E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Reihe: Die drei ???
ISBN: 978-3-440-14852-5
Verlag: Kosmos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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Auf Sendung
Der Pförtner lächelte. »Na, die Lady ist mir bekannt«, erwiderte er und klickte mit der Maus eine neue Seite an. »Da hab ich sie. Halle drei, Studio C. Das zweite Gebäude links. Na, dann zisch mal los, damit die Pizza nicht kalt wird!« »Danke, Sir!« Bob hob die Hand zum Gruß und setzte sich in Bewegung. Ihm war mulmig zumute, denn er wusste selbst nicht genau, weshalb er so fest entschlossen gewesen war, sofort zu Mrs Franklin ins Fernsehstudio zu fahren. Doch nun war es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, denn mit jedem Schritt kam er dem einstöckigen Flachbau näher, neben dessen verglaster Eingangstür unübersehbar ein goldenes Schild mit der Aufschrift Studio C prangte. Als Bob den Eingang erreicht hatte, betrachtete er kurz sein Spiegelbild in der Glastür, atmete tief durch und betrat das Gebäude. Der Flur, der vor ihm lag, war menschenleer. Rechts und links gingen mehrere Türen von ihm ab, die alle geschlossen waren. Kein einziger Laut war zu hören. War er hier wirklich richtig? In den Fernsehstudios, die er bisher erlebt hatte, hatte meist aufgeregtes Treiben geherrscht. Aber in diesem Gebäude war es so still wie in einem Mausoleum. Doch plötzlich öffnete sich eine der Türen und eine junge brünette Frau mit auffallend großen Ohrringen trat auf den Flur hinaus. In ihrer Hand hielt sie einen Schnellhefter, auf dem Bob den Schriftzug Karma-Hour entziffern konnte. »Kann ich dir behilflich sein?« Sie lächelte Bob freundlich zu und strich sich dabei eine Haarsträhne aus der Stirn. Bob deutete auf den Pizzakarton in seiner Hand. »Oh ja … ich … äh … ich habe hier eine Pizza, die Mrs Franklin bei uns bestellt hat.« Die Frau stutzte und senkte ihre Augenbrauen. »Clarissa isst Pizza? Das ist ja ganz was Neues! Die steht doch normalerweise eher auf Fünf-Sterne-Menüs!« Dann zog sie eine Geldbörse hervor. »Ich erledige das! Was kostet die edle Speise denn?« Bob wurde nervös. »Ich soll die Pizza Mrs Franklin persönlich aushändigen. Das … wurde ausdrücklich so bestellt.« »So?«, fragte die junge Dame verwundert. Doch dann grinste sie und winkte den dritten Detektiv zu sich heran. »Na, dann komm mal mit!« Mit forschen Schritten stöckelte sie eilig vor Bob den Flur entlang, sodass er Mühe hatte, mit ihrem Tempo Schritt zu halten. Dabei warf sie einen prüfenden Blick auf ihre Armbanduhr. »Mrs Franklin ist exakt noch neun Minuten auf Sendung. Da wird sie wohl ihre Pizza kalt essen müssen. Aber das kann uns ja egal sein, nicht?« Dann blieb sie vor einer Tür stehen, über deren Rahmen ein rotes Leuchtschild mit der Aufschrift On Air blinkte. Sie wandte sich um und legte mahnend einen Finger an ihre Lippen. »Du kannst mit reinkommen, aber du musst da drinnen mucksmäuschenstill sein!« Bob nickte stumm, während sie die Tür öffnete und ihm bedeutete, ihr zu folgen. Das Aufnahmestudio war kaum größer als ein Klassenzimmer. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, fielen Bob als Erstes zwei Männer ins Auge. Mit dem Rücken zu ihm standen sie hinter einer Kamera, auf deren Monitor er augenblicklich Mrs Franklin erkannte, die an ihrem Tisch saß und gerade ein Räucherstäbchen entzündete. Die Frau, die Bob ins Studio geführt hatte, deutete stumm auf einen Stuhl und wies ihn damit an, Platz zu nehmen. Bob setzte sich und platzierte den Pizzakarton auf seinen Oberschenkeln. Dann rutschte er auf seinem Stuhl herum, bis er freie Sicht auf Mrs Franklin hatte. Sie saß etwa zehn Meter von ihm entfernt und blickte gerade fragend in die Kamera. In diesem Moment ertönte eine schnarrende Stimme aus den Lautsprechern. »Ruhe bitte! In zehn Sekunden gehen wir wieder auf Sendung. Fünf – vier – drei – zwei – eins. Und … bitte!« Mrs Franklin strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Dann ertönte das Läuten eines Telefons. »Und nun kommen wir zum letzten Anrufer unserer heutigen Sendung. Ich kann jetzt schon eine mentale Verbindung zu ihm aufbauen und spüre ganz intensiv, dass –« Das Läuten verstummte. Dann knackte es in den Lautsprechern. »Hallo? Bin ich auf Sendung?«, war eine verunsicherte ältere Männerstimme zu vernehmen. »So ist es«, antwortete Mrs Franklin und rückte ihre Sonnenbrille zurecht. »Astrala hat ein offenes Ohr für Sie, und mein drittes Auge ist nur auf Sie gerichtet … Bevor Sie weitersprechen: Sie heißen mit Vornamen Paul?« Der Anrufer war hörbar irritiert und stutzte. »Ja … das ist richtig. Aber woher –« Mrs Franklin gestikulierte geheimnisvoll mit den Händen. »Meinem dritten Auge entgeht nicht das geringste Detail. Sie brauchen nichts weiter zu tun, als sich mir zu öffnen … Welches Problem belastet Sie … Was bedrückt Sie und raubt Ihnen nachts den Schlaf?« »Nun, ich …«, stammelte der Anrufer. »Meine kürzlich verstorbene Frau …« »Maggie ist ihr Name, nicht wahr? Und Sie sind nicht im Guten auseinandergegangen, sehe ich das richtig?«, fragte Astrala. »Sie müssen mir helfen!«, schluchzte er. »Maggie erscheint seit ihrem Tod regelmäßig in meinen Träumen, um mir … vorzuwerfen, dass ich seit Jahren …« Er schluckte bedrückt. »Dass Sie eine heimliche Geliebte haben. Stimmt’s?«, vollendete die Spiritistin. Es folgte Schweigen. Mrs Franklin legte mit großer Geste ihre Hand an die Stirn. »Halt, halt, halt, Paul! Ich empfange jetzt ganz starke Signale … eine Stimme. Sie will mir etwas sagen …« Bob saß gebannt auf seinem Stuhl und beobachtete die Spiritistin genau. Obwohl es in dem Studio ebenso drückend schwül war wie draußen, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Ihm war zwar aus der Vergangenheit bekannt, dass die ehemalige Psychologin über außergewöhnliche Hypnosefähigkeiten verfügte, aber dass sie in der Lage sein sollte, Kontakt zu Verstorbenen aufzunehmen, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. »Ist … ist es Maggie?« Der Anrufer begann aufgeregt zu schnaufen. »Können … können Sie sie hören?« »Ganz ruhig, Paul«, ließ Astrala verlauten und legte den Kopf in den Nacken. »Die Stimme ist weit entfernt … Ich kann sie kaum verstehen … Aber sie ruft Ihren Namen … Ich bin mir ganz sicher …« »Nun, ich … ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie sie vielleicht dazu bewegen könnten, mich endlich in Frieden zu lassen?« »Verstehe!« Die Spiritistin blickte jetzt direkt in die Kamera. »Vielleicht kann uns dies weiterhelfen …« Ihre Hand griff nach einem leicht durchsichtigen, unförmigen Stein, der vor ihr auf dem Tisch lag, und hielt ihn demonstrativ in die Höhe. »Dieser Harlekin-Opal aus Äthiopien unterstützt die Transmissionsfrequenzen in ferne Welten. Wenn man ihn durch die Finger gleiten lässt und sich mental auf die Kontaktperson konzentriert, kann er als sensibles Sprachrohr ins Jenseits fungieren …« Bei diesen Worten sah Bob auf dem Monitor der Kamera, dass in den unteren Bildschirmbereich eine Fototafel eingeblendet wurde, auf der der Opal sowie eine Telefonnummer und die Preisangabe von zweihundertachtundneunzig Dollar zu sehen waren. »Die Verbindung wird klarer, Paul!«, rief Mrs Franklin euphorisch. »Ja! Jetzt kann ich Maggie ganz deutlich hören!« Der Anrufer hielt gespannt den Atem an. »Was … was sagt sie?«, fragte er verunsichert. Doch Astrala schien bereits mit ihrer Kontaktperson aus dem Jenseits zu kommunizieren. »Ich … ich respektiere Ihre Gefühle, Maggie. Ich kann Ihre Wut durchaus verstehen, dennoch appelliere ich an Ihre Vernunft. Was Sie und Paul stets verbunden hat, kann die andere Frau nicht zerstören. Es ist eine völlig andere Ebene …« Eine kurze Pause entstand. Dann horchte sie plötzlich auf und ein kurzes Lächeln fuhr durch ihr Gesicht. »Dazu … wären Sie wirklich bereit? Das ist äußerst großzügig und edelmütig. Ich … ich werde es ihm sagen. Und dann –« Sie hielt plötzlich inne und umspielte den Opal erneut mit ihren Fingern. »Maggie? – Hallo? Maggie!?« Sie blickte in die Kamera. »Die Verbindung wurde leider unterbrochen, Paul. Der Kontakt ist abgerissen.« »Was … was hat Maggie Ihnen gesagt?« Die Aufregung des Anrufers war nicht zu überhören. »Ich kann Sie beruhigen«, entgegnete die Spiritistin mit sanftem Unterton. »Ihre verstorbene Frau ist bereit, Ihnen Ihre Eskapaden zu verzeihen. Aber das möchte sie mit Ihnen persönlich klären.« »Persönlich? Wie … wie darf ich das verstehen?« Astrala hob den Opal in die Höhe und lächelte geheimnisvoll. »Wie ich eben schon erwähnte, kann dieser Stein die Verbindung ins Jenseits herstellen. Wenn Sie – und andere Interessierte – ihn unter der eingeblendeten Telefonnummer bestellen, kann er Ihnen die Möglichkeit verleihen, mithilfe der Suggestion mit Ihrer Gattin zu kommunizieren.« »Das Angebot nehme ich wahr!«, entschied der Anrufer spontan und atmete erleichtert auf. »Wie kann ich Ihnen das jemals danken?« Astrala winkte ab. »Was ich hier tue, Paul, ist ein Job wie jeder andere auch. Und es erfüllt mich immer wieder mit tiefstem Glück, wenn ich Ihnen und anderen Zuschauern mit meinen Fähigkeiten zu ruhigem Schlaf verhelfen kann.« ...