Roman
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-03848-592-6
Verlag: Fontis
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zum WG-Leben mit all seinen Facetten kommt dann auch noch dieser Fall hinzu: Bei einem Freund in der gediegenen Altersresidenz 'Sunny Gardens' wird Geld aus dem Zimmer gestohlen. Als Owen und Patrick der Sache nachgehen, werden sie Zeugen eines Todesfalls. Scotland Yard ermittelt: Natürliche Todesursache - oder gar Mord? Nicht nur die oberste Londoner Polizeibehörde bleibt an dem Fall dran.
Hope Road: Das Leben ist eine Straße der Hoffnung. Es geht immer weiter. Es ist nie zu spät! Ein vergnüglicher Roman für Erwachsene mit liebevoll gezeichneten Charakteren, augenzwinkerndem Charme und viel Tiefgang. Ein "Vollpaket London"!
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KAPITEL 2
Jim, was kannst du uns über die zwei Verdächtigen erzählen, die den Diebstahl in deinem Zimmer möglicherweise begangen haben könnten?» Patrick und Owen saßen im lindgrünen Korridor des Seniorenheims Sunny Gardens, das die meiste Zeit des Jahres über gar nicht so sonnig war, wie es der Name vermuten ließ. Ihnen gegenüber saß Patricks alter Freund Jim. Der 78-Jährige wohnte im dritten Stock der schönen Altersresidenz nahe der Portobello Road. Selbst hier im warmen Haus trug er eine Lederweste mit Fransen. Als weitere Erinnerung an seine Zeit im Motorradclub hing ein Fuchsschwanz seitlich an seinem Rollator. Owen musste ein wenig schmunzeln. Auf den ersten Blick war Jim ein ziemlich sonderbarer Kauz, aber er selbst war ja auch nicht gerade ein Typ ohne Marotten und Kanten. Ächzend richtete Jim sich auf. Er kramte einen kleinen Kamm aus seiner Westentasche und fuhr sich damit durch sein dichtes Haar. «Über die Frau vom Hausdienst gibt’s eigentlich nicht viel zu sagen», brummte er. «Aber der Pfleger ist sehr eigenartig. Ein Pole.» Owen hob eine Augenbraue. «Und was ist an dem so eigenartig?» «Na ja. Er spricht selten. Und wenn, dann sehr merkwürdig.» «Und das ist alles?» Jim nickte und steckte seinen Kamm wieder ein. «Hmm», brummte Owen. «Das sind ja nicht gerade viele Informationen.» Nachdenklich richtete er seinen Krawattenknoten. «Wenn man sich ein genaueres Bild machen wollte, bräuchte man auf jeden Fall erst mal die Namen der beiden.» «Klar, kein Problem!» Patrick wandte sich an seinen Freund. «Jimmy, bitte schreib uns die Namen auf, alter Knabe.» «In Ordnung, wird gemacht.» Jim holte einen Bleistift und ein zerknittertes Blatt Papier aus der Westentasche und strich es auf seinem Oberschenkel glatt. Dann beugte er sich vor und begann mit zittriger Schrift zu kritzeln. «Sie ist um die vierzig», erklärte er, während er den Namen der Raumpflegerin aufs Papier brachte. «Jenny Morrison. Eine unauffällige, nicht unfreundliche Frau. Anständige Statur – nicht so dünn wie Twiggy!» In diesem Moment ging die Tür eines Zimmers auf und eine unauffällige Frau um die vierzig trat auf den Flur heraus. Sie grüßte die Männer nicht unfreundlich. Jim gab überdeutlich Zeichen, dass es sich um Jenny Morrison handelte. Die drei verstummten und schauten aufmerksam zu, wie die Frau mit einem Passepartout-Schlüssel die Zimmertür abschloss. Als sie danach im Aufzug verschwand und die Luft wieder rein war, kam Jim aufs Thema zurück. «Den Namen des polnischen Pflegers kenne ich leider nicht», brummte er. «Aber ich krieg das geregelt.» Die beiden Freunde schauten ihn fragend an. «Bei Daisy», erklärte Jim. «Unten, am Empfang. Ich hab einen guten Draht zu ihr. Ich find den Namen für euch raus, Jungs.» Er erhob sich schmunzelnd. «Ihr seid ja schließlich nicht die Einzigen, die über eine feine Spürnase verfügen.» Damit spielte er auf die Fälle an, die Owen und Patrick als Rentner gemeinsam gelöst hatten. In ihrem Umfeld hatte sich deswegen sogar ein Spitzname für das findige Duo eingebürgert, passend zu ihrer Finesse – und zu ihrem Alter: 00–70. Jim setzte sich mit seinem Rollwägelchen in Bewegung. Der buschige Fuchsschwanz baumelte sanft hin und her.
Die drei Männer traten im Erdgeschoss aus dem Aufzug in die Eingangshalle. Während sie langsam auf den Empfang zugingen, beugte sich Owen zu Jims Ohr. «Es wäre gut, wenn du außer dem Namen des polnischen Pflegers auch seine Adresse ausfindig machen könntest. Vielleicht werden wir in seiner Nachbarschaft ein paar Erkundigungen über ihn einholen müssen …» «Keine Sorge», gab Jim leise zurück. «Ich erledige das. Haltet euch im Hintergrund – lasst mich nur machen.» Patrick und Owen blieben neben dem Orientierungsschild stehen, das mit Pfeilen und Zahlen anzeigte, was sich wo im Haus befand. Während Jim zum Schalter hinüberwanderte, musterten sie die großzügige Halle. Alles war in hellen, fröhlichen Farben gehalten. An der Wand standen bequeme Stühle und Tischchen mit Zeitschriften. In einer Ecke goss eine Bewohnerin Wasser in den Topf einer unübersehbar künstlichen Plastikpalme. Sonst war gerade niemand in der Nähe, doch aus dem Tea-Room drangen Gesprächsfetzen und Gläserklirren heraus. Angrenzend führte ein breiter Flur nach hinten zum Speisesaal und zu den Gemeinschaftsräumen sowie dem Physio- und Aromatherapieraum. Jim erreichte den Anmeldeschalter und legte ein gewinnendes Lächeln auf sein Gesicht. «Tag, Daisy», begann er betont locker. «Wie hieß doch gleich der nette polnische Pfleger von meiner Etage?» Die junge Empfangsdame war eine Jamaikanerin mit fein geflochtenen, eng am Kopf anliegenden Zöpfchen. «Vor-oder Nachname?», fragte sie freundlich. «Äh, beides, wenn’s geht …» «Wozu wollen Sie denn den Nachnamen wissen, Mister Page?» «Tjaaa», ließ Jim ausweichend verlauten. Dann fügte er einer spontanen Eingebung folgend hinzu: «Ich hab ihn vergessen! Also, nicht den Polen, sondern den Namen …» Und nun kam ihm endlich doch noch eine brauchbare Idee. «Natürlich, jetzt fällt’s mir wieder ein», seufzte er. «Es ist für ein Geschenk! Wie konnte ich das bloß vergessen! Na ja, das Alter … Ach, übrigens, meine Liebe, ich bräuchte außer dem Namen auch noch die Adresse.» Daisy lächelte. «Name ist o-kay», sagte sie gedehnt. «Aber die Privatadressen der Angestellten darf ich nicht herausgeben. Datenschutz – Sie verstehen, Mister Page? Das Geschenk können Sie dem Pfleger ja auch persönlich hier im Haus überreichen, statt es ihm zu schicken.» Während sie auf ihrer Tastatur etwas in den Computer eingab, suchte Jim nach einem einleuchtenden Grund, um trotzdem an die Anschrift heranzukommen. Und tatsächlich hatte er wieder eine Idee: «Es soll eine Überraschung sein! Wenn er von der Arbeit heimkommt, wartet auf ihn bereits eine Riesen…» «So», unterbrach Daisy, «da haben wir ihn.» Sie nahm ein Blatt aus ihrer Zettelbox und begann den Namen des polnischen Pflegers vom Bildschirm abzuschreiben. Allerdings schien das schwieriger zu sein als gedacht, denn sie begann zweimal neu, strich die Buchstaben wieder durch und fing nun schon leicht genervt noch einmal ganz von vorne an. Dann knüllte sie den Zettel zusammen und warf ihn in den Papierkorb. «Ich druck den Namen aus», seufzte sie, klickte auf eine Schaltfläche und ging nach nebenan ins Büro, um das Blatt aus dem Drucker zu holen. Als sie drüben ankam, begann das Telefon zu klingeln. «Bin gleich wieder bei Ihnen!», rief Daisy zu Jim heraus. Sie hob den Hörer ab und schob nach ein paar Worten die Tür zu, damit sie ungestört sprechen konnte. Jim zögerte keine Sekunde. Unverzüglich setzte er sich in Bewegung und rollte mit seinem Gehwägelchen um den Tresen herum zum Computer. «He», zischte Patrick durch die Halle. «Was machst du denn da, Jimmy? Bist du verrückt geworden?» «Halt!», rief Owen, «das geht wirklich nicht – das ist illegal!» «Ach was!» Mit einer genervten Handbewegung wischte Jim die Bedenken weg. «Ich habe versprochen, die Sache zu regeln, also werde ich sie auch regeln.» Er starrte den Computermonitor an. Darauf war der Name des polnischen Angestellten zu lesen – aber dessen Adresse war am unteren Bildrand haarscharf abgeschnitten. «Das muss man bloß ein wenig raufschieben», murmelte Jim. Er blickte fragend die Freunde an. «Kennt ihr euch mit Computern aus?» Die beiden schüttelten verneinend den Kopf. Bei Scotland Yard hatte Owen den Umgang mit Computern auf seine alten Tage strikt verweigert und all die neumodischen Geräte stets seiner treuen Assistentin überlassen. «Jimmy!», zischte Patrick. «Lass es bleiben und komm wieder rüber!» Doch Jim dachte nicht daran. «Das kann doch nicht so schwer sein», brummte er und griff nach der Maus. «Die machen doch immer mit diesem Ding hier was.» Er wagte einen Klick. Der Bildschirm wurde schwarz. In der Mitte erschien nun ein neues Feld, das von einem grellen Ton begleitet wurde – nicht sehr laut, dafür aber sehr durchdringend. Rasch tippte Jim auf einige Tasten, doch der Ton brach nicht ab. «Verflixt, geh wieder weg!», murmelte er. «Verflixt, verflixt!» Owen und Patrick hatten sich inzwischen genähert und spähten über den Tresen auf den Bildschirm. «Jimmy», stöhnte Patrick, «du hast es kaputt gemacht!» «Momentchen, Momentchen.» Unablässig klickte Jim herum. Das führte aber...