Ngugi | Black Star Nairobi | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

Ngugi Black Star Nairobi

Roman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-88747-318-1
Verlag: Transit
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 250 Seiten

ISBN: 978-3-88747-318-1
Verlag: Transit
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



KrimiZEIT-Bestenliste, Juni 2015 Im Dezember 2007 - in Kenia findet gerade ein von Gewalttaten begleiteter Wahlkampf statt, in den USA erklärt (der Halbkenianer) Barack Obama seine Präsidentschaftskandidatur - untersuchen Ishmael und O, zwei Detectives, den Mord an einem großen, schwarzen Mann im berüchtigten Ngong-Wald, außerhalb Nairobis. Als sie nach Nairobi zurückkommen, explodiert in einem berühmten, von politisch einflussreichen Kenianern und reichen Ausländern frequentierten Hotel eine Bombe. Weil viele Amerikaner unter den Opfern sind, ermittelt auch die CIA, die al Qaida oder somalische Islamisten hinter dem Terroranschlag vermutet. Die beiden Detectives stoßen auf eine Verbindung zwischen ihrem Mordfall und dem Anschlag und entdecken bei einer heftigen, aufregenden Jagd durch Kenia, durch Mexiko, die USA und Kanada einen politisch brisanten Hintergrund: eine international operierende Geheimorganisation von hohen politischen Beamten und Managern, die das Ziel verfolgt, die sich immer weiter zuspitzende afrikanische Misere (Gewalt, Korruption, Armut und Stammesfehden) durch gezielte Morde an führenden afrikanischen Politikern zu bekämpfen. In Kenia soll das erste Exempel statuiert werden. Die beiden Detektive müssen sich entscheiden, ob sie Terror im Namen des Guten decken oder bekämpfen sollen... Der Autor zeichnet auf spannende, sprachlich sehr differenzierte Weise ein realistisches Bild von Afrika, seinen schier ausweglos erscheinenden Konflikten, seinen führenden und den verarmten Schichten, aber auch von Menschen, die sich mit diesen Verhältnissen nicht zufrieden geben.

Mukoma wa Ngugi wurde 1971 als Sohn des weltbekannten kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong'o in Evanston, Illinois/USA geboren, wuchs in Kenia auf und konnte dann Ende der achtziger Jahre dank seines amerikanischen Passes als einziger aus seiner politisch verfolgten Familie in die USA ausreisen und dort studieren. Er arbeitet als Literaturprofessor an der Cornell University und schreibt als politischer Journalist und Kolumnist für die BBC, für den Guardian, Los Angeles Times und verschiedene afrikanische Zeitungen und Zeitschriften. Er veröffentlichte literarische Anthologien und Gedichte. »Nairobi Heat«, sein erster Roman, erschien 2009 in New York und im Frühjahr 2014 auf Deutsch, und hat zahlreiche Preise gewonnen, sein zweiter, »Black Star Nairobi«, folgte 2013 (Melville, New York).

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WOLKEN ZIEHEN AUF
Einen Tag vor der Explosion im Norfolk-Hotel und nur wenige Tage, bevor Sahara und seine Männer über uns herfielen, standen O und ich mitten im berühmt-berüchtigten Ngong-Wald und blickten auf das, was von einem großen, schwarzen Mann im feinen Anzug übrig geblieben war. Die wilden Tiere des Ngong hatten ganze Arbeit geleistet, der Körper des Mannes sah eher aus wie ein Tierskelett. Diese Todesart war die schrecklichste – das Opfer hatte kaum noch etwas mit einem menschlichen Wesen gemein. Es war um die Mittagszeit, aber es hätte genauso gut Mitternacht sein können, so, als würden wir im Licht des Vollmonds nach Spuren suchen – das dichte Dach uralter Bäume ließ nur irisierendes Dämmerlicht durch – zu wenig, um gut sehen zu können, aber zu hell für eine Taschenlampe. O sagte es zuerst. »Dieser Mann hat viele Geheimnisse zu erzählen.« Er zeigte auf dessen Gesicht – ein verstohlenes Lächeln war darauf zu erkennen, als ob er sich darüber freute, entdeckt worden zu sein. Der springende Punkt war: Eine Leiche, die im Ngong-Wald abgelegt wurde, trug immer eine Botschaft im Gepäck. In den Vereinigten Staaten gibt es die Wüste von Nevada – oder Football-Stadien, denkt man an Jimmy Hoffa*. Wenn dir in Kenia jemand einigermaßen deutlich macht, er würde dich am liebsten in den Ngong befördern, dann sollte man besser klein beigeben, es sei denn, man ist schneller und befördert ihn dahin. Ich lebte noch nicht so lange in Kenia, aber ich könnte eine Menge Namen runterrasseln: J.M. Kariuki zum Beispiel, ein Radikaler in dieser oder jener Frage, wurde zu Tode gefoltert, seine Leiche von einem Hirtenjungen gefunden. Robert Ouko, ein sehr smarter Politiker, der angeblich im Ngong Selbstmord beging: Zunächst verstümmelte er sich, dann – nachdem er nicht verblutete – setzte er sich in Brand, bevor er sich schließlich in den Kopf schoss. Alle Zeugen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung starben unter mysteriösen Umständen, ebenso wie der Hirtenjunge, der – wieder einmal – die Leiche gefunden hatte. Immer war es ein Hirtenjunge, der sich in die Tiefen des Waldes hinein wagte und die Toten fand. In unserem Fall hatte er zufällig ein Handy dabei, und so konnten wir schon nach wenigen Stunden am Fundort sein. Wenn man sich die exakte Kombination der beiden Schüsse ansah, einer dahin, wo das Herz sein musste, einer in den Kopf, schwante einem, dass das nur ein professioneller und effizienter Killer getan haben konnte. O und ich hätten also besser gleich wieder verschwinden sollen. Wäre es irgendwann im letzten Jahr passiert, wir hätten genau das getan. Seit O und ich vor drei Jahren eine Agentur mit dem ziemlich cleveren Namen Black Star gegründet hatten, bearbeiteten wir die merkwürdigsten Fälle: von verschwundenen Penissen – leicht zu lösen mit einem spitzen Knie in die Leistengegend – über fremdgehende Ehegatten bis hin zu gefälschten Gemeinderatswahlen. Wir kamen grad mal so über die Runden. Nur weil O immer noch für das CID, die kenianische Kriminalpolizei, arbeitete, konnten wir mal eine Vermisstensache, mal einen Mordfall übernehmen und so einigermaßen flüssig bleiben. Deswegen war es eigentlich eine Gefälligkeit, dass uns Yusuf Hassan, Chef des CID, diesen Fall zuschanzte. Das CID würde für die Spesen aufkommen und mir zusätzlich ein Beraterhonorar zahlen. Nicht nur, dass wir ziemlich abgebrannt waren, mehr noch: Wir waren wie Boxer, die zu billigen Siegen gekommen waren und nun endlich gegen einen richtigen Gegner fighten wollten. Wir wollten es jetzt wissen, wie damals, bei unserem ersten gemeinsamen Fall, der uns beinahe das Genick gebrochen hätte – der Fall eines toten weißen Mädchens auf der Veranda eines afrikanischen Professors in Madison, Wisconsin. Gut, ich sage ja nicht, dass das Wiederfinden eines verschwundenen Penis’ reinste Zeitverschwendung wäre, aber manchmal will man etwas anpacken, was einem sein Bestes abverlangt, eine echte Herausforderung – nicht um eine Show abzuliefern, sondern weil man wirklich verdammt gut ist. Wir waren also scharf auf einen richtigen Auftrag – und auf ein bisschen Kohle. »Wer immer ihn umgebracht hat, die Patronenhülsen hat er jedenfalls verschwinden lassen«, sagte O, nachdem er den Fundort ohne Ergebnis abgesucht hatte. Vorsichtig öffneten wir das zerfetzte Jackett, das immer noch feucht war von Blut und vom Regen. Wir fanden ein paar zerknüllte amerikanische Dollars, einige Euros und kenianische Schillinge, aber keinen Ausweis. Seine Hosentaschen waren leer. Der Anzug ohne Etikett. Es hätte jeder sein können. Trotzdem, soviel wusste ich: Wer sich die Brutalität des Ngong-Walds verdient hatte, der musste schon was Besonderes sein. »Wir werden vielleicht niemals rauskriegen, wer das ist«, sagte ich und wies auf die abgenagten Knochen, die mal seine Hände gewesen waren. Ein DNA-Abgleich war nur sinnvoll bei einer großen Datenbank – Kenia steckte da aber noch in den Kinderschuhen. Wir müssten also extrem viel Glück haben, um auf passende Daten zu stoßen. Und ein Zahnabgleich? Konnte man ebenso vergessen. Wir mussten darauf bauen, dass die Leiche ihre Geheimnisse selbst preisgab. Es war jetzt nichts weiter zu tun, als den Toten zur Pathologie bringen zu lassen. Weil wir keine Leichensäcke dabei hatten, mussten die Polizisten ihn vorsichtig in eine Wolldecke wickeln. »Ishmael, man kann nicht im Ngong-Wald sein, ohne einen Joint zu rauchen«, verkündete O und blinzelte zur Sonne hoch, deren Licht eher an Mondschein erinnerte. »Wenn wir schon mal hier sind, sollten wir auch die Einsamkeit genießen«, fügte er strahlend hinzu. O hatte sich in den Jahren kaum verändert – er trug immer noch dieselbe Lederjacke, selbst in der größten Hitze Nairobis. Obwohl er jetzt Anfang vierzig war, hatte er nicht zugenommen. Sein schmaler Körper ließ ihn größer erscheinen. Seine Augen waren ständig blutunterlaufen – das Ergbnis von zu wenig Schlaf und zu viel Gras. Immer, wenn wir in eine brenzlige Situation gerieten, umspielte seine Lippen ein Lächeln, als ob er etwas wüsste, wovon der Gegner nicht das Mindeste ahnte. Es hatte ein bisschen gedauert, bis ich dahinter kam – er kannte kein Tabu, er konnte verletzen, quälen oder sogar töten, wenn es die Situation erforderte. Für ihn war es einfach Arbeit. Er hatte genug Tote gesehen und selbst getötet, um mit seiner eigenen Sterblichkeit klar zu kommen. Die meisten Kriminellen sind jederzeit bereit zu töten, aber nicht zu sterben – deswegen war O im Vorteil, wenn sie ihm in die Quere kamen. Es waren diese zwei Gesichter, fast wie eine Persönlichkeitsspaltung, die ihn letztlich so gefährlich machten. Im Alltag war er der nette Kerl; er war glücklich verheiratet und ging immer so früh wie möglich nach Hause. Sobald er jedoch die Welt der Mörder und Diebe betrat, passte er sich perfekt an und folgte ihren Regeln ebenso wie er sie brach. Es hatte Vorteile, mit jemandem wie O zu arbeiten – er zweifelte nie an seiner Sicht der Dinge, so dass er oft eiskalt wirkte. Solange man sich auf derselben Seite befand, war man sicher. Früher hatte ich das bewundert, doch seit einiger Zeit bekam ich Angst davor, dass das, was immer seine inneren Widersprüche in der Balance hielt, mal aus den Fugen geriet – und ich dann auf der verkehrten Seite stand. »Dieser Ort, er erinnert mich dran, welches Glück ich doch hab’ – am Leben zu sein und von hier gleich wieder verschwinden zu können.« »Brauchst du einen Vorwand, um zu kiffen?« Ich glaubte ihm kein Wort. Er lachte. »Nein, Ishmael, ich will das Leben feiern«, er blies eine Wolke Marihuana in die Luft. Es war eine gute Meile bis zur Straße; O versank immer tiefer in seinen Rausch, ich in meine Gedanken. Ich horchte in den Wald hinein. Es gibt verschiedene Arten von Stille: die eine, wenn wirklich alles um einen herum still ist; die andere, wenn alles sich in einem bestimmten Rhythmus bewegt, nur du nicht – wie die Stille, die von flimmerndem Rauschen begleitet wird. Die Stille hier im Ngong-Wald war diese laute Stille. Wir waren nicht lauter oder weniger laut als der Wind, der durch die Bäume strich, oder die lachenden Hyänen, die brüllenden Leoparden und Gott weiß was noch; wir Menschen machten einfach andere Geräusche. Das Geräusch von Kleidern, die an den Büschen hängenbleiben und zerreißen, von gut gefütterten Schuhen, die über das Unterholz streifen und es zertrampeln, das Fluchen, wenn die nackte Haut von Dornen aufgerissen wird. Als wenn man in einem stimmgewaltigen Orchester immer die falschen Töne singt. Dieses Gefühl, hier zu sehr als Mensch aufzufallen, steigerte in mir den Wunsch, aus diesem verfluchten Wald schnell wieder rauszukommen. Endlich erreichten wir...


Mukoma wa Ngugi wurde 1971 als Sohn des weltbekannten kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong'o in Evanston, Illinois/USA geboren, wuchs in Kenia auf und konnte dann Ende der achtziger Jahre dank seines amerikanischen Passes als einziger aus seiner politisch verfolgten Familie in die USA ausreisen und dort studieren. Er arbeitet als Literaturprofessor an der Cornell University und schreibt als politischer Journalist und Kolumnist für die BBC, für den Guardian, Los Angeles Times und verschiedene afrikanische Zeitungen und Zeitschriften. Er veröffentlichte literarische Anthologien und Gedichte. »Nairobi Heat«, sein erster Roman, erschien 2009 in New York und im Frühjahr 2014 auf Deutsch, und hat zahlreiche Preise gewonnen, sein zweiter, »Black Star Nairobi«, folgte 2013 (Melville, New York).



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