E-Book, Deutsch, Band 3296, 64 Seiten
Reihe: Perry Rhodan-Erstauflage
Perry Rhodan-Zyklus "Fragmente"
E-Book, Deutsch, Band 3296, 64 Seiten
Reihe: Perry Rhodan-Erstauflage
ISBN: 978-3-8453-6296-0
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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Aus Hoschpians unautorisierter Chronik des dritten Jahrtausends NGZ: Gegen Ende des Jahres 2098 NGZ trat die Auseinandersetzung um die mögliche Wiederherstellung der Superintelligenz ES in die entscheidende Phase. Die Galaktiker hatten die ES-Fragmente gefunden und geborgen. Damit war der entscheidende Schritt getan. Oder besser gesagt: ein entscheidender Schritt, denn die schlimmsten Probleme begannen damit erst. Die Wiederherstellung sollte sich im Inneren der damaligen Yodor-Sphäre vollziehen. Es ist eine besondere Ironie für uns Historiker, dass jemand unserer Profession bei der Überführung der Fragmente in die Sphäre für ein Desaster sorgte. 1. Vergangenheit: Eine Revolution der Gedanken Dominic Zinn wusste, dass er das Zeug hatte, die Gedankenwelt einer ganzen Generation zu erneuern. Er redete nicht gern darüber. Nur wenn er ein wenig zu viel getrunken hatte, was selten vorkam, rutschten ihm Dinge heraus wie in diesem Moment: »Auf meinem Grabstein soll irgendwann stehen: Er veränderte die Art des Denkens.« Ihm saß ein Cheborparner gegenüber. Er mochte diese Leute. Sie hatten nicht nur unaussprechliche Namen, die sich die meisten Terraner – im Unterschied zu Dominic – nicht merken konnten; viele von ihnen waren auch klare, strukturierte Logiker. Dieser hieß Kelanoboare Chekoralterog, und er bewies seine Intelligenz dadurch, dass er nicht lachte und keine abfällige Bemerkung zum Besten gab, sondern erst einmal nachdachte. Kelanoboare strich sich über das Gesichtsfell, als müsste er daraus irgendwelche nicht vorhandenen Stäubchen entfernen. Seine Augen waren klein und lagen tief in den Höhlen, vom buschigen Fell zusätzlich beschattet. Die beiden Stirnhörner hatte er in einer modischen Gold-Silber-Maserung lackiert. Sie glänzten im Deckenlicht der Bar, in der um diese Zeit nur noch fünf Gäste an den zahlreichen Tischen saßen. Es war vier Minuten vor vier Uhr in der Nacht. »Nicht gerade ein bescheidenes Ziel«, sagte der Cheborparner schließlich. »Ich nehme an, du hast einen Plan!« Kelanoboare Chekoralterog trank den Likör leer, der in einem geschwungenen, fingerlangen Glas vor ihm stand – ein widerliches, hellblaues Zeug, zumindest Dominics Meinung nach, der sich lieber an guten alten Wein hielt. Und das meinte er nicht verklärend, wie man von früher sprach, von der guten alten Zeit, sondern wörtlich: Der Wein war mehr als achtzig Jahre alt, und seine Qualität ließ sich ganz gewiss nicht leugnen. »Habe ich. Ich halte mich an zwei Vorbilder.« »Wird wohl kein Cheborparner dabei sein!« Kelanoboare kicherte. Es klang ein wenig meckernd. Dominic ging ärgerlicherweise diese Beschreibung des Lautes nicht mehr aus dem Sinn, seit er sie einmal gelesen hatte; sie kam ihm eigentlich zu plump vor für die Beschreibung von Wesen, die nur mit Phantasie an aufrecht gehende Ziegen erinnerten. Ein Robotkellner schwebte herbei, ein einfaches Modell in Form eines roten Würfels, der auf seiner Oberseite Gläser und Flaschen transportierte. »Habt ihr noch Wünsche?« Immerhin klang die Stimme aus dem Akustikfeld gestochen klar und wohlmoduliert. »Ich darf euch in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass unser Etablissement in Kürze schließt und die letzte Bestellmöglichkeit in drei Minuten endet. Nein, ich korrigiere: in zwei Minuten.« »Gerne noch einmal dasselbe«, sagte der Cheborparner. Dominics Glas war noch halb voll, weshalb er verneinte. »Damit habe ich gerechnet«, sagte der Robotwürfel. Eine Seite klappte auf, und ein Tentakelarm fuhr aus. Er hielt ein Glas, das er vor Kelanoboare abstellte. »Du bist gut programmiert«, stellte Dominic fest. »Danke. Ein Lob aus dem Mund eines derart renommierten Positronikers freut mich.« »Du kennst mich?« »Dominic Zinn, geboren am 21. Dezember 2039 NGZ auf Plophos und einer der jüngsten Absolventen der Universität von Terrania im Fachbereich Allgemeine und Vergleichende Positronikwissenschaft.« Dominic lächelte wohl etwas zu breit, denn ein Haar seines Oberlippenbarts kitzelte ihn in der Nase. »Dann weißt du sicher auch, dass mir klar ist, dass ein einfaches Modell wie du keine Freude empfinden kann. Ich würde für diese direkte Aussage um Entschuldigung bitten, aber da du generell keine Gefühle empfindest, ist das wohl nicht nötig.« »Da kann ich dir nicht widersprechen. Aber sieh es bitte so: Die meisten Gäste scheren sich um derlei Feinsinnigkeiten nicht. Die Annahme, sie hätten mir eine Freude gemacht, würde ihnen gefallen.« Dominic seufzte. »Ich halte mich bei Programmen stets an die Logik, aber ja, es gibt andere Sichtweisen.« Die Maschine dankte für die Bestellung und zog sich zurück. »Ich habe also zwei Vorbilder, wenn man es so nennen will«, setzte Dominic Zinn neu an. »Hast du je von Iratio Hondro gehört?« »Der Diktator von Plophos? Wann war das? Ist ewig her, aber ...« »Er wird missverstanden!«, fuhr Dominic dazwischen. »Die Geschichte urteilt völlig falsch über ihn!« Deshalb beschäftigte er sich in seiner Freizeit fast ausschließlich mit der Vergangenheit. Die Geschichte zu erforschen, faszinierte ihn. Etwas tiefer graben als die Allgemeinheit, Dinge ans Licht zu bringen, die allgemein nicht gesehen wurden, weil sie nicht gesehen werden wollten. Oder sollten. Manchmal dachte er, er hätte Historiker werden sollen, um mit ganzer Kraft auf diesem Gebiet zu forschen. Aber dann hatte er doch den Verlockungen der Positronikforschung nachgegeben. Und es stand außer Zweifel, dass er dort mehr bewirken konnte. Größeren Einfluss auf das Leben nehmen konnte. »Es ist ungerecht, wie wir heute über einen großen Mann wie Iratio Hondro denken«, fügte er hinzu. Der Cheborparner nippte am Likör. »Kann sein. Ich weiß eigentlich nichts über ihn.« Dominic entging nicht, dass sich das Fell über den Augen seines Gegenübers ein bisschen sträubte. Allerdings konnte er nicht richtig einschätzen, wie er das deuten sollte. »Mein zweites Vorbild ist Guy Fawkes.« »Nie gehört.« »Er lebte lange, bevor mein Volk ins All aufgebrochen ist. Es gab damals Religionskriege, und er ...« Dominic stockte, als er bemerkte, dass Kelanoboare nicht richtig zuhörte. »Langweile ich dich?« »Nein, nein!« »Jedenfalls gab es damals Kriege wegen religiöser Fragen. Guy Fawkes hatte ein Attentat vorbereitet, das alles verändern sollte.« »Klingt nicht sehr friedlich. Oder wurde er auch missverstanden?« »Darauf kommt es nicht an!«, ereiferte sich Dominic. »Die Sache ist die, dass die beiden den Sprung geschafft haben! Sie hatten Ideen, sie hatten eine Theorie, und sie sind zum Akteur geworden, um alles zu verändern!« »Und das schwebt dir auch vor?« Der Cheborparner trank das Glas leer und stellte es krachend zurück auf den Tisch. »Es ist nicht mein Ding«, sagte Dominic. »Leider. Mir fehlen die Möglichkeiten.« Wobei er sich fragte, ob das nur eine Ausrede war. Hondro und Fawkes waren die Möglichkeiten auch nicht in den Schoß gefallen. »Aber immerhin kann ich ebenso revolutionär denken wie die beiden. Wenn auch auf anderem Gebiet. Ich bin Positroniker.« »Das sagtest du bereits. Immerhin reden wir hier seit drei Stunden.« Ein erneutes Lachen, und das noch meckernder. »Oder haben wir eher getrunken?« Dominic Zinn hob die Schultern. Der Cheborparner verabschiedete sich. »War nett, dich zu treffen. Gutes Gespräch. Meistens.« Einige Augenblicke saß Dominic noch allein am Tisch, dann stand er ebenfalls auf. Den ebenso alten wie guten Wein trank er nicht leer. Der Appetit war ihm vergangen. * Zu Hause angekommen, legte sich Dominic sofort ins Bett, aber er fand keinen Schlaf. Seine Gedanken kreisten um das Gespräch mit dem Cheborparner. Nun, da er mit etwas Abstand darauf blickte, musste er zugeben, dass die Schuld eher bei ihm selbst lag; er hatte sein eigentliches Anliegen nicht gut in Worte gefasst. Er war missverstanden worden. Wie Iratio Hondro. Missverstanden! Und das durfte mit seinem großen Projekt nicht passieren. Sein Positronik-Koordinations-System trug genug Potenzial in sich, um alles zu revolutionieren. Es konnte die Art, wie Positroniker dachten, verändern. Eine neue Herangehensweise ermöglichen! Eine neue Zeit einleiten. Vielleicht gelang ihm das auch mit seinen gesellschaftsphilosophischen Gedanken. Mit seiner Art, wie er das Zusammenleben der Sternenvölker beurteilte und welche Möglichkeiten er für die Zukunft sah. Denn dort brauchte es ebenso dringend eine neue Art zu denken! Dafür bot sich schon bald eine gute Gelegenheit. Es war nicht einfach gewesen, als Nicht-Geisteswissenschaftler einen Vortrag beim Symposion für Historie und Gegenwart der galaktischen Völkerverständigung unter besonderer Berücksichtigung historisch-vergleichender Entwicklungen auf Luna zu ergattern. In zwei Tagen war es so weit. Illustration: Swen Papenbrock Diese Chance durfte er nicht vergeben! Er durfte nicht missverstanden werden. Und damit das gelang, brauchte er volle Konzentration. Das hieß, im Vorfeld benötigte er ausreichend Schlaf. Ärgerlich, dass er sich im Gespräch mit dem Cheborparner hatte dazu hinreißen lassen, so lange wach zu bleiben. Dominic drehte sich zur Seite und zwang sich, an nichts zu denken. Nur dem Herzschlag zu lauschen. Alles wird gut, pochte dieser. Alles wird gut. Du wirst die Welt verändern. Ja, das würde er. Es besser...