E-Book, Deutsch, Band 2, 272 Seiten
Reihe: Die Amazonas-Detektive
Michaelis Die Amazonas-Detektive (Band 2) - Tatort Naturreservat
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7320-1561-0
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kinderkrimi, Detektivreihe in Brasilien für Mädchen und Jungen ab 9 Jahre
E-Book, Deutsch, Band 2, 272 Seiten
Reihe: Die Amazonas-Detektive
ISBN: 978-3-7320-1561-0
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mutige Kinder können die Welt verändern! Springende Flussdelfine, himmelhohe Baumriesen, Hausboote auf dem Amazonas: Rund um die Stadt Manaus wartet der Dschungel. Doch im Geheimen geschehen erschreckende Verbrechen ... Die Amazonas-Detektive horchen auf: Ein ausgestopftes Riesenfaultier ist aus dem Naturkundemuseum gestohlen worden, der Direktor ist verschwunden und am Tatort entdecken sie Blutflecken. Die Spur führt Ximena, Pablo, Davi und den Hund in ein malerisches Naturreservat. Was hat es auf sich mit den Geschichten vom Mapinguari, dem menschenfressenden Monster, das angeblich eine Art Riesenfaultier war? Und ist unter den Forschern und Touristen wirklich jeder der, der er zu sein scheint? Band 2 der spannenden Detektivreihe! Tief im dichten brasilianischen Dschungel wartet der zweite Kriminalfall auf die Amazonas-Detektive. Eine spannende und unterhaltsame Detektiv-Reihe mit starker Umweltthematik für Jungs und Mädchen ab 9 Jahren rund um Klimaschutz, Umweltzerstörung, Kulturen, Brasilien, Regenwald und die Natur. Großartig erzählt von der unvergleichlichen Antonia Michaelis und mit coolen Schwarz-Weiß-Illustrationen von Sonja Kurzbach. Für Fans von Kirsten Boie und Annelies Schwarz. Der Titel ist auf Antolin gelistet.
Antonia Michaelis lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie an der Ostseeküste. Ihre Romane für Jugendliche und Erwachsene sind hochpoetische soziale Dramen, die den Leser an die Grenzen der Wahrnehmung und der Gesellschaft führen. Die Autorin war mit ihrem Jugendroman 'Der Märchenerzähler', der zahlreiche Ehrungen erhalten hat, für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. In Madagaskar, wo sie mit ihrer Familie für zwei Jahre lebte, hat sie 2019 ein Schulprojekt für ärmste Kinder auf die Beine gestellt (les-pigeons.mg).
Autoren/Hrsg.
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ERSTES KAPITEL, in dem ein Faultier verschwunden ist und offenbar einen Museumsdirektor mitgenommen hat, denn der fehlt ebenfalls
»Pablo!« Pablo blinzelte. Die Sonne ging eben erst auf. Er setzte sich auf und sah über die Stadt, die unter ihm im Morgen lag, seine Stadt: Manaus. Irgendwo dahinter begann in der Ferne der Urwald. Er hatte auf dem Dach des Turms geschlafen wie immer. Der Turm gehörte zu einer maroden Villa. Es war schön hier oben, man fühlte sich fast wie ein König, auch wenn man nichts besaß außer einer bunten Tasche, einer alten Bibel, einem Messer und einer Kerze. »Pablo!« Pablo rieb sich den Schlaf aus den Augen und rutschte nach vorn, dorthin, wo die Kletterpflanze über den Rand kroch. Die Pflanze sah eindeutig wacher aus als er. »Wach auf, Schlafmütze!« Unten auf der Straße stand Ximena, in einem eleganten veilchenblauen Kleid mit weißer Spitze, jedoch mit ungekämmten Locken, und sah zu ihm hinauf. Offenbar hatte sie sich selbst angezogen, das Kindermädchen war um diese Zeit noch nicht da, um ihr Haar zu bändigen. Ximena wohnte in einer heilen Villa im Viertel der Reichen und ihr Großvater war vermutlich nicht darüber im Bilde, dass sie bei Sonnenaufgang heimlich aus dem Fenster kletterte, um in der Stadt herumzurennen. »Komm runter!«, rief Ximena. »Vor dem Naturkundemuseum stehen Polizisten und alles ist abgesperrt! Ich glaube, die Furchtlosen Drei haben einen neuen Fall!« »Polizei? So früh am Morgen?«, murmelte Pablo. Dann streifte er sich die bunte Tasche über und begann, an den Ranken hinunterzuklettern. Die Vögel waren schon vollauf mit ihrem Morgenkonzert beschäftigt, die ganze Villa war umgeben von Ästen und Blättern und Nestern. Der Urwald von einst spross hier wieder empor und das war der Grund, aus dem Pablo die Villa mochte: Sie war wie ein Stück von dem großen grünen Meer da draußen, dem Meer aus Bäumen, in dem er mit Ximena so viel erlebt hatte. Jetzt stand sie da, die Hände in die Seiten gestemmt, und wartete auf Pablo. Sie sah so abenteuerlustig aus, dass er lachen musste. »Los, komm«, sagte sie, als er bei ihr war, und zog ihn am Arm mit sich. »Das musst du sehen. Die haben das Museum abgeriegelt. Da muss etwas Großes passiert sein. Ein Mord oder so. Ich war … zufällig in der Gegend unterwegs und hab die Polizisten gesehen.« »Zufällig?« Ximena seufzte. Sie gingen jetzt am Fluss entlang, das Morgenlicht ließ das träge Wasser glänzen wie einen Spiegel. Um diese Zeit saßen noch keine Verkäufer und Bettler und Liebespärchen auf der Mauer. »Ich wandere seit einer Weile frühmorgens durch die Stadt, um nachzudenken«, murmelte sie. »Ich kann die Delfine nicht vergessen. Wie sie mich gerufen haben, draußen im Urwald …« »Du langweilst dich zu Tode, in der Villa mit deinem Großvater«, meinte Pablo mit einem Grinsen, »zwischen den Büchern und den regelmäßigen Mahlzeiten.« »Und dem Kindermädchen und dem Privatlehrer«, sagte Ximena. »Ja.« Sie streckte die Hand aus, als wollte sie den Rio Negro streicheln wie ein großes Tier. »Der Fluss kommt aus dem Urwald und fließt in den Urwald«, flüsterte sie. »Irgendwo in ihm schwimmen die Delfine, irgendwo an seinem Ufer wartet Davi. Meinst du, er denkt an uns?« »Keine Ahnung.« Pablo zuckte mit den Schultern. »Ich hab andere Sorgen. Jeden Tag was zu beißen zu finden, zum Beispiel.« »Ach, gib’s zu«, sagte Ximena. »Du würdest auch gerne wieder was erleben.« Sie kletterte auf die Mauer und rannte los, der Rock ihres veilchenblauen Kleides wehte im Wind. Pablo kletterte hinterher. Es war schön, auf einer Mauer in den Morgen zu rennen, auch wenn er es nie zugegeben hätte. Schließlich sprangen sie hinunter und Ximena führte ihn durchs Gewirr der Gassen bis in eine Seitenstraße mit einem alten Tor. Es hing schief in den Angeln und schloss nicht mehr richtig. »Da!«, flüsterte Ximena. »Siehst du?« In dem kleinen Hof hinter dem Tor war im Schatten eines Baumes ein Polizeiauto geparkt und daneben standen drei Polizisten und rauchten. Sie sahen müde aus. Ein Grüppchen anderer Leute hatte sich in der Nähe versammelt, sie diskutierten und zeigten immer wieder auf das Gebäude, zu dem der Hof gehörte und dessen doppelflügelige alte Holztür offen stand: das alte Naturkundemuseum. So stand es in abblätternder Schrift über dem Eingang. »Ach so, das Museum«, murmelte Pablo. Es gab noch ein anderes, moderneres Naturkundemuseum, etwas außerhalb der Stadt, das einem Japaner gehörte und eine Menge großer und prunkvoller Ausstellungsstücke besaß, ausgestopfte Jaguare und sogar einen lebendigen Apanima, einen dieser Riesenfische. Wenn da die Polizei herumgestanden hätte, wäre vermutlich sofort das Fernsehen gekommen. Aber hier? Dieses Museum war uralt. Der Direktor war ebenfalls uralt, Pablo kannte ihn flüchtig vom Sehen. Er kam manchmal zum Platz vor dem Theater, saß dort auf einer Bank und lauschte den arbeitslosen Opernsängern und Musikern – verloren in seine eigenen Träume. Das Museum war mit Schlingpflanzen zugewuchert wie die alte Villa, vermutlich hatte in den letzten zwanzig Jahren kein Tourist oder Wissenschaftler es überhaupt gefunden. »Vielleicht hat jemand einen mottenzerfressenen, ausgestopften Affen geklaut?«, fragte Pablo. »Und deshalb kommt so früh am Morgen die Polizei?«, flüsterte Ximena. Sie drückte sich an der Wand entlang und glitt wie ein Schatten in den Hof und das war vermutlich gut so: Jemand wie Pablo, mit zerrissenen Kleidern und Dreck auf der Nase, konnte einfach so morgens auf der Straße herumhängen. Aber jemand wie Ximena mit ihrem feinen, sauberen Kleid fiel auf und die Polizisten hätten vermutlich gefragt, warum sie alleine unterwegs war, und sie in ihre hochherrschaftliche Villa zurückgebracht. Deshalb blieben Pablo und Ximena unsichtbar, huschten an der Mauer entlang durch den Hof, schlüpften in eine Lücke zwischen Museumswand und Mauer und Ximena zeigte auf ein Fenster. »Da rein!« Pablo nickte. Er machte Ximena eine Räuberleiter und sie reckte sich hoch und zog die alten Fensterläden auf. Die meisten alten Häuser hatten ein Hochparterre, was bedeutete, dass die Fenster im ersten Stock unpraktisch hoch lagen, weil die Leute früher alles hoch gebaut hatten, falls der Rio Negro wieder einmal über die Ufer trat. Hinter den Fensterläden befand sich ein Glasfenster. Ximena steckte eine Karte zwischen die Fensterflügel und hebelte den Riegel innen auf. Augenblicke später zog sie Pablo zu sich hoch und dann waren sie drin. »Mann«, wisperte Pablo. »Du hast doch nicht die Bankkarte vom Silberbaron geklaut, um Fenster zu öffnen?« Sie lachte und hielt die Karte hoch: eine Spielkarte. »Die wird er nicht vermissen«, sagte sie. »Er spielt sowieso nie. Das Spiel lag in der Bibliothek, in der er sich vergräbt, um allein zu sein.« Die Karte sah abgegriffen aus, es musste eine Zeit gegeben haben, in der Ximenas Großvater mit jemandem Karten gespielt hatte. Ehe er so alt und knurrig geworden war. Manchmal dachte Pablo, dass auch den Silberbaron ein Geheimnis umgab: ihn und seine Villa. Und seine Enkeltochter, die so wenig über den Tod ihrer Eltern wusste. Die ins Wasser sprang wie in Trance und mit den Flussdelfinen schwamm, wenn sie sie riefen. Er schüttelte den Kopf. Jetzt ging es um das Naturkundemuseum. Der Raum, in dem sie gelandet waren, war voller Bilder hinter Glas. Die ersten Sonnenstrahlen brachten die Farben darauf zum Gleißen und Glänzen – und dann sah Pablo, dass es keine Bilder waren. Es waren Schmetterlinge. Auf weißes Papier hinter Glas gepresste Schmetterlinge aus dem Urwald: wunderschön. Riesengroß. Mausetot. In einem Rahmen befand sich ein Pärchen: Ein Schmetterling war leuchtend blau mit schwarzen Linien, der andere weiß mit feinen Linien und orangegelben Flecken. Ximena legte die Hand auf das Glas und schluckte. »Wissenschaftler«, hörte er sie zischen. »Sie müssen alles erst totmachen, um es auszustellen.« In der Mitte des Raumes standen mehrere Glasvitrinen mit riesigen, schillernden Käfern: alle auf Nadeln gespießt und sorgfältig mit kleinen, handgemalten und vergilbten Namensschildern versehen. »… einfach die Tür aufgebrochen«, sagte jemand im nächsten Raum. »Er hat das Schloss mit roher Gewalt geknackt.« »Und dann hat er das Ding in ein Auto transportiert und ist damit geflohen, richtig«, sagte jemand anderer. »Gut, so weit haben wir das. Und der Herr, der angerufen hat … was hat er noch gleich erzählt?« »Er hätte Lärm gehört, vom Türaufbrechen wahrscheinlich, und dann, nach einer Weile, wäre jemand aus dem Museum gekommen und hätte etwas Großes getragen.« »Und hat er das Kennzeichen notiert? Oder die Marke?« »Nun, der Herr … unser Informant … nein. Er … schien nicht ganz …« »Ist er noch da? Draußen? Um befragt zu werden?« »Nein. Er ist verschwunden. Ganz ehrlich, er war betrunken. Sehr sogar. Weshalb wir ihn auch erst nicht ernst genommen haben. Aber es stimmt. Jemand ist in dieses verflixte alte Museum eingebrochen.« »Um ein mottenzerfressenes, ausgestopftes Tier zu stehlen«, entgegnete die andere Stimme. Pablo sah Ximena an und grinste. Er hatte also recht gehabt. »Mit Verlaub, Signor, es ist nicht mal ein ausgestopftes Tier gewesen«, sagte die erste Stimme. »Es war ein Modell. Nur ein Modell.« »Nur, warum …«, begann die...