E-Book, Deutsch, 369 Seiten
Mecklenbräuker / Walther / Preckel Befragung von Kindern und Jugendlichen
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8409-2139-1
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Grundlagen, Methoden und Anwendungsfelder
E-Book, Deutsch, 369 Seiten
ISBN: 978-3-8409-2139-1
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Schwänzt du immer noch die Schule? Welche Fragen kann man Kindern und Jugendlichen in welchem Alter sinnvollerweise stellen und wie lässt sich eine suggestive Beeinflussung dabei vermeiden? Das Buch bietet einen praxisorientierten Überblick über die Grundlagen, Verfahren und Anwendungsfelder der Befragung von Kindern und Jugendlichen.
Das Buch beschreibt die sprachentwicklungspsychologischen Voraussetzungen und beleuchtet den aktuellen Stand der Forschung im Hinblick auf die affektiven, kognitiven und sozialen Grundlagen der Befragung von Kindern und Jugendlichen. Dazu werden aktuelle Verfahren zur Erfassung von Fähigkeiten und Eigenschaften wie Intelligenz, Interesse, Gedächtnis und Sprache bei Kindern und Jugendlichen beschrieben und bewertet. Ausführlich wird auf Befragungen im Rahmen von Beratungen, im forensischen Kontext und in der Markforschung eingegangen. Konkrete Empfehlungen für die Praxis runden den Band ab.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Angewandte Psychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Entwicklungspsychologie Kinder- und Jugendpsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie Psychologische Diagnostik, Testpsychologie
Weitere Infos & Material
1;978-3-8409-2139-1;1
2;Vorwort der Herausgeberinnen;6
3;Inhalt;8
4;Einführung;10
5;Teil 1 Entwicklungspsychologische Voraussetzungen der Befragung von Kindern und Jugendlichen;32
5.1;Sprachentwicklungspsychologische Voraussetzungen von Kindern und Jugendlichen und deren Konsequenzen für die Kompetenzen von Befragenden;34
5.2;Affektive Grundlagen: Emotionen, Selbstwert und Temperament;46
5.3;Kognitive Grundlagen: Denken, Gedächtnis und Metakognition;72
6;Teil 2 Inhalte der Befragung von Kindern und Jugendlichen;98
6.1;Intelligenzdiagnostik;100
6.2;Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften bei Kindern und Jugendlichen;134
6.3;Emotionale Intelligenz bei Kindern und Jugendlichen: Konzeptualisierungen und Möglichkeiten der Erfassung;154
6.4;Erfassung von Interessen;178
6.5;Gedächtnis;202
6.6;Erfassung sprachlicher Fähigkeiten;228
7;Teil 3 Anwendungskontexte der Befragung von Kindern und Jugendlichen;264
7.1;Befragung von Kindern im forensischen Kontext;266
7.2;Umfrageforschung mit Kindern und Jugendlichen;298
7.3;Befragung von Kindern und Jugendlichen im Familienberatungskontext;320
8;Teil 4 Ausblick;342
8.1;Alternativen zur Befragung: Indirekte und implizite Methoden am Beispiel von Einstellungen, Selbststeuerung und Motiven;344
9;Die Autorinnen und Autoren des Bandes;368
Kognitive Grundlagen: Denken, Gedächtnis und Metakognition (S. 71-72)
Kathrin Lockl und Wolfgang Schneider
In dem vorliegenden Kapitel sollen zunächst in aller Kürze zentrale theoretische Perspektiven und allgemeine Grundlagen der kognitiven Entwicklung skizziert werden. Da für die Befragung von Kindern und Jugendlichen die Erinnerung an selbst erlebte Ereignisse eine große Rolle spielt, wird besonderes Augenmerk auf Aspekte der Gedächtnisentwicklung und hierbei vor allem auf die Entwicklung alltäglicher Gedächtnisleistungen gelegt. Danach werden wesentliche theoretische Konzeptionen und empirische Befunde zum Erwerb metakognitiver Kompetenzen erläutert. Den Abschluss bildet eine kurze Darstellung von Entwicklungsveränderungen in zwei Teilbereichen der Denkentwicklung, dem schlussfolgernden Denken und dem Einschätzen von Wahrscheinlichkeiten.
1 Zentrale theoretische Perspektiven
In der wissenschaftlichen Psychologie lassen sich unterschiedliche Wurzeln der zeitgenössischen kognitiven Entwicklungspsychologie ausmachen, die ihren Schwerpunkt ausnahmslos in der Kinderforschung hatten (vgl. für Details Weinert & Weinert, 2006). Schon im 19. Jahrhundert begann Wilhelm Preyer (1882) mit der systematischen Beobachtung des kindlichen Verhaltens am Beispiel seines Sohnes, dessen Entwicklung innerhalb der ersten drei Lebensjahre sehr umfassend dokumentiert wurde. Auf der Basis seiner Arbeiten konnten unter anderem erste wichtige Erkenntnisse zum Spracherwerb, zur Wahrnehmung, dem Denken und Lernen gewonnen werden.
Nur wenig später erfolgte die erste Untersuchung der kindlichen Intelligenz, die kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts von Alfred Binet stimuliert und über das französische Erziehungsministerium gefördert wurde. Binet sah in der kindlichen Intelligenz die wichtigste individuelle Bedingung für schulischen Erfolg bzw. Misserfolg und konzentrierte sich von daher auf eine möglichst objektive Messung intellektueller Fähigkeit. Er ging dabei von der These aus, dass höhere intellektuelle Fähigkeiten eine Person im Alltag dazu befähigen, mehr, schneller und besser zu lernen als eine Person, die nur über eine niedrige Intelligenz verfügt.
Eine genauere Analyse der in altersgerecht konstruierten Lernaufgaben erzielten Ergebnisse sollte von daher die Abschätzung grundlegender Fähigkeitsmerkmale erlauben. Während der im Jahr 1905 von Binet zusammen mit Simon entwickelte Intelligenztest weltweit bekannt wurde, ist heute teilweise vergessen, dass Binet eine konstruktive Entwicklungsauffassung vertrat, in der die besondere Bedeutung kindlicher Aktivität und der aktiven Assimilation neuer Erfahrungen an die bereits verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten betont wurde (vgl. Weinert & Weinert, 2006). Diese Grundauffassung gewann wenige Jahrzehnte später im Rahmen der Entwicklungstheorie von Jean Piaget überdauernde Popularität.
1.1 Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung
Aus den Ergebnissen eines Intelligenztests kann man erschließen, welche Position ein Kind im Vergleich zu seiner Altersgruppe einnimmt und wo seine Stärken und Schwächen in unterschiedlichen Bereichen der intellektuellen Leistungsfähigkeit liegen, ob es beispielsweise eher sprachlich begabt ist oder ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen besitzt (vgl. Preckel & Vock in diesem Band). Jedoch erfährt man stets nur, ob eine Testaufgabe richtig oder falsch gelöst wurde, nicht, welche Denkprozesse zur Lösung führten, bzw. wie es zu falschen Lösungen kam. An dieser Frage war der Schweizer Biologe und Erkenntnistheoretiker Jean Piaget besonders interessiert, der 1919 in Binets Laboratorium in Paris arbeitete.
Er war fasziniert von den Denkfehlern der Kinder, da ihm diese einen Einblick in die Eigenart des kindlichen Denkens und speziell in die Unterschiede zwischen dem Denken des Kindes und dem des Erwachsenen vermittelten. Piaget entwickelte in der Folge eine klassische Stadientheorie der Denkentwicklung (für detaillierte Darstellungen vgl. Montada, 2002; Reusser, 2006). Piaget nahm vier globale Entwicklungsstadien an, das sensumotorische Stadium (0 bis 2 Jahre), das prä-operatorische (ca. 3 bis 7 Jahre), das konkret-operatorische (ca. 7 bis 12 Jahre) und das formal-operatorische (ab 12 Jahren).
Hier sind vor allem das prä-operatorische, das konkret-operatorische und das formal-operatorische Stadium von Bedeutung, die den Zeitraum vom Vorschul- bis zum Erwachsenenalter umfassen. Jedes Stadium ist nach Piaget gekennzeichnet durch eine Reihe von Kompetenzen und von bestimmten Beschränkungen geistiger Fähigkeiten. Die stadientypischen Kompetenzen wie die Defizite werden als Ausdruck einer zugrunde liegenden Gesamtstruktur des Denkens interpretiert."