E-Book, Deutsch, Band 2, 224 Seiten
Reihe: Club
E-Book, Deutsch, Band 2, 224 Seiten
Reihe: Club
ISBN: 978-3-95576-910-9
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
USA-Today-Bestsellerautorin Nicola Marsh hat weltweit mehr als sieben Millionen Romane verkauft und diverse Preise wie den Romantic Times Reviewer's Choice Award gewonnen. Für Erwachsene schreibt sie aufregende Liebesromane, für Jugendliche spannende Geistergeschichten. In ihrer Freizeit liebt die frühere Physiotherapeutin gutes Essen, sich um ihre kleinen Helden zu kümmern und es sich mit einem guten Buch gemütlich zu machen.
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1. KAPITEL Abby Endlich geschieden! Eigentlich hätte das der glücklichste Tag meines bisherigen Lebens sein sollen. Dafür hatte ich auch schon einige Pläne geschmiedet: Zuerst wollte ich einen grandiosen Arbeitstag lang im Le Miel dieses wunderbare französische Gebäck herstellen, in das ich mich im Laufe des Jahres so verliebt hatte, und danach einen romantischen Abend in intimer Runde verbringen: nur mit einer Flasche Shiraz und mit Channing Tatum – meinem Lieblingsschauspieler. Besser kann man so einen Anlass doch nicht feiern, oder? Den ganzen Morgen hatte ich mir schon vorgestellt, wie ich mich den Aromen des samtigen Rotweins hingebe, während dieser heiße Filmstar über den Bildschirm flimmert. Kaum war ich eine Stunde in der Konditorei, wurden meine Träume allerdings brutal zunichtegemacht. Und zwar in dem Moment, als Remy King, der tollste Chef in ganz Australien, im Laden von der Leiter fiel … und schließlich hier landete: im Sydney Private Hospital. „Du brauchst nicht bei mir zu bleiben“, sagte er, und seine blauen Augen waren schmerzerfüllt – obwohl die Medikamente, die man ihm verabreicht hatte, einen ausgewachsenen Elefanten hätten umhauen können. „Fahr ruhig wieder zum Laden zurück.“ „Kein Problem, Makayla hat dort alles im Griff.“ Ich setzte mich vorsichtig zu ihm auf die Bettkante und griff nach seiner Hand. „Außerdem war ich schon längst fertig mit den Croissants, Beignets, Éclairs und Macarons, als du dich unbedingt an diesem akrobatischen Kunststück versuchen musstest. Sie braucht die Sachen nur noch zu servieren.“ Remy lächelte müde, dann verzog er das Gesicht. „Das war nicht meine Schuld, das lag an der Leiter.“ „Klar, die ist ganz von selbst über diesen Mehlhaufen auf dem Boden gerutscht.“ Ich verdrehte die Augen. „Wenn du nicht so ein toller Freund und Chef wärst … dann würde ich dir jetzt ordentlich die Meinung sagen – dafür, dass du dich so dämlich angestellt hast.“ „Und wenn du nicht mein bester Lehrling wärst, würde ich dich jetzt auf der Stelle rauswerfen für diese Dreistigkeit.“ Ich drückte seine Hand, denn ich war ihm so unendlich dankbar dafür, dass er mir eine Chance gegeben hatte, als ich so dringend Unterstützung brauchte. Dass ich meinen gefühlskalten, berechnenden Mann nach nur neun Monaten Ehe verlassen hatte, galt in der Familie Prendigast als unverzeihlich. Für meine Gründe hatten sich meine Eltern gar nicht erst interessiert. Sie hatten sich nur Sorgen um ihren ach so guten Ruf als eine der reichsten Familien in Sydney gemacht. Mit dem Ergebnis, dass sie mir jede finanzielle Unterstützung verweigert und die kalte Schulter gezeigt hatten, um mir eine Lektion zu erteilen. Dabei rechneten sie wohl fest damit, dass ich binnen einer Woche in ihrem am Wasser gelegenen Luxusanwesen aufschlagen würde. Tatsächlich habe ich mich jetzt ein Jahr lang nicht mehr dort blicken lassen. Trotz all ihrer Fehler vermisste ich meine Eltern. Und meine Freunde auch. Aber: Die Abigail Prendigast von damals, die perfekte Tochter, die in einer perfekten Welt lebte und immer alles richtig machte, gab es inzwischen nicht mehr. An diesem einen schicksalhaften Tag hatte ich sie hinter mir gelassen und ein neues Leben begonnen. „Was ist denn los?“ Remy musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. „Ist es wegen der Patisserie? Mach dir mal keine Sorgen, du musst dich jetzt nicht ganz allein um den Laden kümmern. Ich habe Tanner schon Bescheid gesagt, der unterstützt dich gern dabei, während ich hier wieder auf die Beine komme.“ Sofort verspürte ich eine innere Anspannung. Ich hatte Remys jüngeren Bruder zwar noch nicht persönlich kennengelernt, allerdings schon genug von ihm gehört, um mir eine ungefähre Meinung bilden zu können. Und die war nicht gerade gut. In meinen Augen war er ein Nichtsnutz. Ein reicher Nichtsnutz: Offenbar gehörten ihm ein paar Nachtclubs und Bars zwischen Sydney und Brisbane. Das brachte ihm wohl zig Millionen von Dollar ein, die er bevorzugt mit irgendwelchen Frauen auf seinen ständigen Weltreisen verprasste. Und trotzdem schien Remy ihn aus irgendwelchen Gründen zu vergöttern. Immer wenn Tanner mal wieder vom anderen Ende der Welt anrief, schwang echte Zuneigung in Remys Stimme mit. Na ja, dass der Typ trotz seines Playboy-Lebenswandels mit seinem Bruder in Verbindung blieb, musste man ihm wohl zugutehalten. Einmal, ganz kurz nur, hatte ich ihn auch gesehen, als Remy sich gerade mit ihm per Video Call unterhalten hatte: dunkles Haar, dunkle Augen, Dreitagebart. Ganz gut aussehend eigentlich, wenn man auf diesen Typ steht. Tja, und ich? Mir sind die unkomplizierten Männer lieber, also das Gegenteil von Bardley, meinem Ex. Und so finster, wie Tanner auf dem Bildschirm ausgesehen hatte, war er alles andere als unkompliziert. „Ach so, ich dachte, Tanner wäre gerade irgendwo im Ausland unterwegs“, bemerkte ich und klang dabei viel gelassener, als ich mich eigentlich fühlte. Dass mir ein wildfremder Mann, der eine Trüffelpraline nicht von einer Trockenpflaume unterscheiden konnte, bei der Arbeit über die Schulter sehen sollte, passte mir überhaupt nicht. Es war auch gar nicht nötig, schließlich hatte ich die Abläufe im Le Miel voll im Griff, da würde dieser jetsettende Backstubennovize nur im Weg sein. „Das ganz normale Tagesgeschäft kriege ich auch allein sehr gut hin.“ „Aber du kannst dich doch nicht um alles gleichzeitig kümmern.“ Ein besorgter Ausdruck huschte über Remys Gesicht, dann blinzelte er. „Tanner ist übrigens ein wirklich guter Geschäftsmann, der auch schon Restaurants geleitet hat. Mir wäre es lieb, wenn er vorübergehend die Verantwortung für das Le Miel übernimmt, in einem Monat bin ich ja wieder da.“ „In einem Monat?“, fragte ich. Es klang wie ein Aufschrei, und Remy lachte leise. „Tja, so lange dauert das wohl“, erwiderte Remy. „Ich habe mir den Knöchel und ein paar Rippen gebrochen. Je weniger ich mich bewege, desto schneller verheilt das wieder, meinte der Arzt.“ Er zwinkerte mir zu. „Wer hätte das gedacht?“ Verdammt. Das hätte ich mir denken können: dass er nicht auf Krücken durch den Laden humpeln konnte, weil er ja auch noch drei gebrochene Rippen hatte. Aber zuerst hatte es sich für mich so angehört, als würde ich mich höchstens eine Woche lang mit diesem Weltenbummler-Playboy arrangieren müssen. Und jetzt gleich einen ganzen Monat lang? Aber was dachte ich da eigentlich gerade für egoistisches Zeug, während mein Freund und Chef hier mit Schmerzen im Krankenhaus lag? Erneut drückte ich seine Hand. „Kümmere du dich erst mal darum, dass es dir besser geht, alles andere kriege ich schon hin.“ „Alles andere kriegen wir schon hin, meintest du wohl.“ Eine tiefe Stimme, genau hinter mir. Eine Stimme, die nach dunklen Bars klang, nach dunkler Schokolade und nach einer dunklen Seele, voll und samtig zugleich … und eine Spur unverschämt. Sofort war ich auf der Hut. Ich fuhr herum – und war Auge in Auge mit dem „Teufel“, von dem wir eben gesprochen hatten. Und was für Augen er hatte! Sie glänzten in einem faszinierend hellen Goldbraun. Aber was mich noch mehr aus der Fassung brachte als die Farbe, war die Art, wie mich dieser Mann ansah: als würde er mich am liebsten vernaschen wollen wie ein köstliches Éclair. Ich erschauerte, als sein hungriger Blick meine Hand fand, die immer noch auf Remys lag. „Ach, wie süß, ihr zwei“, bemerkte er, und mir stellten sich die Nackenhaare auf. „Störe ich etwa?“ Abrupt zog ich die Hand zurück. „Tanner, spinn hier nicht rum“, sagte Remy. „Das ist übrigens Abby, mein Lehrling. Und gleichzeitig die beste Konditorin außerhalb von Paris.“ „ Aber natürlich nicht so gut wie du.“ Tanner musterte mich eindringlich und brachte damit Stellen zum Kribbeln, die über ein Jahr lang kein Mann mehr berührt hatte. Und wie! „ Selbstverständlich nicht.“ Remy strahlte über das ganze Gesicht, offenbar bedeutete sein Bruder ihm viel. „Vielen, vielen Dank, dass du bei mir im Geschäft einspringst.“ „Sehr gern.“ Tanner kam näher, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht automatisch zurückzuweichen. Sein intensiver Blick war ja schon schlimm genug gewesen. Aber je näher er kam, desto bewusster wurde mir, wie groß er war: mindestens einsneunzig und dazu gut durchtrainiert. Wahrscheinlich war er täglich im Fitnessstudio. Oder er trieb irgendeine andere Art von … Sport. Verflucht, was ging mir da eigentlich gerade durch den Kopf? Das war jetzt schon das zweite Mal in einer Minute, dass ich ihn mit Sex in Verbindung gebracht hatte. Hatte ich etwa Entzugserscheinungen? Das konnte ich mir schlecht vorstellen: Seit der Trennung von Bardley hatte ich mit keinem Mann geschlafen und es auch nicht vermisst. Schließlich hatte ich genug damit zu tun gehabt, mir ein neues Leben aufzubauen. Ein Leben, das sich jetzt nicht mehr um High-Society-Anlässe, Dinner-Verabredungen mit wichtigen Klienten und Wochenenden auf Bardleys Jacht drehte, während ich parallel versucht hatte, mein Betriebswirtschaftsstudium abzuschließen. Das hatte ich nun auch noch abgebrochen. Dumm gelaufen. „Das ist für mich sogar der perfekte Zeitpunkt, bei dir einzuspringen“, wandte Tanner sich an seinen Bruder und lehnte sich dabei gegen das Bett. Er war so riesig, dass alles andere neben ihm auf einmal lächerlich klein wirkte. „Ich bin nämlich gerade auf der Suche nach...