Monroe | Dem Himmel entgegen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Monroe Dem Himmel entgegen


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-243-8
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-95576-243-8
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Als Ella einen Job als Pflegerin bei dem wortkargen Harris und seiner kleinen Tochter Marion annimmt, hofft sie, ihr eigenes Leben endgültig hinter sich lassen zu können. Zu schmerzhaft waren die Erfahrungen, die sie als Kinderkrankenschwester in der Notaufnahme machen musste. Doch auch in der wildromantischen Einsamkeit South Carolinas lässt ihre Vergangenheit sie nicht zur Ruhe kommen, denn sie spürt, dass sie Tochter und Vater schneller in ihr Herz schließt, als ihr lieb ist. Harris scheint nur seine Pflegestation für verletzte Greifvögel im Kopf zu haben - bis eines Tages Marions Mutter unerwartet wieder auftaucht ...

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1. KAPITEL
Raubvögel: (auch Raptatores genannt) besitzen charakteristische Merkmale, die sie von anderen Vögeln unterscheiden. Sie haben spitze, hakig gekrümmte Schnäbel, um ihre Nahrung zu zerlegen, kraftvolle Beine mit scharfen, gebogenen Krallen an den Füßen, um die Beute zu töten, und eine außerordentliche Sehfähigkeit. Auf dem Gebiet der USA und Kanadas verzeichnet man 38 unterschiedliche Arten von Greifvögeln. Die Spezies der Raubvögel wird in folgende Subkategorien eingeteilt: Bussarde, Habichte, Falken, Weihe, Milane, Adler, Fischadler und Eulen. Ein kalter, rauer Wind wehte die südkalifornische Küste entlang. Er riss an dem eisbedeckten gelblichen Schlickgras und trieb dichten grauen Nebel von der See an Land. Der dunkelhäutige alte Mann hielt inne, legte den Kopf schief und horchte in den Himmel. Er konnte die Veränderung wie ein Flüstern im Wind hören. Es war kalt. Der Mann zog die Schultern hoch, stellte den Kragen seiner abgetragenen Wolljacke auf, der nun bis an seinen Hut reichte, und vergrub seine Hände tief in den Taschen. Langsam ging er weiter, ließ aber seinen Blick gen Himmel gerichtet. Der alte Mann musste schon fast eine halbe Meile gelaufen sein, als ein heller, klagender Schrei das Lied des Windes übertönte. Er hielt an, angespannt, erwartungsvoll, und versuchte, durch den dichten Schleier zu sehen, der über der Sumpflandschaft hing. Es war ein friedlicher, ein stiller Morgen. Die blasse Mondsichel schien noch am Himmel. Plötzlich brach ein majestätischer Weißkopf-Seeadler aus dem Nebel hervor. Seine großen, geraden Flügel waren weit ausgestreckt, als er über das Wasser glitt. “Da bist du!” murmelte der Mann tief befriedigt. Er legte seine großen, knorrigen Hände um den Mund und ahmte mit einem scharfen, klaren Pfiff den Ruf des Vogels nach. Der Adler zog seine Kreise am Himmel. Die kraftvollen Flügel schwangen majestätisch auf und nieder. Er drehte eine Runde über dem Sumpf, dann endlich erwiderte er den Ruf. Das ermutigte den alten Mann. Er hob die Hände zum Mund und pfiff erneut, lauter und nachdrücklicher als zuvor. Und der Adler reagierte. Er wendete und flog direkt auf den Mann zu. Diese Augenblicke genoss Harris Henderson. Er blinzelte und ließ seinen Blick über die weite, offene Wiese schweifen, die von großen, schlanken Kiefern umgeben war. Das Gras war trocken, und der Boden war vom Morgenfrost bedeckt. In nur einem Tag hatte der Winter Einzug ins Land gehalten. Die angenehm milden Temperaturen der letzten Zeit waren unter den Gefrierpunkt gefallen. Er atmete tief ein und fühlte die feuchte Kälte, die sich in seinen Lungen ausbreitete. Die Morgenluft trug den Duft von brennendem Holz – Zeder, wie er vermutete – zu ihm herüber. Der Geruch war so intensiv, dass er meinte, ihn fast schmecken zu können. Er neigte den Kopf und blickte auf den schlanken Bussard mit den rötlichen Schwanzfedern, den er mit seinen dicken Lederhandschuhen an seine Brust presste. Maggie Mims, eine kräftige Frau, deren Haare in der gleichen Farbe wie die Federn des Vogels leuchteten, schaute ihn aufgeregt an. Ihre Augen funkelten. Sie nickte kurz. Harris hielt das Tier nun von seiner Brust weg. Mit der Linken umklammerte er die Flügel des Bussards, und mit der rechten Hand hatte er die Beine gegriffen. Sofort verschärfte sich der wachsame Blick des Vogels, er öffnete seinen Schnabel und versuchte mit aller Macht, seine Flügel zu befreien. “Ich weiß, du willst fort”, sagte Harris mit ruhiger Stimme. Er wartete geduldig, bis das Tier sich beruhigt hatte. Sein Blick war voller Bewunderung, voller Liebe. Die Bussarddame war ein wunderschönes Exemplar, mit cremefarbenem Brustgefieder und einem dunklen Streifen am Bauch sowie den charakteristischen roten Federn am Schwanz, die der Gattung ihren Namen gaben. Die Rotschwanzbussarde sind außergewöhnlich gute Jäger, J.J. Audubon nannte sie “die schwarzen Krieger”. Es war kaum zu glauben, dass dieser anmutige, gesunde und kräftige Vogel vor nicht einmal zwei Monaten mit Schusswunden in die Tierklinik eingeliefert worden war. “Jetzt dauert es nicht mehr lange.” Der Bussard drehte den Kopf, als er Harris’ Stimme hörte, und blickte ihn kämpferisch an – genau diese Wildheit, diese Aggressivität war nötig, um in Freiheit zu überleben. Jeder Muskel im Körper des Vogels war angespannt, alle Sinne auf die Flucht gerichtet. Harris spürte die Erregung des Tieres am eigenen Leib. In diesem kurzen Moment vor dem Flug versuchte Harris, seinen Geist mit dem des Vogels verschmelzen zu lassen. Er hatte Geschichten von Schamanen gelesen, die diese alte Kunst beherrschten, Mythen von Indianern, deren Geist mit den Adlern aufstieg – Legenden, die beiläufig oder im Scherz erzählt wurden. Noch nie hatte er seine Gedanken mit jemand anderem geteilt, aber in seinem tiefsten Inneren glaubte er, dass in diesen Märchen und Mythen auch ein Funken Wahrheit steckte. Sicher gab es Menschen, die auf einer besonderen, einer Gefühlsebene mit den Vögeln kommunizierten. Er wusste es. Er hatte es gesehen. Und er litt darunter, keiner von diesen Menschen zu sein. Obwohl er sehr talentiert war, fehlte ihm dieser Instinkt – diese seltene Gabe –, Verbindung aufzunehmen und seinen Geist mit den Tieren aufsteigen zu lassen. Im Augenblick des Losfliegens bekam Harris eine Ahnung dieser geistigen Verbindung, dieses Geschenks. Wenn der Vogel die Schwingen ausstreckte und sich in die Lüfte erhob und Harris die Geräusche der Flügel und den Luftzug auf seinen Wangen wahrnahm, wusste er für einen Moment, wie es sein musste, zu fliegen. Dann konnte er sich vorstellen, aufzusteigen und die Luft an seinem Körper zu fühlen. “Fertig?” fragte Maggie. Der Bussard spürte die bevorstehende Freiheit. Der Griff seiner Klauen um Harris’ Arm wurde fester. Eine Windböe stieß unter seine Federn, doch er zuckte nicht. Die Augen des Tieres waren geradeaus gerichtet, und sein Atem war in der kalten Morgenluft sichtbar. Der Augenblick war gekommen. “Okay, meine Schönheit”, sagte Harris sanft zu dem Vogel. “Jetzt schicken wir dich nach Hause.” Er hob den Arm und öffnete gleichzeitig seine Hand. Der Bussard ließ los, schlug ein paar Mal mit den Flügeln und erhob sich in die Luft. Harris seufzte tief, als der Vogel hoch über ihm schwebte. Der Rotschwanzbussard stieg höher und immer höher. Harris ließ das Tier nicht aus den Augen, verfolgte den Flug und schätzte die Stärke des Vogels ein. Er achtete auf die Gleichmäßigkeit der Bewegungen, um ausschließen zu können, dass der gebrochene Flügel doch noch nicht vollständig verheilt war. Das Überleben in der Wildnis war hart, und ein Raubvogel musste unbedingt erfolgreich bei der Jagd sein, wenn er eine Chance haben wollte. Dieser Vogel jedoch zeigte keine Schwächen mehr, keine vorsichtige Zurückhaltung oder Schonung, und Harris empfand tiefe Freude darüber, dass die Arbeit der Tierauffangstation einmal mehr erfolgreich verlaufen war. Es war gelungen, auch diesen Vogel, Nummer 1985, zu retten und auszuwildern. “Wir sollen hier nicht jagen.” Brady Simmons deutete mit dem Lauf seines 22er-Kaliber-Gewehrs auf ein Schild mit der Aufschrift “Jagen verboten”, das an einer alten, knorrigen Eiche angebracht war. “Steht doch so auf dem Schild, stimmt’s?” sagte er und achtete dabei darauf, es mehr wie eine Frage und nicht wie eine lakonische Feststellung klingen zu lassen. Sein Vater rieb sich das stoppelige Kinn und erwiderte: “Ich seh kein Schild.” “Billy Trumplins Dad sagt, dass wir mächtigen Ärger kriegen können, wenn sie uns hier erwischen. Vor allem, wenn wir Vögel jagen. Die Jagdsaison ist vorbei.” Roy Simmons drehte langsam den Kopf, verengte die Augen und sah seinen ältesten Sohn scharf an. Seine Stimme klang zwar leise, aber dennoch gefährlich. “Willst du mir sagen, was ich zu tun habe, Junge?” knurrte er. Brady wich zurück. “N… nein, Sir.” Sein Vater bemerkte den Respekt seines Sohnes. Seine Augen blitzten. “Unsere Familie jagt hier schon seit Menschengedenken. Es ist nicht falsch, sich ein bisschen von dem zu nehmen, was da ist.” Er schulterte sein Gewehr. “Außerdem sind wir nicht zum Spaß hier, sondern um was zu essen auf den Tisch zu bringen. Diese Baumfreunde, die mir das verbieten wollen, sollen ruhig herkommen. Denen werd ich’s schon zeigen.” Brady nickte kurz und blickte auf die geballten Hände seines Vaters. Er schwieg. Die Whiskeyfahne seines Vaters erfüllte ihn mit Angst und Verachtung. Roy Simmons griff nach dem Schild, riss es vom Baum und schleuderte es auf den Boden. Unbewegt beobachtete Brady, wie sein Vater mit der schlammig verkrusteten Sohle seines Schuhs auf das Schild trat. Was für ein Idiot, dachte er bei sich. Er war es leid, seinen Vater darüber schimpfen zu hören, dass die Regierung Land vom Volk gestohlen hätte. Wie konnte den Menschen überhaupt etwas gestohlen werden, was ihnen gar nicht gehörte? Im Übrigen interessierte es ihn nicht, wer das Land besaß – er wollte nur so schnell wie möglich so weit wie möglich weg aus dieser Hölle auf Erden. Tief befriedigt drehte sein Vater sich um und betrat bestimmt das verbotene Gelände. “Komm schon”, rief er über die Schulter. “Trödel nicht rum.” Der Wald lag noch in dunklem Schweigen an diesem nasskalten, frühen Morgen. Wenn Brady über die gefrorenen Blätter stapfte, entstand ein Geräusch, das in der Stille des Waldes laut und gefährlich klang. Unzählige Terpentinkiefern wuchsen hoch in den Himmel und standen so eng beieinander, dass man sich leicht verirren konnte, wenn man den Weg nicht...



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