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E-Book, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 190 mm x 125 mm

Neeb Weihrauch

Frankfurt-Krimi
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-95542-421-3
Verlag: Societäts-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Frankfurt-Krimi

E-Book, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 190 mm x 125 mm

ISBN: 978-3-95542-421-3
Verlag: Societäts-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Bisher gingen die Zwillinge Fabian und Fabiola von Weyrauch einem dekadenten Müßiggang nach, immer waren sie einander die wichtigsten Menschen. Doch an einem Abend im legendären Schumann-Theater ändert sich ihr Leben schlagartig: Die tiefe Verbundenheit der beiden bekommt Risse, als sich Fabian dem zwielichtigen Fechtkünstler Captain Charles Veston zuwendet – und sich so von Fabiola löst.

Fabiola ist der Degenfechter von Anfang an suspekt. Umso mehr, als ihr Bruder bald in Geldnot gerät und sogar das geliebte Gemälde »Weihrauch« von Fernand Khnopff verpfänden muss. Ihrer Intention nachgehend, engagiert sie einen Privatdetektiv, der nicht nur ans Licht bringt, dass der Captain in einem SM-Bordell verkehrt, sondern bereits im Verdacht stand, seine beiden Ehefrauen und seine Tochter vergiftet zu haben.

Als Fabiola den Fechtmeister zur Rede stellt, ist Fabian kurz danach tot. Und auch sie schwebt schon bald in Lebensgefahr...

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Kapitel 1
Frankfurt am Main, 6. November 1912: Das Schumanntheater war an diesem regnerischen Novemberabend voll bis unters Dach, oder besser gesagt, bis unter die 28 Meter hohe Kuppel, unter der bei Zirkusvorstellungen Hochseilartisten auftraten. Nahezu der gesamte Bevölkerungsquerschnitt war im Publikum vertreten, einfache Menschen vom Lande genauso wie das Frankfurter Bildungsbürgertum. Das spiegelte sich auch in den Getränken wider, tranken die ›besseren Leute‹ Sekt oder Wein, begnügte sich die Arbeiterklasse mit Bier, nicht selten hatten sie auch selbstgeschmierte Stullen dabei. 4.500 Zuschauer blickten erwartungsvoll auf die halbkreisförmige Bühne, denn es war gleich 20 Uhr und die Vorstellung konnte jeden Moment beginnen. So unterschiedlich die Besucher auch sein mochten, wurden sie doch in jenem magischen Moment wieder alle zu Kindern, die ganz gebannt waren von der filigranen Schönheit des Jugendstil-Palasts, der sie zurück in eine Zeit versetzte, als Märchen noch wahr wurden. Der schwere purpurrote Samtvorhang öffnete sich wie von Geisterhand und ein Conférencier in Pailletten besticktem Frack und Zylinder trat vor das Publikum. Während er sich nach allen Seiten hin verneigte, erklang höflicher Applaus. »Guten Abend, mein hochverehrtes Publikum!«, richtete er salbungsvoll das Wort an die Menge. »Es ist mir eine große Freude, Ihnen einen unvergleichlichen Artisten ankündigen zu dürfen. Er ist eine Berühmtheit weit über Frankfurts Grenzen hinweg. Er ist Weltmeister in der Kunst des Säbelfechtens und das große Gesprächsthema auf jeder Abendgesellschaft. Seine Vorstellungen sind seit Wochen ausverkauft, ganz Frankfurt reißt sich um die Eintrittskarten und alle Frauen zwischen zwanzig und sechzig sind hoffnungslos verliebt in ihn.« Der Ansager verzog die rotgeschminkten Lippen zu einem koketten Lächeln und legte eine Kunstpause ein, ehe seine sonore, wohltönende Stimme um einige Oktaven lauter durch den weitläufigen Saal hallte: »Es ist mir eine ganz besondere Ehre, den weltbekannten Degenkünstler Captain Charles Veston gemeinsam mit seiner reizenden Assistentin Mary Jane bei uns im Schumanntheater begrüßen zu dürfen!« Unter tosendem Applaus eilte ein stattlicher Mann in Kapitänsuniform mit der federnden Geschmeidigkeit einer Raubkatze auf die Bühne. Während er die Beifallsstürme mit heiterer Gelassenheit und charmantem Lächeln entgegennahm, gemahnten seine Haltung und der amüsierte Blick seiner hellen Augen an einen absolutistischen Herrscher, der die Huldigungen ­seiner Untertanen empfing. Auf der blütenweißen Uniformbrust prangte eine Vielzahl an Medaillen und Auszeichnungen. Er besaß ein atemberaubendes Charisma und hatte das Publikum nur durch seine schiere Gegenwart, ohne irgendetwas getan oder geäußert zu haben, bereits völlig in den Bann gezogen. Selbst der leichte Silberblick der schmalen Augen wirkte eigentümlich betörend und dem stattlichen, muskulösen Körper, der sich unter der enganliegenden Uniform abzeichnete, haftete etwas Unbändiges, Animalisches an. Die hübsche Assistentin im hautengen Matrosen-Trikot, das ihre weiblichen Rundungen vorteilhaft betonte, verblasste neben ihm völlig. Nachdem sich der Conférencier zurückgezogen hatte und die Scheinwerfer Bühne und Artisten in gleißendes Licht tauchten, begann die Vorstellung. Die Assistentin warf zunächst verschiedene Früchte in die Luft, die der Captain mit der funkelnden Klinge seines Degens mit Leichtigkeit im Fallen zerteilte.Jeder Hieb wurde von lauten Pfiffen und Jubelrufen des Publikums begleitet. Auch Fabian von Weyrauch, der in der prunkvollen Loge oberhalb der Bühne saß und die Hand seiner Schwester hielt, stieß ein begeistertes »Famos!« aus. Nachdem der Degenfechter noch etliche andere Gegenstände wie einen Bogen Papier, ein hartgekochtes Ei, einen an den Hinterbeinen aufgehängten toten Hammel und den Korken einer Champagnerflasche mit einem Hieb zerteilt hatte, näherte sich die Vorstellung ihrem Höhepunkt. Untermalt von dramatischem Trommelwirbel ließ sich Mary Jane auf einem Stuhl nieder, lehnte sich nach hinten und platzierte einen Apfel auf ihrem Hals. Captain Charles Veston, dessen athletischer Körper angespannt war wie eine Bogensehne, holte mit dem Florett zum Schlag aus und zerteilte den Apfel in zwei glatte Hälften, ohne dass der Hals seiner Assistentin den kleinsten Kratzer abbekommen hatte, wie Mary Jane anschließend den Zuschauern demonstrierte. Nachdem die Vorstellung zu Ende war und sich die Artisten unter den stehenden Ovationen der Zuschauer hinter die Bühne zurückgezogen hatten, verließ auch das junge Geschwisterpaar seine Loge. Draußen auf dem Gang wandte sich Fabian, der in seiner eleganten, exquisiten Kleidung wie der Inbegriff des Dandys anmutete, an Fabiola, die sich bei ihm untergehakt hatte. Groß und feingliedrig, gemahnte er in seinem vom renommiertesten Herrenausstatter der Londoner Savile Row maßgeschneiderten Gehrock aus graphitgrauer Kaschmirwolle an den legendären Sonnenkönig, was von dem schulterlangen, kastanienbraunen Lockenhaar, das einer Allongeperücke glich, noch verstärkt wurde. Sein blasses, feingeschnittenes Gesicht war von fast überirdischer Schönheit. »Lass uns doch zu seiner Garderobe gehen, ich möchte gerne ein Autogramm von ihm«, äußerte er aufgeregt. Die Frau in der vornehmen Abendrobe und dem weißen Perlenhaarnetz auf dem hochgesteckten tizianroten Haar zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. »Du bist ja vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen, so kenne ich dich gar nicht.« »Warum auch nicht, der Mann ist ein Ass und sieht außerdem noch blendend aus«, konterte der Dandy. Sie musterte ihn achselzuckend. »Dann tu, was du nicht lassen kannst, aber ohne mich. Ich habe nämlich keine Lust, diesem eitlen Pfau auch noch hinterherzurennen. Ich warte unten in der Champagner-Lounge auf dich«, beschied sie ihn kühl, ließ es aber zu, dass er sie zum Abschied auf die Wange küsste, ehe sie sich oberhalb der Treppe trennten. Nachdem sich die Schlange der Autogrammjäger vor der Garderobentür, bei denen es sich in der Hauptsache um Damen der besseren Gesellschaft handelte, endlich gelichtet hatte, gab der Wächter Fabian die Erlaubnis, einzutreten. Captain Charles Veston thronte, in einen knöchellangen schwarzen Satinmorgenmantel gehüllt, auf einem Ohrensessel und warf einen kurzen Blick auf die Visitenkarte, die der Aspirant zuvor dem Wächter ausgehändigt hatte. Denn nur, wer über eine Visitenkarte verfügte, durfte das Allerheiligste betreten. So wurde gewissermaßen schon die Spreu vom Weizen getrennt und der Captain musste seine wertvolle Zeit nicht mit irgendwelchen Hungerleidern vergeuden. Wovon in diesem Fall, wie ihm der illustre goldgeprägte Name auf dem Kärtchen verriet, keineswegs die Rede sein konnte. Über sein markantes Gesicht breitete sich ein wohlwollendes Lächeln, als er dem Besucher nicht nur zur Begrüßung die Hand reichte, sondern ihm auch noch einen Stuhl anbot. Nach dem Austausch von Bonmots übergab er dem Mann mit dem außergewöhnlichen Lockenhaar, der aus Ehrerbietung seinen Zylinder abgenommen hatte, eine signierte Autogrammkarte mit dem Aufdruck: Ich bin ein deutscher Fechter Bekannt im deutschen Land, Nennt man die besten Namen, Wird auch der meine genannt. Captain Charles Veston wollte sich schon von Fabian, der sich aufrichtig bei ihm bedankte, mit den Worten verabschieden: »Beehren Sie mich gerne wieder und meine Empfehlung auch an Ihren Herrn Vater«, als sich Fabian räusperte und ihn eindringlich anschaute. »Kann ich Sie wiedersehen, Herr Kapitän? Privat meine ich, das würde mir sehr viel bedeuten«, sagte er mit leicht bebender Stimme. »Sehen wir mal«, erwiderte der Degenfechter ausweichend und überlegte kurz. Dann nannte er ihm den Ort, wo er sich später einzufinden habe. Fabian war selig. Er ahnte nicht, dass er hiermit einen Pakt geschlossen hatte, der sein ganzes Leben verändern sollte. Fabiola von Weyrauch betrat indes die Champagner-Lounge, die sich im linken Flügel des Erdgeschosses befand und blickte sich selbstbewusst nach einem geeigneten Tisch um. Sogleich erschien ein livrierter Kellner, der sie zuvorkommend begrüßte und sich bei ihr erkundigte, ob sie reserviert habe. Sie verneinte und bat höflich, aber bestimmt um einen Tisch am Panoramafenster, mit Blick auf die Bahnhofspromenade und den kurz vor der Jahrhundertwende im repräsentativ klassizistischen Stil erbauten Hauptbahnhof. Der Kopfbahnhof war nicht nur der größte Bahnhof Europas, sondern stellte in seiner architektonischen Ästhetik und modernsten Funktionalität ein gigantisches Gesamtkunstwerk dar, gekrönt von einer marmornen Atlas-Statue auf dem halbkreisförmigen Dach und einer Uhr über dem Haupteingang, die von zwei Frauenfiguren flankiert wurde, welche die Nacht und den Tag symbolisierten. »Sehr wohl, Madame«, erwiderte der Kellner und geleitete sie zu dem einzigen freien Tisch an der Fensterfront, entfernte das Reservierungsschild und rückte ihr erbötig einen Stuhl vor. Sie bestellte ein Glas Champagner und ließ ihn wissen, dass sie noch jemanden erwarte. Er könne also für zwei Personen eindecken. Nachdem sie etwas länger als eine halbe Stunde gewartet hatte und immer häufiger zur Eingangstür blickte, orderte sie ein zweites Glas Champagner. Nach weiteren dreißig Minuten verlangte sie schließlich die Rechnung und...



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