Mewes | Die Robinsonin | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 326 Seiten

Mewes Die Robinsonin

Repräsentationen von Weiblichkeit in deutsch- und englischsprachigen Robinsonaden des 20. Jahrhunderts
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86234-667-7
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Repräsentationen von Weiblichkeit in deutsch- und englischsprachigen Robinsonaden des 20. Jahrhunderts

E-Book, Deutsch, 326 Seiten

ISBN: 978-3-86234-667-7
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Weibliche Robinsone, also Frauen in der Robinsonade, stellen zunächst eine Irritation dar. Robinson Crusoe kennt man als Mann und, philologisch betrachtet, als Modell der existenziellen Selbstbehauptung des neuzeitlichen Subjekts. Die Robinsonin gilt dagegen als Randerscheinung. Sie ist das ›Andere‹ in einer dezidiert ›männlichen‹ Gattung. Den Ausgangspunkt des vorliegenden Bandes bildet die Beobachtung, dass neben den vorbildgetreuen Robinson-Bearbeitungen eine Vielzahl von Texten existiert, die aus dem Geschlechterschema des Defoe’schen Vorbilds ausbrechen und die Frau in die abendländische Kultur- und Menschheitsgenese zu integrieren versuchen. Der Entwicklung der Emanzipation der Frau entsprechend fällt der Fokus hierbei auf Texte des 20. Jahrhunderts. Im Spannungsfeld von literarischer Tradition und Innovation, von Kontinuität und Wandel, intertextueller Rückbezüglichkeit und eigenständiger Vorausprojektion verhandeln die vier zentralen Texte von Gerhart Hauptmann, Muriel Spark, Marlen Haushofer und John Michael Coetzee ein über Jahrhunderte angereichertes Identifikations- und Deutungsparadigma und tragen damit zu einer längst überfälligen Kanonrevision der Gattung Robinsonade bei.
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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;7
2;Dank;11
3;1 Einleitung und Stand der Forschung: Die Robinsonin;13
4;I Theoretische Grundlagen;25
4.1;2 Gattungserkundung der Robinsonade: Themen, Motive und Diskurse;25
4.1.1;2.1 Einsamkeit und Isolation;30
4.1.2;2.2 Imperialismus und Kolonialismus: Die Topographie der Macht;34
4.1.3;2.3 Kulturelle Alterität;38
4.1.4;2.4 Religion und (Aber-)Glaube;43
4.1.5;2.5 Arbeit und Zivilisationsnachvollzug;46
4.1.6;2.6 Naturdiskurs;48
4.1.7;2.7 Sprache und Schrift;51
4.1.8;2.8 Einzel- und Gruppenrobinsonaden;54
4.2;3 Gattungstheoretische Abgrenzungen: Utopie, Reise- und Abenteuerliteratur, Autobiographie;55
4.2.1;3.1 Utopie und utopischer Roman;57
4.2.2;3.2 Reise- und Abenteuerliteratur;60
4.2.3;3.3 Autobiographie und autobiographischer Roman;65
4.3;4 Entwicklung der Robinsonade vom Robinson Crusoe bis zur Gegenwart;70
4.3.1;4.1 Defoes Robinson Crusoe im Kontext des frühen 18. Jahrhunderts;71
4.3.2;4.2 ›Weibliche‹ Robinsonaden des 18. und 19. Jahrhunderts, Robinsonaden des 20. Jahrhunderts;75
4.3.3;4.3 Die Robinsonade vom 18. bis zum 20. Jahrhundert;83
4.4;5 Literatur-, Identitäts- und Geschlechtertheorien;90
4.4.1;5.1 Das Postulat einer spezifisch ›weiblichen‹ Schrift;91
4.4.2;5.2 Double-voiced discourse: Zum ›Standort‹ der Frau im ›Phallogozentrismus‹;94
4.4.3;5.3 Identitäts- und Gendertheorien;97
4.4.4;5.3.1 Sigmund Freud und die Wiener Moderne;99
4.4.5;5.3.2 Nancy Chodorow;103
4.4.6;5.3.3 Michel Foucault;105
4.4.7;5.3.4 Judith Butler;113
5;II Lektüren;119
5.1;6 Gerhart Hauptmann: Die Insel der Großen Mutter oder das Weiblichkeitsimago;119
5.1.1;6.1 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand;119
5.1.2;6.2 Die mythische Rückbesinnung als Zivilisationskritik;124
5.1.3;6.3 Das Ausloten der Gesellschaftsmodelle. Keine »Bauwerke für die Ewigkeit« oder: »Naturspiel aber ist unsre ganze Menschheitsentwicklung«;126
5.1.4;6.4 Inszenierung der Geschlechterdifferenz: ›Natürliche‹ Frauen und ›zivilisierte‹ Männer;137
5.1.5;6.4.1 Frau und Natur – Natur der Frau;138
5.1.6;6.4.2 Exkurs: Gauguins Flucht in eine ›bessere Welt‹: Tahiti;144
5.1.7;6.4.3 Phaon, der ›zivilisierte‹ Mann;145
5.1.8;6.5 ›Epilog‹: Die ›Große Mutter‹ und das ›Ewig-Weibliche‹;150
5.2;7 Muriel Spark: Robinson – »Dreifach ist die Wahrheit, dreifach das Leben«;154
5.2.1;7.1 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand;154
5.2.2;7.2 ›Robinson auf der Couch‹ – Figurenanalyse psychoanalytisch;157
5.2.2.1;7.2.1 Religion und (Aber-)Glaube – ein »ozeanisches Gefühl der Zusammengehörigkeit«;160
5.2.2.2;7.2.2 No man is an island - Einsamkeit und Isolation;166
5.2.2.3;7.2.3 The ›self‹ und ›beyond the self‹: Ansätze einer Harmonisierung, Entgrenzung und Emanzipation des weiblichen Subjekts;170
5.2.3;7.3 Der Kampf um die (Erzähl-)Stimme - Autobiographisches Schreiben;181
5.3;8 Marlen Haushofer: Die Wand – Eine rein ›weibliche‹ Isolationstopographie;191
5.3.1;8.1 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand;191
5.3.2;8.2 Erinnerungsspuren – Spuren des Ichs;195
5.3.2.1;8.2.1 Traum-Erinnerungen;202
5.3.3;8.3 Der ›weibliche‹ Umgang mit der ›Geschehensdimension‹ Zeit;207
5.3.4;8.4 Die mnemonische Aufgabe der Schrift – Der »ultimative Garant des Menschseins«;210
5.3.5;8.5 Das gebrochene Verhältnis zur Natur;217
5.3.6;8.6 ›Weibliche‹ Identität und Liebesfähigkeit als »transzendentale Obdachlosigkeit«;224
5.3.7;8.7 Das weibliche Subjekt in der post-patriarchalen Ordnung: Wandelbarkeit des Körpers versus Universalität des Lebenstriebes;234
5.3.8;8.8 »Eine nutzlose Quälerei«;240
5.4;9 John Michael Coetzee: Foe – Ich schreibe also bin ich;244
5.4.1;9.1 Einleitung und Annäherung an den Untersuchungsgegenstand;244
5.4.2;9.2 Das figurelle Gefüge: A World of Foes;246
5.4.2.1;9.2.1 Susans erste Isolationsetappe: Cruso und die Inselwelt (Kapitel I);247
5.4.2.2;9.2.2 Die Isolation der Randständigen: Susan und Freitag (Kapitel II);253
5.4.2.3;9.2.3 Das ›weibliche‹ Textbegehren als Ausbruch aus der geschlechterideologischen Isolation – Susan und Foe (Kapitel III);256
5.4.2.4;9.2.4 Das Ende als Anfang: Kapitel IV – Freitag;272
5.4.3;9.3 ›Verlorene‹ Töchter, ›verlorene‹ Mütter;275
5.4.4;9.4 Die metaphorische Lokalisierung der Geschlechter: Raum und Zeit als Bestandteil der Identitäts- und Sinnstiftung;281
5.4.5;9.5 Lasst Körper sprechen! Von der Resignifikation der Körper;287
6;10 Schlussbetrachtung und Ausblick;291
7;Siglenverzeichnis;305
8;Literatur;307
8.1;Primärtexte;307
8.2;Forschungsliteratur;310
8.3;Internetseiten;322
9;Abbildungen;323


(S. 191-192)


»Es fällt mir schwer, beim Schreiben mein früheres und mein neues Ich auseinanderzuhalten, mein neues Ich, von dem ich nicht sicher bin, daß es nicht langsam von einem größeren Wir aufgesogen wird.«

Mit ihrem 1963 publizierten Roman Die Wand liefert die österreichische Schriftstellerin Marlen Haushofer einen Beitrag zur Gattung Robinsonade, der sich im hier vorliegenden Romankonvolut als der zukunftspessimistischste ausnimmt.684 Gezeichnet von der Atmosphäre des nuklearen Wettrüstens der 50er und 60er Jahre685 skizziert dieser »Untergangsroman[…]«686 ein mögliches Endzeitszenario der Menschheit.

Zur inhaltlichen Kulisse: Eines Morgens findet sich eine Frau, die mit einem befreundeten Ehepaar über die Feiertage in die Berge gefahren ist, als einzig Überlebende einer atomaren Katastrophe wieder. Sie selbst wird im Umkreis von wenigen hundert Metern durch eine ominöse, unzerbrechliche Glaswand von der Außenwelt abgeschnitten, hinter der das Leben vollends ausgelöscht zu sein scheint. Im Verlauf ihrer nicht ganz unwillkommenen Einsamkeit gelingt es ihr, mit Hilfe einer Handvoll Tiere, die das unerklärliche Ereignis ebenfalls überlebt haben, harter Arbeit und äußerster Selbstdisziplin am Leben zu bleiben.

Im Rahmen der hier überzeichneten Eingliederung in den Naturzusammenhang, die Robinson Crusoes Anpassungsprozess an die territoriale Fremdheit radikalisiert, wird die namenlos bleibende Ich-Erzählerin in eine archaische Lebensform zurückgeführt, die zwischenzeitlich bedrohlich entindividualisierende Züge annimmt.

Den menschheitsgeschichtlichen Kulturationsprozess nimmt Haushofer damit zurück und nivelliert die Tragfähigkeit des zukunftsoptimistischen Aufklärungsethos, von welchem Defoes Robinson Crusoe beseelt ist. Auf diese Weise lebt die Mittvierzigerin zwei Jahre lang in der Alpenisolation, bis eines Tages ein weiterer Überlebender unvermittelt in ihr ›Revier‹ eindringt. In einem Spontanduell tötet der Unbekannte zwei ihrer Tiere, woraufhin die Frau zur Gegenwehr ansetzt und den Mörder kurzerhand erschießt.

Diese brutale Bluttat des Mannes,687 und nicht etwa die Wanderscheinung, 688 wird der Frau zum Anlass, ihr Leben und ihre Gedanken schreibend zu sortieren. Den daraus hervorgegangenen »Bericht«689 hat der Leser vor Augen, wenn er an den gegenwärtigen Überlebensmühen der Ich-Erzählerin teilnimmt oder ihr in ihre Vergangenheit und Vorvergangenheit im vor-isolatorischen Leben folgt. Durch die Einzelisolation der Alpenfrau ersetzt Haushofer den homo masculus690 der Robinsonade also nicht nur partiell wie Hauptmann, Spark und Coetzee, sondern vollständig durch einen homo femininus.


Mewes, Celia
Dr. Celia Mewes geb. Torke hat Germanistik und Anglistik an den Universitäten Göttingen und Heidelberg studiert. Nach ihrer Promotion an der Universität Göttingen und diversen Lehraufträgen an den Universitäten Göttingen und Birmingham ist sie derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Graduiertenkolleg 'Dynamiken von Raum und Geschlecht' an den Universitäten Kassel und Göttingen.

Dr. Celia Torke hat Germanistik und Anglistik an den Universitäten Göttingen und Heidelberg studiert. Nach ihrer Promotion an der Universität Göttingen und diversen Lehraufträgen an den Universitäten Göttingen und Birmingham ist sie derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Graduiertenkolleg »Dynamiken von Raum und Geschlecht« am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel.



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