 520 g
Reihe: Sombart Autobiografie
Ein Bericht. 1933-1943
Buch, Deutsch, Band 1, 320 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 219 mm, Gewicht: 520 g
Reihe: Sombart Autobiografie
ISBN: 978-3-96160-080-9
Verlag: Elfenbein Verlag
Weitere Infos & Material
Ich hatte eine außerordentlich privilegierte Kindheit. Sie war bürgerlich im besten Sinne des Wortes. Meine Eltern waren nicht reich, aber ein gewisser Wohlstand war das Selbstverständliche, über das man nicht sprach. Auch in meinem Elternhaus „hingen keine Gainsboroughs“, aber es war angefüllt mit den Requisiten, die zu den Essentials einer kultivierten Lebensform gehören. Was mir heute besonders phantastisch erscheint, war der Luxus an Raum (an Quadratmetern), über den vier Menschen – Vater, Mutter und zwei Kinder – verfügten. Da gab es Zimmer, die man tagelang gar nicht betrat. Das Arbeitszimmer meines Vaters in der oberen Etage war ein buon retiro, zu dem der Zugang nur unter Ausnahmebedingungen gestattet war. Die Küchen- und Kellerräume zu betreten war fast verboten. Ich bin fest davon überzeugt, dass mein Vater niemals den Fuß in die Küche gesetzt hat. Den Wein holte er allerdings selbst aus dem dafür vorgesehenen Keller.
Selbstverständlich gehörten zu einem solchen Haus auch Dienstboten, eine Mamsell, das Zimmermädchen, ein Hausmeisterehepaar und eine französische Gouvernante. Bei großen Gelegenheiten kam Herr Misamer, ein perfekter Butler, der wenige Häuser weiter im Dienst war. Man sah ihn gelegentlich in den Straßen, in gelbschwarz gestreifter Weste, den Pudel seines Herrn spazierenführen. Das war wenig, verglichen mit dem Personal, das es in anderen Häusern gab, aber es erscheint mir heute wie ein Traum. Wenn man mich fragte, welches der entscheidende Indikator für die Kulturschwelle ist, die wir übertreten haben, so würde ich nicht zögern zu sagen, dass es das Verschwinden der Dienstboten ist.