Molander | Eine Welt aus Wellen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Molander Eine Welt aus Wellen

Virginia Woolf und die moderne Physik

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-86489-878-5
Verlag: Westend Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Virginia Woolf 1931 ihren Roman The Waves veröffentlichte, stellte sie die bestehende (literarische) Ordnung ebenso in Frage wie Albert Einstein mit seiner ein Jahrzehnt zuvor veröffentlichten Relativitätstheorie die klassische Physik. 'Die Parallelen zwischen der Verwendung von Metaphern in der Literatur und in der Wissenschaft sind zahlreich und keineswegs trivial', schreibt Per Molander in diesem Essay, in dem er faszinierende Analogien zwischen Romanexperimenten des frühen 20. Jahrhunderts und der modernen Physik aufzeigt. Sein Buch bewegt sich zwischen Virginia Woolfs zielstrebigem Streben nach einer Wirklichkeit, die den ganzen Menschen umfasst, und den Bemühungen der Physiker um eine Wirklichkeitsdarstellung, die der Komplexität der äußeren Welt Rechnung trägt. In beiden Fällen war das Ergebnis paradoxerweise ein verstärktes Gefühl der Unsicherheit in einer Welt ohne Halt.

Per Molander ist Mathematiker und ein anerkannter Experte für Verteilungsfragen und lebt in Schweden. In leitender Position war er für die schwedische Regierung an Reformprojekten in den Bereichen der Wohlfahrts- und Haushaltspolitik, sowie des Umweltschutzes beteiligt. Er war Berater unter anderem für die Weltbank, den IWF und die Europäische Kommission. Bis 2015 war er Generaldirektor der von ihm gegründeten Inspektion für Sozialversicherungen. Per Molander hat insgesamt über 100 wissenschaftliche Arbeiten, Ergebnisberichte und Bücher veröffentlicht.
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2 Leben und Dichtung
Virginia Stephen kam 1882 zur Welt, im selben Jahr wie James Joyce und Igor Strawinsky, zwei andere hochbedeutende Künstler der Moderne. Zu ihrem Jahrgang gehörte auch die Mathematikerin Emmy Noether, die in diesem Buch später noch eine Rolle spielen wird. Julia Duckworth, 1846 als Julia Prinsep Jackson geboren, hatte 1870 ihren Mann verloren, wenige Monate vor der Geburt ihres dritten Kindes. Leslie Stephen, vierzehn Jahre älter, war verwitwet, nachdem seine Frau und das neugeborene zweite Kind im Wochenbett gestorben waren. Julia und Leslie begegneten einander, heirateten 1878 und bekamen gemeinsam vier Kinder: Vanessa, Thoby, Virginia und Adrian. Zusammen mit Julias älteren Kindern, George, Gerald und Stella, bildeten sie eine große Familie. Leslies erste Tochter war psychisch behindert und verbrachte ihr Leben in einer Anstalt. Die Eheleute Stephen waren bekannte Figuren der britischen Kulturszene. Julia hatte als junges Mädchen für einige Künstler der Präraffaeliten-Gruppe Modell gestanden. Leslie, dessen erste Frau die Tochter des Schriftstellers William Thackeray gewesen war, hatte in den 1870er-Jahren als Redakteur für die Kulturzeitschrift Cornhill Magazine gearbeitet und dort literarische Größen wie Robert Louis Stevenson, Thomas Hardy und Henry James kennengelernt. Später wurde er Chefredakteur des Dictionary of National Biography, einer Art Who’s Who der Geschichte Großbritanniens. Er verfasste mehrere Bücher zu Themen der Ideengeschichte und Philosophie sowie Biografien von Samuel Johnson und Jonathan Swift. Julia Stephen starb 1895. Virginia war damals gerade dreizehn Jahre alt und erlebte ihre erste seelische Krise. Leslie Stephen verfiel in einen Zustand tiefer Melancholie, und Virginias Halbschwester Stella Duckworth übernahm die Verantwortung für den Haushalt, doch im Jahr darauf starb auch sie, was die Familie in eine neue Krise stürzte. Von nun an war es die ältere Schwester Vanessa, die den Haushalt führte. 1899 begann Thoby ein Studium in Cambridge, und sein jüngerer Bruder Adrian schloss sich ihm nach einigen Jahren an. Als Leslie Stephen 1904 einer mehrjährigen Krankheit erlag, erlitt Virginia ihren zweiten psychischen Zusammenbruch. Die Überlebenden der Familie hatten sich mit der Zeit in zwei Lager gespalten: Virginias Halbbrüder, George und Gerald Duckworth, blieben in der viktorianischen Kultur fest verwurzelt, während Vanessa und Virginia aufrührerische Tendenzen zeigten. Hinzu kam, dass die Brüder in jungen Jahren wohl in irgendeiner Form sexuelle Übergriffe gegen Virginia verübt hatten, einer der beiden schon sehr früh, was sie erst viel später in ihrem autobiografischen Werk Moments of Being offenbarte. Dennoch blieben die Beziehungen zwischen den Halbgeschwistern intakt. Gerald wurde Verleger und half Virginia bei der Veröffentlichung ihrer ersten Romane. Im Lauf des Jahres 1904 begann eine neue Phase im Leben der Geschwister. Vanessa verließ das düstere Haus am Hyde Park Gate, wo sie alle aufgewachsen waren, und zog nach 46 Gordon Square im Stadtteil Bloomsbury. Im Dezember zog auch Virginia dort ein. Thoby studierte jetzt Jura in London, und als Ersatz für den akademischen Zirkel, dem er in Cambridge angehört hatte, gründete er einen Debattierklub, der sich an Donnerstagabenden traf – die Keimzelle der Bloomsbury-Gruppe. Zu ihrem Kern gehörten der Schriftsteller Lytton Strachey, der Kunstkritiker Clive Bell und der Journalist Desmond MacCarthy. Auch der politisch engagierte Publizist Leonard Woolf war Mitglied des Freundeskreises, aber er verließ England, um auf Ceylon ein Amt in der Kolonialverwaltung zu übernehmen. Durch Clive Bell wurde der Künstler Roger Fry in die Gruppe eingeführt. Virginia hatte sich früh zum Ziel gesetzt, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, und schon 1904 begann sie, Buchrezensionen für The Guardian zu schreiben, im Jahr darauf auch für das Times Literary Supplement. Sie arbeitete ihr Leben lang als Literaturkritikerin, publizierte aber immer seltener in diesem Genre, als sie nach und nach Einkünfte aus ihren Büchern erzielte. Außerdem nahm sie eine Tätigkeit als ehrenamtliche Lehrerin an einem Abendgymnasium auf. Im November 1906 wurde die Familie von einem weiteren Todesfall heimgesucht. Die Geschwister hatten schon mehrmals gemeinsam Ferien im Ausland gemacht, und im Spätsommer jenes Jahres unternahmen sie eine lange Reise nach Griechenland. Thoby fuhr früher als die anderen nach London zurück; als sie heimkehrten, hatte er Fieber und Diarrhoe. Er erhielt eine Malaria-Diagnose, doch in Wirklichkeit litt er an Typhus. Er starb wenige Wochen später. Thoby hinterließ deutliche Spuren in Virginias Werk, zuerst in Jacob’s Room (Jacobs Zimmer), später als Percival in The Waves. Vanessa heiratete kurz darauf Clive Bell, und die beiden anderen Geschwister, Virginia und Adrian, zogen in die Nachbarschaft, an den ebenfalls in Bloomsbury gelegenen Fitzroy Square. In diese Periode fällt, einige Jahre später, der bizarre »Dreadnought-Streich«: Adrian, Virginia und ein paar ihrer Freunde verkleideten sich als der Kaiser von Abessinien samt Entourage und brachten so die britische Flotte dazu, den vornehmen Gästen eines ihrer Prachtstücke, die MS Dreadnought, vorzuführen. Der Bluff wurde nach wenigen Tagen aufgedeckt und gab das militärische Establishment der Lächerlichkeit preis. Im Laufe der Zeit sollten die Mitglieder der Bloomsbury-Gruppe sich mit noch radikaleren Angriffen auf die herrschende Ordnung hervortun. Nach einem weiteren Umzug im folgenden Jahr schlossen sich der Künstler Duncan Grant und der Ökonom John Maynard Keynes der Gruppe an. Leonard Woolf gab sein Amt in Ceylon auf und kehrte nach London zurück. Vor seiner Abreise im Jahr 1904 war er Virginia flüchtig begegnet, und als er sie nun wiedertraf, verliebten sie sich ineinander. Im Januar 1912 machte er ihr einen Heiratsantrag, aber sie ließ sich Zeit mit der Antwort. Im August jenes Jahres wagte Virginia Stephen schließlich den Schritt, Virginia Woolf zu werden. Sie litt unter wiederkehrenden Kopfschmerzen und psychischen Problemen; heute würde man bei ihr vermutlich eine bipolare Störung diagnostizieren. Im September 1913 unternahm Virginia einen Selbstmordversuch mit einer Überdosis Schlafmitteln, doch John Maynard Keynes’ Bruder, der Arzt war, pumpte ihr den Magen aus und rettete ihr so das Leben. Sie wurde auch weiterhin phasenweise von ihrer psychischen Krankheit gequält, konnte aber trotzdem schreiben. Leonards Fürsorge trug wesentlich dazu bei, dass sie sich immer wieder zu regenerieren vermochte. In Hogarth House in Richmond fand das Paar eine ruhige, für die schöpferische Arbeit günstige Umgebung. Virginias erster Roman, The Voyage Out (Die Fahrt hinaus), wurde im Verlag ihres Halbbruders Gerald Duckworth im März 1915 veröffentlicht. Die Eheleute Woolf verfolgten unterdessen eigene Pläne für verlegerische Aktivitäten. Sie kauften sich eine einfache Handpresse, und 1917 erschien bei Hogarth Press ihre erste gemeinsame Publikation unter dem Titel Two Stories. Sie enthielt Virginias Kurzgeschichte The Mark on the Wall (Das Mal an der Wand) und Leonards Erzählung Three Jews. Nachdem sie außerdem eine Novelle von Katherine Mansfield gedruckt hatten, nahmen sie Kontakt mit T. S. Eliot auf, der sein Gedicht The Love Song of J. Alfred Prufrock (Das Liebeslied von J. Alfred Prufrock) bei einem anderen Verlag publiziert hatte. Eliots Antwort war positiv, und so brachte Hogarth Press 1919 seinen Gedichtband Poems heraus und 1923 das berühmte Langgedicht The Waste Land (Das wüste Land). Danach wurde das Verlagsprogramm erweitert; es erschienen unter anderem Dostojewskis Dämonen in Virginias Übersetzung und Sigmund Freuds Gesammelte Werke. Virginia war inzwischen eine etablierte Autorin. 1919 kam Night and Day (Nacht und Tag) heraus, und in Abständen von einigen Jahren folgten Jacob’s Room, Mrs. Dalloway und To the Lighthouse. Ende 1922 begegnete Virginia der zehn Jahre jüngeren Vita Sackville-West, die schon mehrere Bücher veröffentlicht hatte. Sie war mit dem Diplomaten Harold Nicolson verheiratet, aber da beide Partner eine homosexuelle Neigung hatten, war die Ehe eher auf Freundschaft als auf Leidenschaft gegründet. Ende 1925 begannen Virginia und Vita eine sexuelle Beziehung, die sich jedoch in eine eher konventionelle Freundschaft wandelte, als Vita andere Verbindungen einging. Vitas Porträt findet sich in Orlando, jener halb humoristischen Romangestalt, die vier Jahrhunderte durchlebt und unterwegs das Geschlecht wechselt. Das Buch erschien 1928 und wurde Virginias erster kommerzieller Erfolg. Sie war nun bekannt und gefragt als Dozentin und Diskutantin. Ihre Vorlesungen über die Rolle der Frau in Literatur und Gesellschaft mündeten in den Essay A Room of One’s Own (Ein Zimmer für sich allein), der zu einem Meilenstein der feministischen Literatur des 20. Jahrhunderts werden sollte – geistreich, bissig und bis heute aktuell. Aber da arbeitete sie schon an dem Roman The Waves (Die Wellen), den sie selbst als ihr erstes stilistisch vollkommen eigenständiges Werk betrachtete und der als ihr Opus magnum gilt. Er wurde im Herbst 1931 vollendet. Mehrere Todesfälle überschatteten jene Lebensphase. Lytton Strachey starb im Januar 1932, und seine Freundin Dora Carrington beging kurz darauf Selbstmord. Einige...


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