E-Book, Deutsch, 160 Seiten
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: Gartenbücher - Garten-Geschenkbücher
ISBN: 978-3-7317-6161-7
Verlag: Schöffling
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Beverley Nichols (1898-1983) war ein britischer Schriftsteller und großer Gartenkenner. Er schrieb über 60 Bücher - Romane, Reisebeschreibungen, Kinder- und Kriminalgeschichten und neun Gartenbücher.
Weitere Infos & Material
BEVERLEY NICHOLSI.BlumenausstellungenII.HerbstfarbenIII.WinterblüherIV. Den Garten ins Haus tragenCOMPTON MACKENZIEV. Gärtnern im WindMARION CRANVI. BlumenkästenVII. Amerikanische GärtenVITA SACKVILLE-WESTVIII. Das Beet fürs nächste JahrIX. Hecken und GartenplanungX. Blühende SträucherXI. Einjährige
Beverley Nichols II. HERBSTFARBEN Ich fürchte, ich muss Ihnen gleich zu Anfang ein Geständnis machen, nämlich dass ich die unangenehme Angewohnheit habe, die Jahreszeiten zu dramatisieren. Der Frühling kommt mir immer vor wie eine Zeit der Werbung, der Sommer wie die Ehe, der Herbst wie eine wirklich grandiose Party und der Winter wie ein Tod, aber ein Tod, der die Unendlichkeit des Lebens in sich trägt. Alles in allem glaube ich, dass ich die Partyzeit am meisten mag – womit ich, anders ausgedrückt, sagen will, dass der Herbst meine liebste Jahreszeit ist. Und ich glaube, er wäre auch die liebste Jahreszeit vieler anderer Menschen, wenn sie wüssten, was für großartige Partys in ihrem eigenen Garten stattfinden könnten, würden sie sich nur ein klein wenig Mühe geben. Denn es gibt alle möglichen wundervollen Bäume und Sträucher, die anscheinend nie in die Gärten der meisten Leute eingeladen werden, obwohl sie ein so festliches Naturell haben, dass ihr Teint am Morgen danach, womit ich den Morgen nach dem ersten Frost meine, geradezu strahlt, weil sie die Ausschweifungen der Nacht so genossen haben. Es gibt Sträucher, die wie unbekümmerte junge Taugenichtse aussehen und sich beim ersten Anzeichen des Winters mit unzähligen leuchtendblauen Bohnen schmücken, und wenn man sie am Morgen betrachtet, sehen die blauen Bohnen aus wie die grellbunten Überbleibsel irgendeines Kinderfests, die sie in ihren Knopflöchern vergessen haben. Dazu gibt es viele Bronze-, Gelb- und Goldtöne, die Ihren Garten so festlich aussehen lassen wie einen Ballsaal auf dem Höhepunkt einer absolut großartigen Party, und wenn es windig ist und Sie die Augen halb schließen, verwandeln sich diese Farben in die Kleider von Frauen, die sich zur Musik des Windes drehen und wiegen. Allerdings ist die Frage, »Was ist Ihre liebste Herbstpflanze?«, fast so schwer zu beantworten wie »Was ist Ihre Lieblingsblume?« Auch diese Frage wird nur höchst selten schnell und zügig beantwortet, außer von Darstellerinnen an Boulevardtheatern, die, meiner Erfahrung nach, zu jeder Tages- und Nachtzeit auf alles eine Antwort parat haben. Aber ich muss gestehen, dass ich tatsächlich eine liebste Herbstpflanze habe – einen Strauch, der mir mehr Freude geschenkt und meine Zimmer strahlender und fröhlicher gemacht hat als fast alles, was im Frühling blüht. Der Name – und an dieser Stelle flehe ich Sie an, sich Stift und Papier zu holen, falls sie beides nicht bereits zur Hand haben. Der Name lautet Euonymus europaeus. Falls Ihnen das zu beängstigend klingt, wäre es vielleicht eine gute Idee, Ihnen den viel einfacheren und hübscheren allgemein gebräuchlichen Namen zu nennen, nämlich Gewöhnlicher Spindelstrauch, oder, noch besser, Pfaffenhütchen. In meinem Buch Große Liebe zu kleinen Gärten finden Sie eine begeisterte Beschreibung des Spindelstrauchs. Dort bezeichnete ich ihn als »Apfelblüte im November«, was absolut keine Übertreibung ist. In der Nähe meines kleinen Cottage gibt es einen Wald, in dem ich gelegentlich illegale Streifzüge unternehme, und dort, oben auf einem Hügel, auf magerstem Boden, steht ein Spindelstrauch von einem guten Meter Höhe. Die Zweige sind von einer Unzahl hellroter Früchte überzogen, die sich wie Blütenblätter öffnen und die innen enthaltenen, leuchtend orangefarbenen Samen enthüllen. Wenn man sich einen großen Strauß schneidet – und ich muss gestehen, dass ich das unweigerlich tue –, glaubt man, eine wundervoll brennende Fackel in der Hand zu haben, und ich kann Ihnen versichern, dass Sie sich, falls Sie so wie ich als Wilddieb unterwegs sind, ebenfalls wie eine brennende Fackel fühlen werden, vor allem, wenn Sie sich am Horizont entlangdrücken, um der unangenehmeren Sorte Wildhüter aus dem Weg zu gehen. Aber es lohnt sich. Also bitte, merken Sie sich diesen Strauch. Jede gute Gärtnerei kann ihn für Sie besorgen. Er braucht nicht viel Sonne, gedeiht auch auf mageren Böden und schenkt Ihnen an den trübsten Novembertagen alle Empfindungen, die Sie mit der Quitte verbinden. Und jetzt müssen Sie Ihren Stift noch einmal hervorholen, denn es gibt einen Strauch, den Sie unbedingt auf Ihre Herbstparty einladen müssen, wenn sie ein Erfolg werden soll, und der heißt Cotinus obovatus, der Perückenstrauch. Zu dieser Jahreszeit sind die Blätter von einem intensiv leuchtenden, von Orange durchzogenen Scharlachrot. Ich bin überzeugt, würde man diesen Strauch mitten in eine Gruppe von Fächerahornen und Scharlacheichen setzen, würde er sie alle in den Schatten stellen, wie eine fast zu gut gekleidete Frau auf einem ganz besonders festlichen Ereignis. Der Perückenstrauch ist relativ unempfindlich, und obwohl er zu manchen Jahreszeiten nur schwer zu finden ist, müssten Sie ihn mit etwas Mühe auftreiben können. Und wenn Sie ihn zu Ihrer Party einladen, sollten Sie auch seinen Bruder bitten – Rhus typhina laciniata, den Geschlitztblättrigen oder Farnwedel-Essigbaum, der nicht ganz so intensiv gefärbt ist, dafür aber hübschere, farnartige Blätter hat, wie der Name schon sagt. Natürlich werden Sie auch einige Mitglieder der Ahorn-Familie dazu bitten, die für den Erfolg jeder wirklich guten Herbstparty unverzichtbar sind. Jeder kennt den ein oder anderen Ahorn, aber auf die Gefahr hin, überheblich zu klingen, möchte ich hier einwerfen, dass einige Mitglieder der Familie den anderen bei weitem vorzuziehen sind. Vorsicht ist vor allem beim japanischen Zweig der Familie geboten, weil einige der japanischen Ahorne dazu neigen, gelegentlich etwas unbeherrscht zu sein – wie junge Männer, die nach einem einzigen Drink knallrot anlaufen und sich ungebärdig aufführen. Einige Japan-Ahorne tun das, sobald sie nur ein kleines bisschen Frost genippt haben und sind die Mühe wirklich nicht wert. Aber es gibt einen, dessen Verhalten während der ganzen Party ohne Fehl und Tadel sein wird, und sein Name lautet Acer felicifolium, Japan- oder Fächer-Ahorn. Er besitzt jede nur erdenkliche Tugend. Zunächst einmal gehört er zu den Ersten, die zur Party erscheinen, tatsächlich verfärbt er sich manchmal schon im August. Aber das tut er nicht etwa schnell, sondern geht ganz allmählich von einem hellen Pink zu einem dunklen Bronzeton über. Wenn er das erledigt hat, denken Sie vielleicht, er hätte genug zu Ihrer Unterhaltung beigetragen. Aber sobald die ersten Fröste kommen, nimmt er ein leuchtendes Rot an – eine Art Siegelwachsrot, und dazu sind seine Blätter so robust, dass sie sich oft noch viele Tage halten, nachdem die weniger vortrefflichen Verwandten alle Hoffnung aufgegeben haben. Ich bitte Sie inständig, sich den Namen dieses Ahorns zu merken – felicifolium. Es bedeutet »glückliches Blatt«, und ich kann mir niemanden vorstellen, den der Anblick nicht glücklich machen würde. Mir fehlt die Zeit, mehr als flüchtig auf die lange Liste der Bäume und Sträucher einzugehen, die Sie zu Ihrer Party bitten könnten. Deshalb werde ich so, als würde ich aufs Geratewohl ein Adressbuch aufschlagen, abrupt zu einer völlig anderen Familie springen – der Familie der japanischen Wildäpfel, Malus floribunda, auch Korallenstrauch genannt. Sie können gefahrlos so viele Mitglieder dieser Familie einladen, wie Sie wollen, aber ein Zweig übertrifft meiner Meinung nach die anderen bei weitem, und das ist Pyrus malus John Downie. Das Wichtigste daran ist der Name John Downie – ich glaube, er war der Amerikaner, der den Baum einführte. Im Herbst ist er im wahrsten Sinn des Wortes übersät von winzigen, eiförmigen Äpfeln, die so bunt sind, dass sie wie Ostereier aussehen. Zu den Vorzügen dieses Baumes gehört auch, dass die Früchte nicht nur schön anzusehen, sondern auch sehr schmackhaft sind und sich wunderbar einlegen oder zu Gelee verarbeiten lassen – allerdings weigere ich mich, das Rezept an, egal wen, weiterzugeben. Und jetzt müssen Sie schon wieder zum Stift greifen, weil mir gerade zwei Pflanzen eingefallen sind, die zutiefst beleidigt wären, würden sie nicht zur Party eingeladen, und Sie würden einen schweren Fehler begehen, würden Sie sie nicht dazu bitten, denn viele Leute wissen nicht einmal, dass sie existieren. Das eine ist Aralia elata – die Japanische Aralie, ein stacheliger kleiner Baum oder Strauch, der auch Teufelskrückstock genannt wird. Sollten Sie sich über diesen Namen wundern, können Sie ja mal versuchen, den Stamm zu umfassen. Wahrscheinlich fallen Ihnen dann sofort noch schlimmere Namen ein. Abgesehen von der prächtigen Herbstfärbung hat Aralia elata auch wunderschöne cremig-weiße Blütenstände, die sich Ende August bis September bilden. Eine weitere Pflanze, die ebenfalls im September blüht und sich eine sehr schöne Herbstfärbung zulegt, ist Andromeda arborea, der Sauerbaum. Er sollte auf jeden Fall eingeladen werden, weil seine Blätter zu dieser Jahreszeit so intensiv leuchten, dass sie aussehen, als seien sie in Rotwein getaucht worden. Es wäre jedoch ein großer Fehler zu denken, dass die Herbstpalette nur Rot-, Bronze- und Goldtöne zu bieten hat. Wenn Sie bereit sind, ein wenig Mühe auf sich zu nehmen und ein bisschen Geld auszugeben, können Sie auch Blautöne haben. Und hier möchte ich die Bäume und Sträucher kurz verlassen, um Sie zur Staudenrabatte zu führen und Ihnen eine Pflanze zu zeigen, die meiner Meinung nach in diesem Land sträflich vernachlässigt wird – eine Pflanze, die im November in vielen Gärten blühen könnte. Es ist eine aus Japan stammende krautige Pflanze...