Eine Liebe zwischen Traum und Wirklichkeit
E-Book, Deutsch, 476 Seiten
ISBN: 978-3-7578-9773-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geboren im Mai 1964 in Köln, wächst Jürgen May im Bergischen Land auf. Erst im Erwachsenenalter zieht es ihn wieder zurück in seine Geburtsstadt, in der er heute mit seinem Ehemann lebt und seinem Beruf als Bilanzbuchhalter nachgeht. Schon im Kindesalter befasst er sich lieber mit Zahlen als mit Worten, was ihn später dazu veranlasst, eine entsprechende Berufswahl zu treffen. Als er einen Workshop in einer Schreibwerkstatt besucht, weckt dieser in ihm die Leidenschaft, Worte zu Papier zu bringen. Der neuentdeckten Neigung folgend, entsteht im Jahr 2021 sein Debütroman ROBERT und ein Jahr später sein zweites Buch MARC. Doch schon bald wächst in ihm die Idee eines weiteren Buchprojekts, das den Titel OLIVER - Eine Liebe zwischen Traum und Wirklichkeit trägt.
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KAPITEL 1
DER ANFANG
Dichte Nebelschwaden überzogen die Themse und ließen das entfernt gegenüberliegende Ufer nur erahnen. Joshua drehte sich noch ein letztes Mal um und schaute wehmütig dem riesigen Ozeandampfer hinterher, als dieser sich mit laut tönendem Schiffshorn aus dem Hafenbecken von Tilbury manövrierte. An Bord befand sich seine große Liebe, die eine Reise ans andere Ende der Welt antrat. Erst einen Tag zuvor hatte sich Eleonore von ihm getrennt und ihn an diesem feuchtkalten Morgen tränenüberströmt an den Landungsbrücken von London zurückgelassen. „Ich werde Dich niemals vergessen!“, schluchzte Joshua, der erst in dem Moment, als der Schiffskoloss samt seinen Passagieren im trüben Dunstschleier verschwand, begriff, dass ihm ein Abschied für die Ewigkeit beschieden war. „C U T!!!“, schrie Martin Harpshore durch seinen Schnäuzer hindurch, der ungepflegt lang über seine Lippen hing. Dann erhob er sich von seinem Regiestuhl und stellte sich mit seinem gedrungenen Erscheinungsbild inmitten des Sets, wobei ihm sein schütteres rotes Haar strähnig ins Gesicht fiel. Er hatte die Schlussszene nach der zehnten Wiederholung für perfekt erachtet und daraufhin sämtliche Aufnahmegeräte ausschalten lassen. „Ihr wart großartig!“, rief er freudestrahlend in die Menge und klatschte dabei kräftig in die Hände. Für Martin Harpshore war mit der Unterzeichnung des Vertrags, den er mit den „Plittercaff Studios“ geschlossen hatte, zum ersten Mal der Wunsch nach einer vielversprechenden Regiearbeit in Erfüllung gegangen. Bisher war er nur für drittklassige Filmprojekte tätig geworden und umso mehr war er außer sich vor Freude, als der Intendant der Studios auf ihn zugekommen war und ihm den Entwurf des Drehbuchs zu „Der Todsünde so nah!“ zur Verfügung gestellt hatte. Martin war sich sicher, dass er mit diesem Film seinen Durchbruch erleben würde und er endlich den Ruhm einheimsen könnte, der ihm, trotz erfolgreich abgeschlossenem Regiestudium, so lange Jahre versagt geblieben war. „Kommt heute Abend ins „Busters“! Wir haben allen Grund zum Feiern!“, forderte er die gesamte Filmcrew auf. Und während er sich zurück in sein Hotel begab, begann ein reges Treiben am Set. Die Bühnenarbeiter bauten die Kameras samt den Laufschienen ab und der Tonmann trug mit ein paar Gehilfen seine Aufnahmegeräte zu den zum Abtransport bereitstehenden LKWs. Dabei beschimpfte er seine Leute lautstark als hirnlose Idioten und forderte sie unentwegt auf, vorsichtiger mit diesen hoch technischen Geräten umzugehen. Und während er wildgestikulierend zwischen herumliegenden Scheinwerfern hin- und herlief, bahnten sich übergroße Kabeltrommeln ihren Weg, um die endlos erscheinenden Verbindungsleitungen aufzurollen, die sich bei diesem Vorgang wie Schlangen in der Grube windeten. Und zwischen all diesem Tohuwabohu stand Patrick Lockerty, der Hauptdarsteller, wie angewurzelt am Pier. Er konnte nicht fassen, dass nach wochenlangen Dreharbeiten, die alles von ihm abverlangt hatten, seine Rolle als Joshua beendet war. Patrick gehörte noch zu einem der vielen unbeschriebenen Blätter in der glamourösen Filmwelt; so hatte es der Produzent gewollt. „Bringt mir ein neues Gesicht, dass die Kinoleinwand schmückt!“, hatte Diggery Fortwind, ein hagerer Mittdreißiger mit blonder Mähne und giftgrünen Augen, verlangt und sein gesamtes Team losgeschickt, danach zu suchen. Nach unendlich vielen Kandidaten, die zum Vorsprechen erschienen waren, fiel schließlich die Wahl auf Patrick Lockerty, der zuvor als Komparse oder Statist in unbedeutenden Filmproduktionen mitgewirkt hatte. Zuletzt war er sogar mal in einer Nebenrolle einer TV-Produktion zu sehen gewesen, woraufhin er von Filmkritikern für seine authentische Darstellung eines heruntergekommenen Junkies gelobt worden war. Patricks Eltern hatten ihm eine grundsolide Schauspielausbildung an der „Private Academy of Art and Drama“ in London ermöglicht, eine tragende Rolle war ihm jedoch bisher verwehrt geblieben. Dann überraschte ihn der Anruf einer Schauspieleragentur mit einem Termin zum Vorsprechen für die Rolle des Joshua Portsworth in „Der Todsünde so nah!“. Das Gremium ließ sich von Patricks außergewöhnlichem Talent überzeugen und entschied sich bei der Wahl des Hauptdarstellers einstimmig für ihn. „Dieser Junge verkörpert genau den Typ, den ich mir vorgestellt habe!“, sprach Diggery voller Begeisterung. „Er ist jung! Er ist unbedarft! Er wirkt ein wenig unsicher und ist dennoch selbstbewusst! Seine stechend blauen Augen drücken Schüchternheit aus, aber auch eine Spur von Verwegenheit! Und genau diese gespaltene Ausdrucksform benötigt er für die Rolle des Joshua!“, schob er noch fasziniert hinterher. Diggery war sich sicher, dass er mit Patrick die richtige Wahl getroffen hatte. Denn er entsprach genau den Attributen des Mannes, der Anfang der Neunziger angesagt war. Markantes Gesicht, pechschwarze Haare und stahlblaue Augen, die Empfindsamkeit und Stärke zugleich auszudrücken vermochten. Patrick als Hauptdarsteller in Verbindung mit dem exzellenten Drehbuch betrachtete Diggery als Garant für eine gewaltige Sturmflut auf die Kinokassen. Im Stillen fieberte er schon den unzähligen Preisen entgegen, mit denen sein Film „Der Todsünde so nah!“, bei der Verleihung der „British Academy Film Awards“ von 1992 ausgezeichnet würde. Die Voraussetzung, dass der Film vorher nominiert werden müsste, sah Diggery als gegeben an. Denn, dass sein Film dabei übergangen werden könnte, hielt er für völlig ausgeschlossen. „Bitte gehen Sie jetzt zurück in die Maske!“, sprach der Aufnahmeleiter, nachdem er Patrick nach längerer Suche am Pier gefunden hatte. Patrick weilte immer noch in Gedanken versunken dort und hatte, mit weitem Blick über die mittlerweile vom Nebel befreite Themse, Zeit und Raum vergessen. Er stand mit seinen vierundzwanzig Jahren erst am Anfang seiner Karriere und hatte eine leise Vorahnung davon, welcher Ruhm ihm dieser Film einbringen würde. Doch von einer Kehrseite dessen ahnte er nichts. „Ich komme mit Ihnen!“, antwortete er und folgte dem Aufnahmeleiter auf dem Fuß. In der Garderobe angekommen, entledigte Patrick sich seiner Kleidung, die man ihm aus dem Fundus zur Verfügung gestellt hatte. Ein den fünfziger Jahren entsprechender Anzug nebst Trenchcoat, welcher ein wenig nach Mottenkugeln roch, hängte er ordentlich auf einen stummen Diener. Dann ging er in Jogginghose und Trägershirt gekleidet in die Maske, wo Estelle, die zuständige Maskenbildnerin schon auf ihn wartete. „Wie schön, Mr. Lockerty, dass Sie doch noch zu mir gefunden haben! Es war mir ein Vergnügen, auf Sie warten zu dürfen“, begrüßte Estelle den Jungschauspieler mit ironischem Unterton, der unkommentiert blieb. „Aber bitte! Nehmen Sie doch Platz!“, forderte sie Patrick schließlich auf, nachdem er aufgrund ihrer Ansage wortlos und schuldig dreinblickend an der Tür stehen geblieben war. „Danke, Miss Hockwind!“, entgegnete Patrick mit einer Schüchternheit, die Estelle ihm nicht abkaufte. „Ich komme gleich zu Ihnen!“, sagte sie, während sie im Nebenraum frische Handtücher holte. Estelle war eine schlanke junge Frau mit brünettem Pagenkopf, die ein starkes Selbstbewusstsein besaß und aufgrund ihrer exzellenten Fertigkeiten über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügte. Wenn es um ausgefallene Masken ging, insbesondere für Fantasyfilme, dann fiel bei der Suche nach einer befähigten Maskenbildnerin unweigerlich ihr Name. „Kommen Sie heute Abend auch ins „Busters“, Mr. Lockerty?“, fragte sie ihn während sie ihm ein Handtuch umlegte. „Aber sicher, Miss Hockwind!“, antwortete er und Estelles Herz machte einen Sprung; entsprach er doch genau ihrer Vorstellung von dem Traummann, der es fertigbringen würde, ihr schlaflose Nächte zu bereiten. „Das freut mich!“, fügte sie nur knapp hinzu, da sie fürchtete, er könnte sich auf ihr gezeigtes Interesse etwas einbilden. „Soweit kommt das noch!“, dachte Estelle und blieb in ihren Gedanken verhaftet. „Ich habe schon eine Menge dieser gutaussehenden Typen für ihre Rollen zurechtgemacht. Und es ist immer dieselbe Wandlung, die sie nach und nach vollziehen. Noch unbekannt, wirken sie oft schüchtern und unbeholfen. Und wenn sich ihr Erfolg einstellt, steigt ihnen dieser zu Kopf. Danach sind sie das, was der Ruhm folglich aus ihnen macht. Arrogant, selbstverliebt und überheblich! Und der hier bildet keine Ausnahme!“, redete sie sich ein, um sich selbst vor einem törichten Annäherungsversuch, der aus ihrer Sicht unstrittig zu ihrer vorgefassten Meinung führen würde, zu schützen. Dann machte sie sich daran, Patrick abzuschminken und ihm die Pomade aus den Haaren zu waschen....