E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Reihe: Bayerische Geschichte
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
Reihe: Bayerische Geschichte
ISBN: 978-3-7917-6180-0
Verlag: Pustet, F
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Franz Metzger, Dr. phil., geb. 1948, ist Historiker und war von 1979 bis 2009 Chefredakteur der Zeitschrift G/Geschichte; seit 2010 ist er freier Autor.
Autoren/Hrsg.
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Bevor die Franken kamen – Ur- und Frühgeschichte
Prolog: Ein ganz besonderer Vogel
Seinen ersten Beitrag zur Weltgeschichte leistete Mittefranken vor rund 150 Mio. Jahren: Da bedeckte das ausgedehnte Jurameer unser Gebiet. In den Wassern jagten Flugsaurier nach Fischen, und das ging nicht immer gut. Verunglückte Flugsaurier stürzten ins Meer, und ihre Kadaver versanken in Sedimentschichten, in denen die härteren Körperteile versteinerten. Diese Schichten, schließlich von tektonischen Bewegungen angehoben, bildeten die langgezogene Gebirgskette des Jura. Durch deren östlichsten Teil, die Fränkische Alb, gruben sich Flüsse ihren Weg, darunter die Altmühl auf ihrem Weg zur Donau. Das Tal bot fruchtbares Siedlungsland, und es entwickelten sich Dörfer und Städtchen, darunter Solnhofen. Zum wichtigen Arbeitgeber der Region wurden die Steinbrüche; der Solnhofer Plattenkalk war weithin gesucht für Fliesen und Wandverkleidungen. Schon die Römer nutzen ihn zur Ausgestaltung ihrer Bäder; als Baumaterial fand er seit dem Mittelalter weite Verbreitung. Einen gewaltigen Aufschwung fand der Plattenkalk-Abbau, als Alois Senefelder (1771–1834) die Lithographie erfand, eine Reproduktionstechnik, für die der fränkische Kalk die ideale Grundlage bot. Mit dem intensiveren Abbau häuften sich auch die Funde von Fossilien. Solnhofen wurde zum Mekka der Urgeschichtsforscher, die sich auf die geschulten Augen der Steinbrucharbeiter verlassen konnten. 1860 wurde so im Gemeindesteinbruch eine fossile Feder entdeckt, eine kleine Sensation, da aus der Jura-Epoche bislang keine Vögel bekannt waren. Der Frankfurter Paläontologe Hermann von Meyer gab dem Fund und dem dazugehörigen noch unbekannten Tier den Namen Archaeopteryx („Urfeder“). Ein weiterer Fund ein Jahr später machte die Sensation perfekt: Im Kalk eingebettet fand sich da der Körperabdruck eines Geschöpfes, dessen Körperbau, Flügelarme und zahnbesetzter Schnabel es eindeutig als flugfähigen Saurier auswiesen. Statt einer Saurierhaut trug das Tier aber ein Federkleid. Kronzeuge der Evolutionstheorie: Mit dem Fund des „Urvogels“ Archaeopteryx schrieb Solnhofen Wissenschaftsgeschichte. Um die Dramatik dieses Fundes zu begreifen, muss man sich vergegenwärtigen, dass nur zwei Jahre zuvor Charles Darwins Grundsatzwerk „Von der Entstehung der Arten“ erschienen war, mit dem er die Evolutionstheorie postulierte. Umgehend hatte sich eine hitzige Kontroverse entwickelt. Was Darwin und seine Gefolgsleute benötigten, waren „missing links“, Belege für den Übergang von einer Spezies zu einer anderen. Der Archaeopteryx hätte als Glied zwischen Sauriern und Vögeln nicht besser erfunden worden sein können. Doch er war real – so real, dass Richard Owen, einer der hartnäckigsten Gegner Darwins, umgehend den Solnhofer Fund kaufte, um ihn in einer Schublade verschwinden zu lassen. Ein sinnloses Manöver, da der fränkische Plattenkalk in den folgenden Jahrzehnten weitere Exemplare des „Urvogels“ preisgab. Dass sich die Evolutionstheorie schließlich durchsetzte, war also auch Steinbrucharbeitern und -besitzern aus Mittelfranken zu verdanken. Jäger, Sammler, Ackerbauern
Vom bislang ältesten menschlichen Bewohner Mittelfrankens ist gerade einmal ein Backenzahn geblieben: Den fanden Archäologen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1986 in den Fundschichten der Höhlenruine von Hunas bei Pottenstein (Kr. Nürnberger Land). Der Zahn gehört eindeutig einem Mitglied der Spezies Homo sapiens neanderthalensis und wird anhand der Fundschichten auf etwa 120.000–100.000 Jahre vor unserer Zeit datiert. In tieferen, also noch älteren Schichten (ca. 200.000 Jahre) wurden einfache Steinwerkzeuge gefunden. Die Hunas-Höhle bewahrte demnach die ältesten Belege menschlicher Aktivität in Bayern. Der Besitzer des Zahns und seine Sippe lebten während der Würm-Eiszeit im fränkischen Jura. Im Vorland der gewaltigen Gletscher, die sich aus den Alpen herausgeschoben hatten, bestand damals eine weitgehend baumlose Tundra, die erfahrenen Großwildjägern, wie es die Neandertaler waren, gute Bedingungen bot. Mit dem Rückzug der Gletscher änderten sich die Landschaft und das Siedlungsmuster: Statt in Höhlen lebten die Mittelsteinzeitmenschen als Jäger und Sammler in einfachen Unterständen und Hütten, für die sandiger Boden, wie er in Mittelfranken weit verbreitet ist, vorteilhafter ist als Wald und Sumpf. Außer einigen Steinwerkzeugen sind aus dieser Epoche wenig Zeugnisse erhalten. Die Jungsteinzeit sah eine der großen Umwälzungen der Menschheitsgeschichte: Aus der Pannonischen Tiefebene (heute Ungarn) brachten Siedler ab etwa 7000 v. Chr. Ackerbau und Viehzucht nach Mitteleuropa. Damit einher ging die Sesshaftigkeit – der Mensch musste seiner Nahrung nicht folgen, sondern hatte sie vor der Haustür. Karge Sandböden eigneten sich allerdings weniger für die neue Kultur. Entsprechend verschob sich das Siedlungsmuster in Mittelfranken, in dem sich von nun an eine bestimmte Kontinuität feststellen lässt. Eines der besten Beispiele bietet Landersdorf bei Thalmässing, wo Siedlungsspuren aus der Eisen- über die Bronzebis in die Jungsteinzeit der „Chamer Gruppe“ (ca. 3500–2500 v. Chr.) ausgegraben wurden. Auf Initiative der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg entstand hier inzwischen ein Geschichtsdorf rekonstruierter Gebäude, an denen sich die Lebensumstände von Steinzeitbauern, Kelten und Bajuwaren miterleben lassen. Für die Aufbewahrung ihrer Nahrung entwickelten die frühen Bauern die Töpferei von Tongefäßen, die sie mit bandartigen Mustern versahen; die Wissenschaft nennt sie daher die Bandkeramiker. Während diese Kultur in unserem Gebiet Spuren hinterließ, scheint sich die nachfolgende „Glockenbecherkultur“ in Mittelfranken nur langsam ausgebreitet zu haben. Dies könnte daran gelegen haben, dass ihre Vertreter etwas suchten, was in Mittelfranken selten war: Erze, aus denen sich Metalle herausschmelzen lassen – wir stehen am Beginn der Metallzeit. Deren erste Epoche, die Bronzezeit, dürfte Franken erst um 1700 v. Chr. erreicht haben. Hortfunde, wie jene von Nürnberg-Mögeldorf oder Henfenfeld, belegen dann auch für unseren Raum das Sammeln von „Altmetall“ zum Einschmelzen und Wiederverwenden. Bronzezeit in Franken
Die Bronzezeit sah nicht nur einen Wandel in den Gebrauchsgegenständen, vom Schmuck bis zu den Waffen, sie sah auch die Entwicklung eines ganz Europa umspannenden Handels- und Kommunikationsnetzes. Der Transport der Basismetalle Zinn und Kupfer zu den Verarbeitungsstätten verband sich mit einem Austausch anderer Güter; ein Beispiel dafür ist das Schwert von Hammer, bei dem sich mykenische Elemente mit einheimischer Tradition verbanden. Ein erster europäischer Wirtschaftsraum entwickelte sich, und dieser Raum kam auch sozial und politisch in Bewegung: Es bildeten sich spezialisierte Berufsgruppen wie Metallverarbeiter und Fernhändler heraus. Spezialisierung wie Austausch führten dazu, dass bestimmte Personenkreise Reichtum und größeren Einfluss gewannen. Es entstand eine Führungselite, welche die Geschicke der Gemeinschaft bestimmte, aber auch eine Expansion ihres Machtbereichs anstrebte. Diese Hierarchisierung der Gesellschaft gipfelte in der Ausbildung eines Fürstenstandes, dessen Repräsentanten in mächtigen Hügelgräbern beigesetzt wurden. Ab dem Beginn des 2. Jtds. hatte sich so in Mitteldeutschland die Aunjetitzer Kultur ausgebildet, die für rund 400 Jahre ein erstes „Reich“ mit eigener Hochkultur auf deutschem Boden schuf. Mangels schriftlicher Aufzeichnungen wissen wir allerdings wenig über Strukturen und Organisation dieser und nachfolgender bronzezeitlicher Kulturen. Spektakuläre Funde wie die Himmelsscheibe von Nebra oder die verschiedenen Goldhüte weisen aber auf eine differenzierte Gesellschaftsordnung mit hochentwickeltem technischem, wissenschaftlichem und spirituellem Wissen hin. Eiserne Zeiten und keltische Städte
Neben der Aunjetitzer Kultur konnten die Archäologen in der frühen Bronzezeit weitere Kulturkreise mit ebenfalls vor-staatlichen Strukturen bestimmen. Eine dieser Kulturen ist die sog. Riesgruppe, deren bislang wichtigster Fundort das Gräberfeld von Wettenheim (Stadt Treuchtlingen) ist. Diese Ganzkörperbeisetzungen wurden nach 1300 v. Chr. durch das Vordringen einer neuen Kulturform, vermutlich durch Zuwanderung, verdrängt, welche die Spätbronzezeit bestimmte: Die Angehörigen der „Urnenfelderkultur“ verbrannten ihre Toten und setzten die Asche bei. Der Goldhut von Ezelsdorf
An der Grenze zwischen Mittelfranken und der Oberpfalz kam es im Februar 1953 zu einem archäologischen...