E-Book, Deutsch, 117 Seiten
ISBN: 978-3-7546-3677-0
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Als Kunstmaler lag es es mir schon immer nahe die Gesellschaft und deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt betrachten. Diesen Betrachtungen möchte ich nicht nur in mit bildnerischen Mitteln sondern auch in literarischer Form Ausdruck verleihen.
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Was ist mit Opa
Ich denke jetzt schon wieder über Opa nach, weil das mit Opa auf jeden Fall ein sehr schweres Thema, somit eine ganz komplizierte Angelegenheit ist. Opa habe ich sehr lieb. Für mich ist er der beste Opa der Welt. Das war er schon immer. Mindestens schon so lange, wie ich ihn kenne und ich kenne ihn schon sehr lange. Jedenfalls kenne ich ihn länger als Ole. Soviel steht schon mal fest. Der beste Opa der Welt ist er auch jetzt noch, aber nun ist er eben krank. Ja, er ist wirklich sehr krank und ich fühle mich momentan soooo allein und dazu auch noch schlecht, weil ich nicht weiß, wie ich ihm helfen kann, damit er schnell wieder gesund wird. Wo, an welcher Stelle sollte ich beginnen? Da sind so viele Fragen. Wo ist der Anfang, wo das Ende? Vor noch nicht allzu langer Zeit konnte ich zu ihm in das Zimmer gehen und Opa ein-fach fragen. Aber da saß er noch viel im Rollstuhl am Fenster. Opa hat sich immer gefreut, wenn ich bei ihm mit neuen Geschichten hereingeplatzt bin. Da konnte ich ihm erst recht regelrechte Löcher in den Bauch fragen und er hat sie mir alle beantwortet. Na ja, jedenfalls so gut er konnte. Ich habe aus lauter Verzweiflung Bilder gemalt und diese bei ihm unter der Tür in das Zimmer durchgeschoben. Das war wohl um sonst. Mutti sagte dazu: „Fein, prima, toll hast Du das gemacht. Opa gefallen sie.“. Er hatte mit mir über meine Gemälde diskutiert! Sind sie jetzt kein Wort mehr wert? Das finde ich seltsam. Jetzt ist absolut keiner da, der mir meine vielen Fragen beantworten würde. Nun habe ich auch Frust, weil ich schon so lange nicht mehr, wie einst, zu Opa darf. Doch Opa freut sich, wenn ich neben seinem Bett sitze und ihm von allen neuen Din-gen berichte. Deshalb schleiche ich mich oft es geht in sein Zimmer, wenn Mutti nicht aufpasst. Doch in den letzten drei Wochen passt Mutti besser auf. Wenn etwas klappert, ist sie schnell wie ein Wiesel zur Stelle. Wenn ich zu ihm darf, dann immer nur kurz. Am besten unter der Aufsicht von Mutti. Deswegen muss ich vorher immer erst Mutti oder Vati fragen, ob ich zu Opa darf. Sie gehen dann erst zu Opa nach-sehen, ob alles in Ordnung ist. Oft und immer öfter heißt es dann: „Opa braucht jetzt absolute Ruhe“, „Es ist etwas unpassend, versuchen wir es später noch einmal.“ Außerdem soll ich leise sein, ich sei einfach nur zu laut. Aber ich bin doch leise! Ich bin schon so verdammt leise, dass ich mich selber kaum noch atmen höre! Am lieb-sten würde ich einmal so richtig laut aus allen vorhandenen Kräften schreien. So ganz ungehörig laut und lange, wie ich es außerordentlich derb aus meiner Kehle herauspressen könnte. Aber ich mache keinen Lärm wegen Opa, damit er Ruhe hat. Schließlich soll er wieder gesund werden. Ich will zu Opa, weil ich ihn so vermisse, die vielen tollen Gespräche mit ihm, aber sie lassen mich nicht. Warum nicht? … und Opa? Will er mich nicht mehr? Hat Opa mich gar nicht mehr lieb, will mich nicht einmal mehr sehen? Gehen Mutti oder Vati erst zu Opa rein, um ihn zu fragen, ob er mich sehen will? Aber warum will er mich nicht sehen? Ich habe ihm doch nichts Böses getan und verärgert habe ich ihn auch nicht. So etwas würde mir überhaupt nicht einfallen. Warum sollte er mich nun nicht mehr sehen wollen? Kann man wirklich so krank sein, dass man keinen mehr sehen will? Aber die Erwachsenen dürfen in das Zimmer gehen! Sie sagen zu mir, dass es nichts für mich sei, weil nicht alles gut für Kinderaugen ist. Ich soll froh sein, wenn mir so mancher Anblick erspart bleibt, weil es nicht schön ist.... Was soll das denn wieder heißen?! Ich finde nicht, dass Opa so ein Hässling ist, dass ich ihn besser nicht zu Gesicht bekommen sollte. Gut, manchmal hat er sich nicht rasiert. Selbst wenn sein Bart das Gesicht großflächig verdeckt hat, sieht Opa eher wie ein Seebär, wie ein Kapitän aus, aber nicht hässlich! Opa habe ich auch schon öfter gesehen, unrasiert und die Haare alle vom Wind zerzaust und friseurbedürftig. Warum sollte ich das mir nicht ansehen dürfen? Das kenne ich doch schon alles, auch mit Unterhosen an und den alten Filzpantoffeln an den Beinen, wo sich vorn die große Zehe durchgebohrt hat! Aber Opa gibt die alten Latschen nicht her. Er hat sie so gut passgerecht eingelaufen, dass er sie nicht einmal gegen Neue kostenlos eintauscht. Zu mir hat er gesagt: „Mir passen meine Schuhe ausgezeichnet. Aber Du Bärli, Du brauchst in Abständen neue Schuhe, weil du aus den alten herauswächst“. An dieser Stelle hat er recht. Ansonsten sieht er eben so aus, wie er eben aussieht und nicht anders. Mir ist das egal, wie er aussieht. Er ist eben mein Opa! Das ist so und wird auch so bleiben. Eh, man noch-mal, das ist wirklich ein schweres und kompliziertes Thema für mich. Wie soll ich das kapieren? Ich weiß es nicht! Nein, ich weiß es wirklich nicht. Nichts ist mehr wie früher. Mir rasseln nur noch die Gedanken durch den Kopf und sie lassen sich nicht so leicht verdrängen. Opa hatte immer Zeit für mich und nun auf einmal nicht mehr? Er liegt den ganzen Tag in Bett und hat keine Zeit für mich? Gibt es so etwas über-haupt? Das ist ja wie bei den Mädchentussen, wenn sie herum zicken müssen und keiner weiß was das soll. Ich bin langsam aber sicher der Meinung, dass hier etwas nicht stimmt. Ja, hier scheint etwas richtig faul zu sein! So richtig mächtig und gewaltig faul ist das alles, wie in einem richtigen Kriminalfall. Ich muss dahinter-kommen, was es ist! Schon damit es wieder Ruhe in meinem Kopf gibt. Wenn mir es niemand sagen will, dann muss ich es eben selber herausfinden. Aber wie? Spionieren, forschen, schnüffeln, lauschen? Wie macht es Sherlock Holmes doch gleich? Ach ja, mit Faktenanalyse! Das muss ich auch probieren. Hoffentlich hilft es mir. Wenn ich nun ab sofort die Sherlock-Holmes-Vertretung bin, da drängelt sich gleich der erste Gedanke auf. Also da wäre bereits Fakt eins: Er hat sich immer gefreut, wenn er mich sah. Freut er sich nicht mehr? Will er mich deshalb nicht sehen? Habe ich was falsch gemacht? Was könnte ich wohl falsch gemacht haben? Mist nochmal! Darüber kann ich mir den Kopf zermartern. Dazu fällt mir leider nichts ein. Fakt zwei: Warum darf ich auf einmal nicht mehr so einfach in sein Zimmer? Warum erst immer Mutti fragen? Was steckt dahinter? Es könnte ja sein, dass etwas vor mir verborgen wird. Vielleicht gibt es da was, wovon ich nichts weiß, was ich nicht sehen soll. Aber was sollte das denn sein? In Opas Zimmer kenne ich doch alles schon. Ich weiß sogar wie es in seinem Kleiderschrank aussieht! Na also! Vielleicht ist ein Weihnachtsge-schenk oder Geburtstagsgeschenk für mich im Schrank versteckt. Wäre ja möglich, glaube ich aber eher nicht. Fakt drei: Opa ist schon so lange krank, viel zu lange. Warum wird er nicht gesund? Will oder kann er einfach nicht wieder gesund werden? Was ist das überhaupt für ein hart-näckiger Husten, den Opa hat, der einfach nicht wieder gehen will? Ich hab auch schon öfter Husten gehabt, wenn ich mich erkältet hab. Der Husten kommt und der Husten geht auch wieder. Vom Doktor habe ich eine Medizin bekommen, die gehol-fen hat und dann war ich wieder gesund. Warum nicht Opa auch? Bestimmt braucht Opa bloß den richtigen Hustensaft, nämlich genau den, den ich hatte! Somit sind das jetzt schon drei Fakten, die ich abarbeiten muss. Das reicht fürs erste, weil alle guten Dinge drei sind, sonst verliert man den Überblick. Das sagt ein altes Sprichwort. Jedenfalls will ich, dass er endlich wieder gesund ist. Dass wieder alles so wie früher ist. Verdammt nochmal, ich wiederhole mich dauernd! Immer die selben Sätze, die mir durch mein Gehirn sausen! So komme ich einfach nicht voran. Die Angelegenheit wird immer komplizierter, je mehr ich darüber nachdenke! Langsam glaube ich nämlich, dass so richtig keiner Bescheid weiß, was mit Opa ist. Der Vati nicht, die Mutti nicht, ich erst recht nicht und der Doktor wohl auch bloß nicht. Egal wen ich danach frage, was Opa so quält, was das für eine rätselhafte Krankheit ist, ich bekomme einfach keine zufriedenstellende Antwort. Und wenn ich jetzt auch noch stundenlang weiterhin so an die Zimmerdecke starre, eine richtige Idee zur Lösung meines Problems werde ich wohl dabei nicht erhalten. Deshalb habe ich beschlossen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Ich werde große lange Ohren machen und lauschen, wenn sich die Gespräche um Opa drehen. Zum Beispiel wenn der Doktor ab und an auf Hausbesuch kommt, um Opa zu untersuchen. Dabei muss sich doch die Gelegenheit ergeben, dass ich etwas aufschnappen kann. Aber jedes Mal wenn der Doktor kommt, muss ich in mein Zimmer gehen und die Tür hinter mir zumachen. Aus Neugierde habe ich versucht zu lauschen. Leider habe ich nichts verstehen können. Aber „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ habe ich dafür um so besser gehört, weil der Doktor das im Flur zu Mutti gesagt hat. Nur sagt mir das nichts über Opas komischen Husten aus. Danach habe ich nicht wieder gelauscht. Doch das wird sich nun ändern und ich werde besser aufpassen. Dann wäre noch Tante Elsbeth, Opas jüngere Schwester, die uns in unregelmäßigen Abständen be-sucht. Außerdem kann ich beobachten was passiert. Vielleicht gewinne ich daraus auch Erkenntnisse, die mir nützlich sind und meinen Wissenshunger stillen können. Inzwischen ist wieder die Zeit für den ärztlichen Hausbesuch herangekommen. In letzter Zeit muss der Doktor öfter kommen. Jetzt trifft sich das allerdings sehr gut, weil ich gerade zu Hause bin. Wäre jetzt Schule, dann hätte ich den Besuch verpasst. Ich drücke mein Ohr an meine Zimmertür. Schnell muss ich feststellen, dass dies nicht den gewünschten Erfolg bringt, wie ich es mir gedacht hatte. Leise öffne ich die Tür von meinem Zimmer auf einen Spalt....