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E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Maß Depressionen überwinden ohne Antidepressiva

Was Sie selbst gegen Ihre Depression tun können - und wie Psychotherapie hilft. Das Behandlungskonzept des Zentrums für Seelische Gesundheit Marienheide am Klinikum Oberberg
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-432-11896-3
Verlag: Enke
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Was Sie selbst gegen Ihre Depression tun können - und wie Psychotherapie hilft. Das Behandlungskonzept des Zentrums für Seelische Gesundheit Marienheide am Klinikum Oberberg

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-432-11896-3
Verlag: Enke
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ihr Weg aus der Depression

In Deutschland werden immer mehr Antidepressiva verschrieben – und das nicht nur bei Depression, sondern auch bei vielen anderen seelischen Störungen. Diese Praxis wird zunehmend von zahlreichen Gesundheitsexperten kritisiert. Denn der Nutzen von Antidepressiva ist fragwürdig und mit Risiken verbunden, während Betroffene oft lange auf einen Psychotherapieplatz warten müssen, obwohl Psychotherapie nachweislich wirksam ist.

Prof. Dr. Reinhard Maß, leitender Psychologe am Zentrum für Seelische Gesundheit Marienheide (ZSGM) am Klinikum Oberberg, rät aufgrund der aktuellen Forschungslage von der Verwendung von Antidepressiva dringend ab. Er behandelt auf seiner Psychotherapiestation seit Jahren schwer depressive Patienten und hat in mehreren Fachveröffentlichungen gezeigt, dass Antidepressiva dabei überflüssig sind. In diesem Buch

  • erläutert er, wie Depressionen entstehen,
  • klärt kritisch über Antidepressiva auf,
  • zeigt, was Sie selbst gegen Ihre Depression tun können,
  • stellt die Perspektive der Verhaltenstherapie vor und
  • beschreibt das stationäre Therapiekonzept am ZSGM und die hier durchgeführte Langzeitstudie.

Entscheiden Sie selbst, welchen Weg der Heilung Sie gehen wollen.

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2 Zwei Erklärungsansätze für Krankheiten


Über die Ursachen einer Depression wird bereits seit langer Zeit diskutiert, um nicht zu sagen gestritten. Um diese Diskussion zu verstehen, ist es zunächst erforderlich, zwei grundsätzlich unterschiedliche Erklärungsmodelle für Krankheiten zu betrachten, nämlich das biologische bzw. biomedizinische Modell einerseits und das psychosoziale Modell andererseits.

Das biomedizinische Erklärungsmodell betrachtet eine Krankheit als eine Abweichung von einem vorherigen Normalzustand (idealerweise ist das der Zustand der Gesundheit). Die Abweichung wird durch einen schädlichen biologischen, chemischen oder physikalischen Einfluss ausgelöst. Dabei kann es sich um eine Verletzung, eine Infektion, eine Vergiftung, einen Gendefekt o. Ä. handeln. Das Ziel einer biomedizinischen Behandlung (z. B. Operation, Medikamente) ist daher immer klar, sowohl für die Behandelnden als auch für die Kranken: Der vorherige Zustand soll so weit wie möglich wiederhergestellt werden, indem die Ursachen der Krankheit behoben oder zumindest deren Folgen gemindert werden.

Das psychosoziale Erklärungsmodell betrachtet die Krankheit als Folge von belastenden innerpsychischen und/oder äußeren (sozialen) Lebensbedingungen, meistens ist es eine Kombination verschiedener innerer oder äußerer Bedingungen. Ziel der psychosozialen Behandlung (z. B. Psychotherapie) ist daher nicht, den Ausgangszustand wiederherzustellen – denn genau hier liegen ja die Ursachen der Erkrankung –, sondern die krank machenden Bedingungen so zu verändern, dass die Symptome verschwinden können. Bei einer Psychotherapie geht es also grundsätzlich um Veränderung. Herauszufinden, was die psychosozialen Ursachen einer Störung sind, ist bereits Teil der Behandlung. Es sind immer die Patientinnen und Patienten, die das Ziel festlegen, und sie wissen am Anfang der Behandlung oft selbst noch nicht, was das Ziel ist oder welche Änderungen notwendig sind, um es zu erreichen.

Biomedizinische Krankheitsmodelle sind nicht besser oder schlechter als psychosoziale Krankheitsmodelle. (Beide Modelle können auch kombiniert werden. So ein »biopsychosoziales Erklärungsmodell« passt z. B. für Magengeschwüre, bei denen Stress, Rauchen, genetische Veranlagung und eine Bakterieninfektion als Ursachen angenommen werden. An dieser Stelle ist das aber nicht von Belang.) Entscheidend ist, welches Modell bei welcher Krankheit angewendet wird. So ergibt es wenig Sinn, nach psychosozialen Ursachen für einen Knochenbruch zu suchen oder diesen mit Psychotherapie behandeln zu wollen.

Die Frage, um die es hier geht, lautet: Welches Erklärungsmodell passt für Depression? Ist die Depression als seelische oder als körperliche Erkrankung zu betrachten? Die Antwort der Psychiatrie hängt eng mit ihrer Geschichte zusammen. Daher müssen wir einen Blick auf die wissenschaftshistorische Entwicklung dieses Faches werfen.

Die biomedizinische Wende der Psychiatrie


Man kann sich das heute nur noch schwer vorstellen, aber bis in die 1950er-Jahre hinein war die Psychiatrie ein ausgesprochen psychotherapeutisch ausgerichtetes Fach, dabei war die Psychoanalyse dominierend. In der Psychoanalyse werden seelische Störungen psychologisch erklärt und z. B. als Folge von unbewussten Konflikten und Angstabwehr betrachtet. Solche Prozesse sind mit wissenschaftlichen Methoden kaum nachweisbar.

Ohnehin stand die Psychoanalyse der empirischen Forschung traditionell eher fern. Hierbei werden wissenschaftliche Erkenntnisse durch Formulierung und Prüfung von Hypothesen mittels systematischer Beobachtungen, Messungen oder Experimenten gewonnen. Zugleich zeigte sich, dass die Anwendung psychoanalytischer Konzepte bei der Behandlung psychischer Störungen oft wenig erfolgreich war.

Daher wuchs bei der nachrückenden Generation von Psychiaterinnen und Psychiatern die Unzufriedenheit mit der einseitig psychoanalytischen Ausrichtung, und es entwickelte sich eine starke Gegenbewegung. Dabei hatten die 1972 veröffentlichten sogenannten »Feighner-Kriterien« ? [1] großen Einfluss, in denen unter anderem gefordert wurde, dass die Psychiatrie wieder zu einer im engeren Sinne ärztlichen Fachrichtung werden und sich auf die biologischen Ursachen seelischer Störungen konzentrieren sollte. Dieser Artikel hatte erheblichen Anteil an der biomedizinischen Neuausrichtung der Psychiatrie. Seelische Störungen sollten als körperliche Erkrankungen betrachtet und mit biomedizinischen Methoden behandelt werden.

Durch diesen grundlegenden Richtungswechsel ist die Psychiatrie heute überwiegend eine Biopsychiatrie geworden. Ab den 1950er-Jahren wurden Psychopharmaka entwickelt und auf den Markt gebracht, z. B. Chlorpromazin (für psychotische Erkrankungen), Benzodiazepine (bei Ängsten), Lithium (bei bipolaren Störungen). Die Beschreibungen erster, teilweise spektakulärer Behandlungserfolge gaben der »biomedizinischen Wende« in der Psychiatrie starken Auftrieb, und Psychopharmaka rückten in das Zentrum psychiatrischer Behandlungen.

Jedoch wurde damit auch eine fatale Fehlentwicklung eingeleitet. Der Einfluss der Pharmaindustrie wuchs im Laufe der Jahre, und spätestens seit den 1980er-Jahren ist die Psychiatrie, soweit es um den Einsatz von Psychopharmaka geht, weitgehend an den Profitinteressen der Pharmaindustrie ausgerichtet (siehe auch Kapitel ? »Wissenswertes über Antidepressiva«).

Depression aus biomedizinischer Sicht


Kommen wir nach diesem Exkurs zurück zur Depression. Aus biomedizinischer Sicht wird Depression ebenfalls als ein körperliches Problem betrachtet, das mit biomedizinischen Mitteln, vor allem mit Antidepressiva, zu behandeln ist. Die Pharmaindustrie hat daher ein großes Interesse an dem biomedizinischen Modell der Depression.

Das hat erhebliche Konsequenzen (siehe Kapitel ? »Wissenswertes über Antidepressiva«). Vor der biomedizinischen Wende wurde zwischen der »reaktiven Depression« und der »endogenen Depression« unterschieden. Während bei der reaktiven Depression innerpsychische oder soziale Ursachen angenommen wurden, betrachtete man die endogene Depression als körperliche Krankheit, die durch vermutete genetische Faktoren oder Hirnstoffwechselstörungen verursacht wird. Man nahm an, dass reaktive Depressionen viel häufiger als endogene Depressionen vorkommen.

Mit der biomedizinischen Wende in der Psychiatrie wurde diese Unterscheidung fallen gelassen. In der ICD-10 und anderen Klassifikationssystemen wird die Diskussion über die Ursachen umgangen, indem bei der Definition von Depression nur Symptome aufgelistet werden. Psychosoziale oder biomedizinische Ursachen werden weder gefordert noch ausgeschlossen. In der psychiatrischen Praxis führte das allerdings dazu, dass man heutzutage – meistens unausgesprochen – jede Depression als vollständig oder wenigstens teilweise endogen betrachtet, als eine Gehirnerkrankung. Folglich werden in der psychiatrischen Versorgung biomedizinische Behandlungsmethoden eingesetzt, vorzugsweise Antidepressiva; etwa so, wie Antihistaminika bei Juckreiz oder Antibiotika bei bakteriellen Infektionen verschrieben werden.

Aber wie stichhaltig sind die Argumente, Depression als endogen bzw. körperlich verursacht zu betrachten? Damit setzen wir uns in den anschließenden Kapiteln auseinander.

Zur Definition von Krankheiten

Krankheitskataloge wie die in ? Kapitel 1 erwähnte ICD sind in Psychiatrie und Psychotherapie von erheblicher Bedeutung. Neben der ICD hat das von der American Psychiatric Association herausgegebene Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) international großen Einfluss. In ICD und DSM werden Krankheiten allgemeingültig definiert.

Diese Definitionen sind keine Naturgesetze und können sich im Laufe der Zeit ändern. Änderungen in der Definition psychischer Störungen sind jedoch nur selten ein Ausdruck neuer Forschungsergebnisse. In der Psychiatrie werden Diagnosen sehr oft einfach per Abstimmung festgelegt. Es gibt Trends und »Modediagnosen«, die kaum wissenschaftliche Grundlagen haben. Häufig setzen sich Fachleute, die gerade viel Einfluss haben, mit ihrem speziellen Arbeitsthema durch.

Krankheiten werden immer neu katalogisiert

Zu Änderungen in den Krankheitskatalogen kommt es, wenn genügend Leute das so wollen. Eine wichtige Rolle für die Frage, was als »normal« bzw. »gesund« oder »abweichend« bzw. »krankhaft« betrachtet wird, spielen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Homosexualität etwa galt in der bis 1992 gültigen ICD-9 noch als psychische Störung. Der Grund für den Wegfall der Homosexualität in der ICD-10 ist, dass es seit den 1960er-Jahren in den westlichen Industrienationen zu einer Liberalisierung sexueller Normen gekommen ist. Die Einordnung der Homosexualität in der ICD-9 ist dadurch »aus der Mode gekommen«. Man wollte Homosexualität einfach nicht länger als Krankheit betrachteten (und das ist gut so).

Insgesamt gibt es jedoch eine starke Tendenz, dass die Anzahl der beschriebenen Krankheiten in jeder Auflage größer wird. ? [2] Dahinter stecken keine neuen Entdeckungen wie z. B. in der Zoologie, wenn eine neue Tierart gefunden und beschrieben wird. Großen Einfluss bei der Überarbeitung der Krankheitskataloge hat die Pharmaindustrie. Manchmal werden Krankheiten regelrecht erfunden und von den...


Prof. Dr. Reinhard Maß ist Leitender Psychologe am Zentrum für Seelische Gesundheit Marienheide (Klinikum Oberberg GmbH). Er ist Diplom-Psychologe (1986), Psychologischer Psychotherapeut mit Fachkunde in Verhaltenstherapie (Approbation 2003) und Sexualtherapeut (2005). Seit 2006 hat er eine Anerkennungsprofessur der Universität Hamburg. Sein aktueller wissenschaftlicher Arbeitsschwerpunkt ist die Erforschung der Änderungsprozesse bei der Psychotherapie von Depression und anderen emotionalen Störungen. Weitere Forschungsthemen: Psychodiagnostik, Neuropsychologie, Schizophrenie, Sexualität.



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