Neumeyer | Der Kuss des Kaisers | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 270 Seiten

Neumeyer Der Kuss des Kaisers

Ein historischer Wien-Krimi

E-Book, Deutsch, 270 Seiten

ISBN: 978-3-7117-5487-5
Verlag: Picus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Polizeiagent Pospischil steht vor einem Problem: Zu einer Leiche fehlt ihm der Kopf - und er muss sich mit hochnäsigen Beamten aus dem Hofstaat des Thronfolgers herumschlagen. Wien im Herbst 1908: Während der Vorbereitungen zur Präsentation eines neuen Gemäldes von Gustav Klimt in der Modernen Galerie des Schlosses Belvedere - der berühmte »Kuss« - sorgt ein grausamer Mord für Aufregung. In den Brunnen des Schlossparks wird eine zerstückelte Leiche gefunden - jedoch ohne Kopf. Die Kriminalbeamten Pospischil und Frisch stehen vor schwierigen und heiklen Ermittlungen, denn das Schloss Belvedere ist die Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand. Welches Motiv steckt hinter einer derart brutalen Tat? Wie soll der Tote identifiziert werden - und vor allem: Wo befindet sich der Kopf? Ihre Spurensuche führt die Polizeiagenten zu den Bediensteten der Galerie, denn nur Amtssekretär Josef Krzizek und die Bedienerin Erna Kührer haben uneingeschränkten Zutritt zum Schlosspark ...

Christine Neumeyer, 1965 in Wien geboren, ist Schriftstellerin und Organisationsassistentin der Universität Wien. Als Obfrau der Region Österreich im Netzwerk der Mörderischen Schwestern verwirklicht sie seit 2017 gemeinsam mit österreichischen Autorinnen Projekte zur Förderung der von Frauen geschriebenen Kriminalliteratur. Sie schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren historische Romane und Kriminalromane sowie Kurzgeschichten. Im Picus Verlag erschienen »Der Kuss des Kaisers« (2023) sowie »Im Schatten des Thronfolgers« (2024).
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KAPITEL 1
1. JUNI 1908
K. u. k. Amtssekretär Josef Krzizek war im Auftrag Seiner Majestät, des Kaisers von Österreich unterwegs. Er musste den Erwerb des neuen Gemäldes von Gustav Klimt, »Der Kuss«, in die Wege leiten, bevor Seine Hoheit, Thronfolger Franz Ferdinand von einer Ungarnreise nach Wien zurückkehrte. Heute bot sich eine günstige Gelegenheit. Hunderte Künstler, man beachte, ein Drittel davon Frauen, stellten zwischen Schwarzenbergplatz und Stadtpark in einem für die Kunstschau von Architekt Josef Hoffmann geplanten Areal von Pavillons, Höfen und Gärten ihre Werke dem Publikum vor. Der bekannteste unter ihnen war zweifelsohne Gustav Klimt. In wenigen Augenblicken würde der Meister die Eröffnungsrede halten. Josef Krzizek war vorbereitet. Er hatte sich erkundigt. Dieser Klimt war ein interessanter Mann, konnte allein mit der Malerei sein Leben finanzieren. Viele Damen der jüdisch-bürgerlichen Gesellschaft ließen sich von Herrn Klimt porträtieren. Der kleine Skandal vor acht Jahren um die pikant freizügigen Frauenporträts für den Festsaal der Wiener Universität hatte dem Ansehen des Künstlers ebenso wenig geschadet wie die Verbreitung erotischer Studien unter den Ladentischen, für die er angeblich minderjährige Mädchen anheuerte. Dieser Gustav Klimt führte ein erstaunlich freies und unabhängiges Leben, wenn man den Klatschspalten in den Zeitungen glauben durfte. Tief durchatmend steuerte Krzizek auf den Eingang des Gebäudes zu. An der Tür blieb er stehen und betrachtete das Plakat zur Ausstellung. Ein Frauenkopf mit langen blond gewellten Haaren. Offenbar war das Motiv mit wenigen Strichen und Farbklecksen zu Papier gebracht worden. Was sollte er von dieser Art von Kunst halten? Ungern galt er als altmodisch, aber in Sachen Kunstgeschmack stand er dem Erzherzog Franz Ferdinand, der die Nase rümpfte bei allem, was als modern galt, näher als dem Kaiser. Krzizek schnalzte mit der Zunge. Wie auch immer. Er würde den Auftrag des Ministeriums vorschriftsmäßig ausführen. Das umstrittene Gemälde war schon so gut wie im Staatsbesitz. Er straffte die Schultern, richtete den steifen Hemdkragen und wischte mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Verdammt heiß war es in Wien für Anfang Juni. Entschlossen trat er in den kühlen Vorraum. Aufmerksam musterte er die Damen in langen, saumgebauschten Kleidern und ausladenden Hüten. Viele der Herren waren in Frack und Zylinder. Er selbst trug einen schlichten Gehrock. Schließlich war er im Dienst und nicht zum Vergnügen hier. Weiter ging es in den hellen, mit schwülem Damenparfum erfüllten Raum. Da trat der Meister in sein Blickfeld. Herr Klimt stach allein durch seine Körpergröße aus der Menge heraus. Mit unbedecktem Haupt unterhielt er sich mit einer Gruppe älterer Männer. Krzizek suchte sich ein ruhiges Plätzchen, um die Szenerie ungestört überblicken zu können. Niemanden aus dem Hofstaat konnte er entdecken, keine einzige blaue Uniform. Die Innenarchitektur des eigens für die Künstlergruppe um Klimt errichteten Gebäudes war für eine Veranstaltung im Jahr des Kaiserjubiläums auch kaum angemessen ausgestattet. Auf schlichten Wänden verloren sich blasse Blumenranken wie billige Bordüren auf einem Bauernkittel. Da fuhr ein ehrfürchtiges Raunen durch die Menge. Gustav Klimt trat an das Rednerpult. »Wir sind keine Genossenschaft, keine Vereinigung, kein Bund«, begann Klimt, »sondern haben uns in zwangloser Form eigens zum Zweck dieser Ausstellung zusammengefunden, verbunden einzig durch die Überzeugung, dass kein Gebiet menschlichen Lebens zu unbedeutend und gering ist, um künstlerischen Bestrebungen Raum zu bieten, dass auch das unscheinbarste Ding, wenn es vollkommen ausgeführt wird, die Schönheit dieser Erde vermehren hilft, und dass einzig in der immer weiter fortschreitenden Durchdringung des gesamten Lebens mit künstlerischen Absichten der Fortschritt der Kultur begründet ist.« Krzizek runzelte die Stirn. Wollte der Meister die ganze Welt mit seiner Kunst beglücken? Prüfend spähte er ins Publikum und staunte, wie andächtig die Leute der Ansprache lauschten. Zum Schluss bezeichnete Klimt die Ausstellung als Kräfterevue österreichischen Kunststrebens und als Präsentation der vielfältigen Kultur im Reich. Das gefiel ihm. Einer Förderung der Heimatliebe durch die Kunst stimmte er zu. Vielleicht wäre dieses Gemälde doch eine schöne Ergänzung zu den dunklen Landschaften der traditionellen Meister und den düsteren Porträts der Habsburger in der Galerie des unteren Schlosses, überlegte er. Gold war die Farbe der Sonne. Gold galt auch als Farbe der Macht, der Erhabenheit und der Würde. Möglicherweise sah dies auch der Thronfolger so und seine Sorge um die Intervention gegen den Ankauf war gänzlich unbegründet, sinnierte er weiter. Freundlicher Applaus begleitete Gustav Klimt, als er vom Pult stieg und sich dem Publikum im Saal zuwandte. In diesem Moment trat Krzizek auf den Künstler zu, streckte sich und raunte dem groß gewachsenen Mann ins Ohr, dass er im Auftrag des kaiserlich-königlichen Kultusministeriums den Ankauf des Gemäldes heute abzuwickeln gedenke. »Nach der Führung können wir im angrenzenden Verwaltungsraum verhandeln«, antwortete Klimt kühl. Aha! Verhandeln will er, dachte der Amtssekretär und zwang sich zu einem gefälligen Lächeln. Keinesfalls wollte er dem Künstler durch seine Mimik verraten, dass das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht jeden Preis zu zahlen bereit war. Krzizek fühlte sich als beeideter Beamter der Sparsamkeit verpflichtet. »Ich freue mich darauf, Herr Klimt«, heuchelte er. »Bittschön geben S’ mir ein Zeichen, wenn Sie so weit sind.« Klimt nickte, drehte sich um, ließ den Amtssekretär stehen und deutete den Gästen mit der Hand, ihm zu folgen. Krzizek schluckte die kleine Demütigung hinunter und schloss sich der Führung an. »Hier sehen Sie Sonja Knips mit dem roten Skizzenbuch. Es war ein außerordentliches Vergnügen, das Fräulein im Garten ihrer Eltern unter einem blühenden Rosenstrauch zu malen. Die Amseln zwitscherten, Insekten surrten und dennoch regte Sonja keine Miene, blieb beharrlich in der Position, um die ich sie gebeten hatte. Trotz der sommerlichen Hitze trug sie das langärmelige, um den Hals geraffte Kleid mit bewundernswerter Würde. Kein einziger Schweißtropfen benetzte ihre Haut bis zum Ende des ersten Entwurfs.« Krzizek musterte das Gemälde. Die Porträtierte saß in leichter Vorbeuge in einem hellen Lehnstuhl, die Kante des blutroten Skizzenbuchs in ihrer rechten Hand berührte das bedeckte Knie. Wach, neugierig, vielleicht ein wenig zu stolz für ein so junges Fräulein, blickte sie von der Leinwand auf jeden hinab, der sie betrachtete. Gustav Klimt bat weiter in den nächsten Raum. Neben der Tochter eines adeligen Offiziers sah man die enge Vertraute Klimts, Emilie Flöge, eine stadtbekannte Schneiderin. Auch sie im Freien gemalt. Das war ungewöhnlich. Wohlhabende Bürger ließen sich bevorzugt im Inneren ihrer Häuser und Wohnungen porträtieren. Auf einem Gemälde zeigte sich Frau Flöge in einem weit geschnittenen Kleid aus wild gemustertem Stoff. Selbst ihr dichtes schwarzes Haar zeigte Wildheit. Krzizek musste sich eingestehen, dass er von den lebendigen Frauendarstellungen Klimts angetan war. Ginge es nach seinem Geschmack, hätte er eines der Frauenbilder für die Staatsgalerie angekauft, nicht den »Kuss«. Den Thronfolger hätten die schönen Damen wohl auch mehr angesprochen. Das Gemälde Klimts mit dem Kuss gefiel Krzizek am wenigsten. Nicht, weil das Bild unvollendet war, was die meisten bestimmt erst auf den zweiten Blick bemerkten. Hier, wo er es nach den Schwarz-Weiß-Abbildungen in der amtlichen Korrespondenz im Zuge des Ankaufs zum ersten Mal in natura sah, verstörte ihn der Anblick der in grellen Farben dargestellten eng aneinandergedrückten Körper. Der Mann war einzig an dem schwarz behaarten Hinterkopf als solcher zu erkennen. Die Gestalt der Frau war höchstens zu erahnen, wobei der Künstler wenigstens ihr entrücktes Gesicht zeigte. Ein hässlich bunter Stoff ohne konkretes Motiv verhüllte das Paar fast zur Gänze. Erneut fragte er sich, was in aller Welt an diesem Bild so bemerkenswert sein solle. Abgesehen von dem vielen Gold. Langsam bewegte sich die Gruppe weiter in einen Raum mit Bauern- und Blumenbildern. Danach folgte das Gemälde mit der Witwe Judith aus dem Alten Testament. Wieder sah man viel Gold. Und, man staune, eine entblößte Brust. Auch diese Dame trug das schwarze störrische Haar in Wangenhöhe. In allen Gesichtern der dargestellten und nach Krzizeks Empfinden meist zu spärlich bekleideten Personen erkannte er jüdische Züge. Das Dunkle und Unergründliche eines sich in Wien epidemisch ausbreitenden Volkes. »Herr Klimt, darf ich Ihnen eine Frage stellen?« Ein älterer Herr trat an den Künstler heran. »Herr...


Christine Neumeyer, 1965 in Wien geboren, ist Schriftstellerin und Organisationsassistentin der Universität Wien. Als Obfrau der Region Österreich im Netzwerk der Mörderischen Schwestern verwirklicht sie seit 2017 gemeinsam mit österreichischen Autorinnen Projekte zur Förderung der von Frauen geschriebenen Kriminalliteratur. Sie schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren historische Romane und Kriminalromane sowie Kurzgeschichten. Im Picus Verlag erschienen »Der Kuss des Kaisers« (2023) sowie »Im Schatten des Thronfolgers« (2024).


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