Moritz / Leidinger | Lenin | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 672 Seiten

Moritz / Leidinger Lenin

Die Biografie. Eine Neubewertung
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7017-4711-5
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Biografie. Eine Neubewertung

E-Book, Deutsch, 672 Seiten

ISBN: 978-3-7017-4711-5
Verlag: Residenz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das neue umfassende Werk über den umstrittenen Revolutionär!

Fanatiker oder Hoffnungsträger? Wer war der Revolutionär, der mit seinen Ideen nicht nur Russland, sondern die ganze Welt veränderte? Die Biografie stellt Werdegang und Denken von Wladimir Iljitsch Lenin ins Zentrum. Sie hakt dort nach, wo sich Urteile verfestigt haben. Zusammenhänge werden neu arrangiert und überraschende Erklärungen dafür angeboten, wie einem Außenseiter der Aufstieg zum Führer des ersten sozialistischen Staates gelang. Die Autoren rollen nach umfassender Einsicht in Originaldokumente die Biografie eines Mannes auf, der als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gilt. So entsteht ein neues, vielschichtiges Lenin-Bild, das die Geschichte eines Einzelgängers in einer Welt im Umbruch erzählt. Spannend, informativ und fesselnd!

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EINFÜHRUNG
Als der unter seinem Pseudonym »Lenin« bekannt gewordene Wladimir Iljitsch Uljanow am 21. Januar 1924 aus dem Leben schied, überbot sich nicht nur in der Sowjetunion die Presse in ihren Versuchen, dem Anlass gemäße Darstellungen seiner Vita abzuliefern. Während man dort in einer bombastischen Verherrlichung des Verstorbenen schwelgte und den Tod des Revolutionsführers betrauerte, zogen einige Blätter im Westen bei ihrem Rückblick auf Leben und Werk Lenins Vergleiche mit anderen historischen Persönlichkeiten. Dabei fielen u. a. Namen wie Oliver Cromwell und Maximilien de Robespierre. Analogien zu historischen Umbrüchen, zur Glorious Revolution sowie zur Französischen Revolution, schienen sich mit Blick auf das Lebenswerk des umstrittenen russischen Regierungschefs anzubieten. Im Zentrum aller Berichte stand erwartungsgemäß Lenins Sternstunde: die »Oktoberrevolution« im Jahr 1917. Jene, die mit dem Umsturz vor allem den Aufbruch in eine neue Zeit verbanden, die Überwindung von Unterdrückung und Knechtung sahen oder sich von der Strahlkraft einer angekündigten hellen Zukunft beindrucken ließen, priesen den Toten als genialen Revolutionär und visionären Führer oder zumindest als wagemutigen Pionier, der sich an nichts weniger als die Verwirklichung des Sozialismus gewagt hatte. Andere sahen ihn wiederum als realitätsfernen Fanatiker oder doktrinären Eiferer, brandmarkten ihn als Gewaltmenschen und skrupellosen Zyniker. Ungeachtet solcher Urteile konstatieren ihm vergangene wie gegenwärtige Kommentator:innen eine überragende Relevanz. Sein Wirken zu Beginn des 20. Jahrhunderts und seine Ideen prägten die Weltgeschichte über Jahrzehnte hindurch. Der bolschewistische Oktoberumsturz im russischen Petrograd bzw. St. Petersburg mag das fragwürdige Projekt einer überschaubaren Gruppe von Revolutionären gewesen sein, die Lenins Drängen auf die Machtergreifung obendrein nicht widerspruchslos und eher zaghaft nachkamen. Trotzdem stellt das, was auf den 25. Oktober 1917 folgte, eine so tiefgreifende Zäsur dar, dass sie den Beginn eines »kurzen« 20. Jahrhunderts markierte, dessen Ende dann mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gleichgesetzt wurde. Besteht Konsens über Lenin als einflussreiche historische Persönlichkeit, gibt es offensichtlich ein Überangebot an Zuschreibungen und viele außerordentlich unterschiedliche, ja völlig konträr gezeichnete Lenins. Je nach weltanschaulichen Standpunkten und einer sich verändernden politischen Konjunktur wurden die Urteile immer wieder nachjustiert oder erfuhren bestimmte Schwerpunkte. Im postsowjetischen Russland verschob sich die zuvor bedingungslose Bewunderung und kultische Verehrung des Revolutionsführers nach und nach hin zu einer mehr oder weniger diffusen Ablehnung. 1993 wurde bezeichnenderweise das große Lenin-Museum in Moskau geschlossen.1 Diskussionen über die »Lebensberechtigung« sogar des Mausoleums am Roten Platz setzten sich nach der Amtszeit von Boris Jelzin fort. Das Regime unter Wladimir Putin begann, Lenin vor allem als Vaterlandsverräter und Verschwörer zu sehen, der seine Heimat ausländischen Machtgelüsten preisgab, um sie später in neuer Gestalt wieder zu errichten. Dennoch legte eine 2017 anlässlich des 100. Jahrestags der Revolution in Auftrag gegebene Umfrage offen, dass im Vergleich zu 2006 wieder mehr – nämlich 56 statt zuvor 40 Prozent – Russ:innen positive Assoziationen mit Lenin verbanden.2 Die Beharrungskraft eines über so lange Zeit als Erlösergestalt verklärten »Führers« ist womöglich größer, als die Architekten der russischen Geschichtspolitik vermutet hatten. Demensprechend entnehmen abstruse Lenin-Interpretationen dem Werk des geschmähten Revolutionärs bei aller Kritik immerhin seine angebliche Einsicht, einen vom Westen losgelösten Weg beschreiten zu müssen, als richtungsweisenden Auftrag für Russlands Zukunft.3 Andere wiederum verpflanzen Lenin als »Pantokrator der Sonnenstäubchen« – so der kuriose Titel einer nichtsdestoweniger erfolgreichen Lenin-Biografie – in die russische Gegenwart, unterziehen seine Lebensgeschichte einer eigenwilligen Aktualisierung und formen ihn zur allumfassenden Identifikationsfigur für – jeden.4 Das westliche Lenin-Bild blieb oder bleibt indessen relativ stabil. Enthüllungen ab den 1990er Jahren, die den Bolschewikenführer als rücksichtslosen Fürsprecher von Terror und Unterdrückung entlarvten, führten außerhalb Russlands dazu, noch vorhandene Sympathien weitgehend zu tilgen und durchaus verbreiteten Fehleinschätzungen entgegenzuwirken. Der »gute«, von Motiven der Weltverbesserung durchdrungene Lenin, der dem »bösen« Machtmenschen Stalin als »reine« Lichtgestalt gegenübergestellt wurde, erwies sich keineswegs als der makellose Heilige, als der er verehrt wurde. Freilich trafen solche »Entdeckungen« auch auf resistente Lenin-Anhänger:innen, die den Sermon von einem gerechtfertigten revolutionären Terror gegen eine ausbeuterische Bourgeoisie und verräterische Sozialchauvinisten genügend verinnerlicht hatten, um den Denkmalsturz zu ignorieren. Lenin selbst hatte entsprechende Anhaltspunkte für eine Exkulpation geliefert: Er relativierte seinen Terror als weit »harmloser« als jenen einer über Jahrhunderte herrschenden Elite, die sich kraft Geburtsrechts und Gewaltmonopols über das Volk erhob, es entmündigte, ausbeutete und in Kriege hetzte. Dieser Kontrast sicherte ihm die Wertschätzung selbst von Kritiker:innen, die sich von seinen Methoden abgestoßen fühlten, nicht aber von seinen Zielen. Unter diesen und anderen Vorzeichen gab es auch in den letzten Jahren vereinzelt Versuche, Lenin gewissermaßen wiederzubeleben bzw. wurden seine Ideen anscheinend für würdig befunden, wiederbelebt zu werden.5 Das vorliegende Buch will das nicht. Es lässt sich demensprechend auch gar nicht erst auf eine ausufernde Diskussion über ein gescheitertes sozialistisches Experiment ein, dem im Prinzip begrüßenswerte Ideale zugrunde lagen und das bei günstigeren Verhältnissen womöglich hätte funktionieren können. Behandelt wird nicht, was hätte sein können, sondern was war oder aus unterschiedlichen Gründen sich zu etwas entwickelte, das sich von Lenins – durchaus fragwürdigen – ursprünglichen Plänen einerseits weit entfernte und ihnen andererseits entsprach. Wer mit »Massenerschießungen«, »Gasbomben«, »Revolutionstribunalen« und staatlichem Terror »ohne jegliche Rechtsgarantien für die Delinquenten die neue Gesellschaft herbeimorden« wolle, der komme nicht bei der »höheren Lebensform« des Sozialismus an.6 Das schrieb ihm eine seiner wichtigsten Leitfiguren und gleichzeitig einer seiner größten Kritiker ins Stammbuch: Karl Kautsky. Lenin hat das Interesse einer Vielzahl von Biograf:innen auf sich gezogen. Anhand von mehrbändigen Chroniken mit Zehntausenden Einträgen lassen sich beinahe zu jedem Tag seines Lebens Informationen finden.7 Die höchst produktive Lenin-Biografik mit dem Enthüllungsbuch von Dimitrij Wolkogonow, dem so vielschichtigen und kenntnisreichen Lenin-Porträt von Robert Service oder der klaren und anregenden Analyse Lenin’scher Ideologie und Politik von Wolfgang Ruge als Beispiele aus der Phase nach dem Ende der Sowjetunion begann aber in den letzten Jahren langsam etwas auszudünnen.8 Blickt man auf eine weiter zurückliegende Vergangenheit, dann ist es sicher die umfassende Lenin-Biografie von Louis Fischer, die auch heute noch zu beeindrucken vermag.9 So scheint es, als sei alles schon erzählt worden, was es über Lenin zu wissen gibt. Nachdem die Öffnung sowjetischer Archive den Großteil dessen zugänglich gemacht hatte, was lange Zeit nur ganz wenigen Auserwählten bekannt gewesen war, ergaben sich im Wesentlichen keine großen Überraschungen mehr. Auch wenn von den etwa 3700 unveröffentlichten Lenin-Manuskripten, die noch Anfang der 1990er Jahre darauf warteten, ans Licht der Öffentlichkeit zu gelangen, sicher nicht alle publiziert wurden, fällt es schwer, an immer noch verborgene Sensationen zu glauben, die alles umwerfen könnten, was man bisher von Lenin gedacht hatte.10 Am ehesten seit jeher als streng geheim klassifizierte Dokumente über die erste Phase des Weltkommunismus könnten vielleicht noch interessante Details enthalten. Sie blieben aber auch in der Zeit von Glasnost und Perestrojka unter Verschluss und werden es wohl auch bleiben. Hinzu kamen aber in den letzten 30 Jahren detaillierte Forschungen und umfangreiche Publikationen über die Russische Revolution, die sich auch als erweiterte Lenin-Biografien lesen lassen. Tatsächlich ist die Literatur über den Oktoberumsturz, seine Vorgeschichte und seine Folgen nahezu unüberschaubar...


Verena Moritz, geboren 1969 in Eisenstadt, studierte Geschichte und Russisch in Wien. Mehrjährige Forschungsaufenthalte in Russland. Lektorin an den Universitäten Salzburg und Wien. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: "1917 – Österreichische Stimmen zur Russischen Revolution" (2017). und zusammen mit Hannes Leidinger "Lenin" (2023).

Hannes Leidinger, geboren 1969, studierte Geschichte, Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte in Wien. Kurator von Ausstellungen, Lehrtätigkeit am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Leiter der Außenstelle Wien des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt im Residenz Verlag zusammen mit Christian Rapp "Hitler – prägende Jahre" (2020), zusammen mit Christian Rapp und Birgit Mosser-Schuöcker "Freud – Adler – Frankl" (2022).und zusammen mit Verena Moritz "Lenin" (2023).



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