E-Book, Deutsch, Band 3314, 64 Seiten
Reihe: Perry Rhodan-Erstauflage
Perry Rhodan-Zyklus "Phoenix"
E-Book, Deutsch, Band 3314, 64 Seiten
Reihe: Perry Rhodan-Erstauflage
ISBN: 978-3-8453-6314-1
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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BUCH V Vergangenheit: 3.–10. August 2250 NGZ Wir begreifen die Ruinen nicht eher, als bis wir selbst Ruinen sind. (Heinrich Heine) 1. Mutantenjagd 3. August 2250 NGZ Guckys Geheimrezept versagte. Wobei es sich nicht einmal um ein Geheimrezept handelte. Seine Art, möglichst alles – Gutes, Schlechtes, Banales, Entsetzliches – mit einem lockeren Spruch zu kommentieren, war legendär. Jeder wusste es, die zahllosen Gucky-Satiren in den Medien basierten meistens auf genau dieser Eigenschaft. Aber nun, im Nest Canephor, dieser unwirtlichen, der Agolei vorgelagerten, von Kunstsonnen beleuchteten Welt, unendlich weit von zu Hause entfernt, versagte diese Methode. Angesichts dessen, was er gesehen hatte, blieb Gucky jeder lockere Kommentar im Hals stecken. Er stand auf einem großen Platz, inmitten einer von Reif und einer dünnen Schneeschicht überzogenen Ruinenstadt, umgeben von Statuen, die die verschiedenen Völker der Leun zeigten. Die Yuit waren eines der Völker, die sich zum »Gesamtvolk« oder der Gemeinschaftskultur der Leun zusammengeschlossen hatten. Anscheinend waren sie alle – oder viele von ihnen – auf diesem Platz in Form von Statuen verewigt worden. Aber egal wie ihre Bezeichnung lautete, es war eindeutig: Die Yuit waren Ilts. Mausbiber. Genau wie er. Gucky hatte sein Volk gefunden, seinen Ursprung. Und es gab keinen Zweifel: Die Ilts waren zugleich Leun, genau wie Shrell. Stand man vor den Statuen der verschiedenen Leunvölker, nannte eine mechanische Stimme deren jeweilige Namen und gab eine kurze Erklärung dazu ab. »Die Yuit-Leun sind treue Wegbegleiter«, hatte die Stimme in diesem Fall gesagt. »Wer sie zum Freund hat, mag sich glücklich schätzen. Sie genießen das Zusammenleben, den Spaß und die Familie. Für sie ist es wichtig, zu spielen. Ein Yuit, der das Spielen verlernt hat, ist zu fürchten und zu bedauern.« Eine nette und interessante und am Ende imposante Beschreibung. Aber sie konnte Gucky nicht über das eigentliche Dilemma hinwegtäuschen. Über die entsetzliche Feststellung, die durch seinen Kopf jagte und jeden anderen Gedanken vertrieb: Die Yuit oder Ilts waren der Feind. Der Feind. Der verdammte Feind! Als eine Leun, auch wenn sie einem anderen Volk entstammte, war Shrell mit ihrem Raumschiff, der ELDA-RON, ins Solsystem gekommen und hatte drei Anomalien gezündet – je ein Brennendes Nichts in Terrania, in Neu-Atlantis und auf Luna. Die drei Katastrophen hatten viele Tote gefordert, und wenn man keinen Weg fand, diese wachsenden Anomalien zu löschen, würden am Ende Terra und Luna vollständig von ihnen verzehrt werden. Gucky versuchte, seine innere Anspannung und sein schieres Entsetzen über die Erkenntnis der Identität der Yuit in einen lockeren Spruch zu verwandeln und damit zumindest teilweise loszuwerden. So, wie er es eben immer tat. Wie es seiner Art entsprach, seinem Humor und seinem Schutzmechanismus zugleich. Üblicherweise musste er darüber gar nicht nachdenken, das ging automatisch. Übung machte eben den Meister. Wie kaum anders zu erwarten, kamen dabei nicht immer brillante oder zumindest wirklich witzige Sprüche heraus ... aber es half. Manchmal anderen, manchmal nur ihm – diesmal allerdings nicht. Denn diesmal kam kein einziges Wort über Guckys Lippen, und das lag nicht etwa daran, dass es niemanden gab, der ihn hätte hören können, sondern daran, dass in seinem Inneren absolute Stille herrschte. Es gab nichts mehr, das aus ihm heraussprudeln könnte, weder Überschwang noch verzweifelter Trotz. Wie lange und wie oft und wie vergeblich hatte er gehofft und gesucht und gehofft ... Und nun, aus heiterem Himmel, schien seine Sehnsucht erfüllt zu werden – aber um welchen Preis? Und würde er bereit sein, ihn zu zahlen? Darum blieb er stumm. Er fühlte sich leer und dunkel. Er setzte sich hin, ohne genau zu wissen, wo er sich befand. Ebenso gut hätte dichter Nebel um ihn wallen können, irgendwo auf einer verlassenen Hochebene, mitten im Meer oder im Herzen einer Großstadt. Es machte keinen Unterschied. Gucky schloss die Augen und atmete tief durch. Wenigstens das. Er musste seine Gedanken sammeln. Zur Ruhe kommen. Die Luft war kalt. Es schmerzte leicht in den Lungen. Wie lange hatte er nach seinem Volk gesucht, ob aktiv oder nur in Form einer leisen Hoffnung in einem verborgenen Winkel seines Herzens? Er konnte die Jahre gar nicht zählen. Als relativ unsterblicher Zellaktivatorträger stand ihm eine Unmenge Zeit zur Verfügung. Zeit, in der er sich gequält hatte mit der Idee, vielleicht doch nicht der Letzte seiner Art zu sein, der einzig verbliebene Mausbiber – entgegen aller Wahrscheinlichkeit nicht allein im Universum zu sein. Vor dem Sturz in die Verzweiflung hatten ihn stets seine Freunde bewahrt – echte Freunde, die ihm ohne Wenn und Aber und durch alle Krisen zur Seite standen. Aber: Sie alle waren nicht wie er. Und nun? Er hatte den Beweis gefunden: Es gab andere Ilts. Aber sie waren der Feind. Eine Träne rann ihm durchs Gesichtsfell. Er ignorierte sie. * »Was soll's?«, sagte er irgendwann. »Muss ja weitergehen.« Nicht sein bester Spruch, eher eine sinnentleerte Plattitüde, die in den unteren drei Prozent aller möglichen Kommentare rangierte. Aber besser als nichts. Ihm jedenfalls tat es gut. Also stand er auf und bemerkte zum ersten Mal, worauf er sich niedergelassen hatte. Es war der Fuß einer anderen Statue; kein Yuit-Leun, sondern der Angehörige eines ihm fremden, vierbeinigen Volkes mit ungeschlachtem Körperbau und einem massigen Kopf, der halslos aus einer tonnenförmigen Brust ragte. Der Mund stand halb offen, und zwei lange Reißzähne ragten übers Kinn. Die Statue musste sich vorgestellt haben, als er vor sie getreten war, aber Gucky war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nur dumpfe Erinnerungen an irgendwelche Worte hatte, die wirkungslos an ihm vorbeigerauscht waren. Für sich selbst nannte er diese Leute einfach Vampir-Leun, und als ihm diese Bezeichnung einfiel, fühlte er sich ein wenig wie der Gucky, der er immer gewesen war. Es passte zu ihm. Es war ein Stück Realität und Normalität. »Danke für die halbwegs bequeme Sitzgelegenheit«, sagte er in die Stille. »Wenn ich mal einen wie dich treffe, hat er was gut bei mir.« Er zögerte kurz. »Aber kein Blut, nur damit das klar ist.« Die Antwort bestand aus einem leisen Knirschen, gefolgt von einem lauter werdenden Knarren. Allerdings konnte eine Statue ganz sicher nicht antworten. Und eigentlich befand sich Gucky seines Wissens nach völlig allein auf diesem Planeten. Shrell hatte ihn in der Nähe abgesetzt – oder besser gesagt, sie hatte ihn aus der ELDA-RON geworfen, in einem gerade mal halbwegs funktionierenden SERUN mit defekter Lebenserhaltung, und ihn seinem Schicksal überlassen. Gucky war danach in mehreren Sprüngen bis auf diesen Planeten teleportiert – ins Nest Canephor, an den einzigen Ort in weitem Umfeld, an dem er mit beschädigtem Schutzanzug nicht binnen Minuten gestorben wäre. Das hatte eine Menge Kraft gekostet, und in diesem Moment wurde ihm klar, wie sehr er nicht nur psychisch, sondern auch physisch ausgelaugt war. Seine Psi-Kräfte waren ebenso erschöpft wie die Reserven seines Körpers. Vielleicht sollte er sich an ein halbwegs lauschiges Plätzchen zurückziehen und schlafen. Gleich. Sobald er wusste, was es mit diesem Geräusch auf sich hatte. Gucky esperte, empfing aber keine Gedanken eines sich selbst bewussten, intelligenten Lebewesens. Er war allein, genau wie vermutet. Näherte sich ihm ein Tier? Der Gedanke lag nahe, aber das Geräusch klang zu künstlich, zu metallisch, um natürlichen Ursprungs zu sein. Der Mausbiber sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung und teleportierte spontan etwa ein Dutzend Meter zur Seite, ungezielt, nur irgendwohin, ein Minisprung, der wenig Kraft kostete. Der Fuß des Vampir-Leun explodierte in einer Entladung aus Flammen. Staub wölkte auf, und Bruchstücke des Gesteins prasselten auf den Boden rundum. Ein Roboter näherte sich zwischen anderen Statuen – eine schon auf den ersten Blick rostige, altersschwache Maschine. Sie war tonnenförmig, ging auf drei tentakelartigen, erstaunlich biegsamen Beinen und richtete soeben den einzigen Waffenarm neu auf Gucky aus. Ein Abstrahldorn glühte. Spontan packte Gucky telekinetisch zu, was zu seiner Überraschung leicht möglich war. Ein wenig hatte er sich inzwischen offenbar erholt, aber der Zugriff wäre unmöglich gewesen, hätte der Roboter einen Schutzschirm genutzt. Illustration: Swen Papenbrock Mit seiner Psi-Gabe bog der Mausbiber den Waffenarm ruckartig nach oben. Der Schuss, der sich löste, jagte nicht – wie von der Maschine geplant – dem Mausbiber entgegen, sondern verpuffte irgendwo weit über ihm im Himmel. Aber das war nicht alles. Krachend brach der Waffenarm ab, flog vom Schwung getragen einige Meter in die Höhe, überschlug sich dabei und landete schließlich auf dem Boden. Dort zuckten einige Überschlagsblitze aus dem Trümmerstück, ehe es energetisch tot liegen blieb. Verblüfft über diesen unerwarteten Erfolg durch die schwache telekinetische Attacke, nahm Gucky seinen unerwartet aufgetauchten Gegner etwas genauer in Augenschein. Der Roboter war augenscheinlich baufälliger als ohnehin vermutet. Ein...