E-Book, Deutsch, 267 Seiten
Grundlagen und Praxisempfehlungen
E-Book, Deutsch, 267 Seiten
ISBN: 978-3-17-034367-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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2 Gesundheitsförderung als Konzeption
Anja Carlsohn, Meike Munser-Kiefer & Eva Göttlein Ziele · Gesundheitsförderung stellt die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen in den Vordergrund und unterscheidet sich durch den salutogenetischen Ansatz von anderen (z. B. präventiven, therapeutischen oder pflegerischen) Perspektiven auf Gesundheit. Kapitel 2.1 fasst Ziele und Leitgedanken der Gesundheitsförderung zusammen. · Kapitel 2.2 definiert mit Settingansatz, Partizipation und Empowerment zentrale Leitbegriffe der Gesundheitsförderung (? Kap. 2.2). · Erforderliche Fachkompetenzen in den Handlungsfeldern Bewegung, Ernährung, Stressmanagement und Suchtprävention sowie Kernkompetenzen der Gesundheitsförderung werden in Kapitel 2.3 beschrieben (? Kap. 2.3). · In Kapitel 2.4 finden Sie Hintergründe über die Notwendigkeit der Verankerung von Gesundheitsförderung in den Leitbildern von Grundschulen sowie Bildungsplänen (? Kap. 2.4). · Eine Übersicht über Akteur*innen der Gesundheitsförderung auf Bundes-?, Länder- und kommunaler Ebene ebenso wie im Setting Grundschule ist in Kapitel 2.5 dargestellt (? Kap. 2.5). · Kapitel 2.6 widmet sich den Kriterien der guten Praxis soziallagenbezogener Gesundheitsförderung und der Qualitätssicherung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung (? Kap. 2.6). 2.1 Leitgedanke und Ziele der Gesundheitsförderung
Gesundheitsförderung und Prävention unterscheiden sich hinsichtlich des Ansatzpunktes auf dem Gesundheits-Krankheitskontinuum sowie der Methodik und Kernkompetenzen (siehe Expertise Abgrenzung). Dennoch werden sie oft unscharf voneinander getrennt und manchmal – im allgemeinen Sprachgebrauch – sogar nebeneinander oder synonym verwendet. Expertise: Abgrenzung von Prävention und Gesundheitsförderung v Prävention
»Prävention ist der allgemeine Oberbegriff für alle Interventionen, die zur Vermeidung oder Verringerung des Auftretens, der Ausbreitung und der negativen Auswirkungen von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beitragen. Prävention wirkt durch Ausschaltung von Krankheitsursachen, durch Früherkennung und Frühbehandlung von Krankheitsrisiken oder durch die Vermeidung des Fortschreitens einer bestehenden Krankheit. [...] Wissenschaftlich präziser und auch strukturell eindeutiger ist der Begriff der Krankheitsprävention. Krankheitsprävention zielt in erster Linie auf Risikogruppen mit erwartbaren, erkennbaren oder bereits im Ansatz eingetretenen Anzeichen von Gesundheitsstörungen und Krankheiten« (Franzkowiak 2018, o. S.). Gesundheitsförderung
Dagegen ist »Gesundheitsförderung« (in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung 1986) definiert als Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie dadurch zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Diese Definition ist in der Jakarta-Erklärung zur Gesundheitsförderung für das 21. Jahrhundert (1997) weiterentwickelt worden: Gesundheitsförderung ist ein Prozess, der Menschen befähigen soll, mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlangen und sie zu verbessern durch Beeinflussung der Determinanten für Gesundheit« (Kaba-Schönstein 2018, o. S.). Gesundheitsförderung grenzt sich durch den salutogenetischen Ansatz von der Medizin und Prävention ab. Im Vordergrund der Gesundheitsförderung stehen die Stärkung von Ressourcen, der Gesundheitskompetenz und des individuellen Gesundheitsbefindens sowie Schaffung gesundheitsförderlicher Verhältnisse. Expertise: Modell der Salutogenese als Grundlage der Gesundheitsförderung v »Das Modell der Salutogenese erklärt weder, wie Krankheit vermieden werden kann, noch wie Gesundheitsverhalten entsteht und taugt insofern nicht als theoretische Basis für einen präventiven Ansatz. Es liefert dagegen die Basis für die Gesundheitsförderung, die unabhängig vom Krankheitsstatut eines Menschen möglich ist.« (Blättner 2007, S. 72) Gesundheitsförderung liegt im Verantwortungsbereich aller Akteur*innen: Politik (z. B. Bildungsminister*in, Gesundheitsminister*in), Region (z. B. Kommune), Institution (z. B. Schulleitung, Lehrer*innen, Schulpersonal, Architekt*innen). Alle sollten Gesundheitsförderung mitdenken, bei Bedarf durch gesundheitspolitische Regelungen. Man spricht hier auch von »Health in all policies«. Gesundheitsförderung in diesem Sinne ist unabhängig vom sozioökonomischen Status und kann zur gesundheitlichen Chancengleichheit beitragen, denn diese Bereiche bzw. Verhältnisse können bei jedem und jeder gefördert oder verbessert werden. Eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit ist jedoch, dass Gesundheitsförderung zielgruppenspezifisch, partizipativ, nachhaltig und soziallagenbezogen gestaltet wird. Gesundheitsförderung in der Grundschule fördert vorrangig das physische, psychische und soziale Wohlbefinden von Kindern, indem Ressourcen gestärkt und Belastungen reduziert werden. Entsprechend sollen Kinder einerseits zu gesundheitsförderlichem Verhalten (Verhaltensebene) befähigt werden, zum anderen gilt es, gesundheitsgerechte Rahmenbedingungen (Verhältnisebene) zu schaffen (Richter-Kornweitz, 2015, vgl. auch ? Abb. 2.1). Getragen werden gesundheitsgerechte Rahmenbedingungen z. B. durch »angemessene Gestaltung der Gebäude, Einrichtungen/Möblierung, Spielflächen, Schulmahlzeiten, Sicherheitsmaßnahmen« (Leitfaden Prävention 2020, S. 48). Die Schulleitung und -verwaltung haben die Aufgabe, das Schulpersonal zu unterstützen, z. B. durch »Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung« (ebd.). Abb. 2.1:Gesundheitsförderung auf Verhaltens- und Verhältnisebene (nach Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit 2017, S. 15) Richtungsweisend sind die »Empfehlungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule« nach Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.?11.?2012. Expertise: Empfehlungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule v (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15.?11.?2012) Ziele
Gesundheitsförderung und Prävention · werden als grundlegende Aufgaben schulischer und außerschulischer Arbeit wahrgenommen, · greifen aktuelle bildungspolitische Entwicklungen auf (z. B. Selbstständige Schule, Ganztag, Inklusion, Integration, gendersensible Pädagogik, Bildung für nachhaltige Entwicklung), · eröffnen Schüler*innen, Lehrer*innen und dem sonstigen pädagogischen Personal die Möglichkeiten, Kompetenzen zu gesunden Lebensweisen und zu einer gesundheitsfördernden Gestaltung ihrer Umwelt zu erwerben, · berücksichtigen aktuelle gesundheitliche Belastungen, z. B. Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit, · beziehen die Einstellungen sowie die lebensweltlichen und sozialräumlichen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien mit ein. Allgemeine Grundsätze
Gesundheitsförderung und Prävention sind integrale Bestandteile von Schulentwicklung. Sie stellen keine Zusatzaufgaben der Schulen dar, sondern gehören zum Kern eines jeden Schulentwicklungsprozesses.
Die Qualität von Schule wird wesentlich von Schulklima und Lernkultur bestimmt. Respekt und Wertschätzung, Beteiligung und Verantwortung sind prägende Elemente einer gesundheitsförderlichen Schulkultur.
Ganztagsschulen eröffnen zusätzliche Handlungsräume, um Themen und Projekte aus dem Bereich der Gesundheit aufzugreifen. 2.2 Leitbegriffe der Gesundheitsförderung
2.2.1 Settingansatz
Der Settingansatz in der Gesundheitsförderung ist eine Antwort auf sehr eingeschränkte Erfolge traditioneller Gesundheitserziehung oder Einzelkampagnen, die sich mit Informationen und Appellen an Individuen und ihr Verhalten wenden (Hartung & Rosenbrock 2015). Als Setting oder Lebenswelt bezeichnet man einen »Sozialzusammenhang, in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat« (Hartung & Rosenbrock 2015, S. 497). Dieser soziale Zusammenhang ist dauerhaft und drückt sich beispielsweise durch eine formale Organisation (z. B. Kita, Grundschule, Betrieb, Verein),...