Marsh | Hilflos - Von den Eltern vernachlässigt - vom Nachbarn missbraucht | E-Book | sack.de
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Marsh Hilflos - Von den Eltern vernachlässigt - vom Nachbarn missbraucht

Von den Eltern vernachlässigt - vom Nachbarn missbraucht
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-6347-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Von den Eltern vernachlässigt - vom Nachbarn missbraucht

E-Book, Deutsch, Band 3, 316 Seiten

Reihe: Erschütternde Erfahrungsberichte von Bestsellerautorin Toni Maguire

ISBN: 978-3-7325-6347-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'Meine kleine Dame' - so wurde Marianne noch nie genannt. In einem lieblosen und gewalttätigen Elternhaus aufgewachsen, findet die Achtjährige bei dem Mann von nebenan endlich die Geborgenheit, nach der sie sich immer gesehnt hat. Doch der Schein trügt, denn der Nachbar verfolgt einen Plan. Nach und nach erschleicht er sich Mariannes Vertrauen und drängt sich ihr immer wieder körperlich auf. Das kleine Mädchen ist gefangen in einem Tumult aus Angst, Hoffnung und emotionaler Abhängigkeit. Dem Missbrauch über Jahre hinweg hilflos ausgeliefert, wird Marianne mit 13 zum ersten Mal schwanger. Aus Angst und Scham verschweigt sie den Namen des Vaters und gibt ihre Tochter zur Adoption frei. Erst als sie drei Jahre später erneut ein Kind erwartet und ihr Vater sie vor Wut halbtot schlägt, wagt Marianne schließlich die Flucht ...

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Kapitel 3
Die Auseinandersetzungen zwischen meinen Eltern eskalierten. Auch ich bekam hin und wieder Knüffe und Schläge ab, und bald ließ mich schon der Klang der erhobenen Stimme meines Vaters vor Angst beben. Mitte der Fünfzigerjahre schossen in einigen Teilen von Essex Fabriken wie Pilze aus dem Boden. Dort wurden die unterschiedlichsten Produkte hergestellt – von Yardley Parfüm bis zu Personenwagen und Traktoren der Marke Ford –, und jedes Mal, wenn eine neue Fabrik ihre Tore öffnete, verdüsterte sich die Laune meines Vaters. Er bejammerte die Tatsache, dass nun Wohnsiedlungen die einst grünen landwirtschaftlichen Flächen bedeckten und die Farmarbeiter um ihre Arbeit brachten. Über die Fabrikarbeiter grinste er höhnisch und schimpfte über die Zahl glänzender neuer Autos, die ihn mit Dreck bespritzten, wenn er die Landstraßen entlangradelte. Die Besuche im Pub schienen seinen Groll noch anzustacheln, und er kam oft so angespannt wie eine Stahlfeder nach Hause. Der kleinste Anlass genügte, um seinen Jähzorn überschäumen zu lassen. Ob es sich nun um eine eingebildete Beleidigung im Pub handelte, ob er das Gefühl hatte, meine Mutter zeige nicht genügend Verständnis oder ob ich an dem Platz saß, wo er gerade sitzen wollte – jeder einzelne genügte für einen heftigen Anfall von Raserei. Bei diesen Gelegenheiten schien ihn die Fähigkeit, zusammenhängende Sätze zu bilden, abhanden gekommen zu sein. Nur mit Gebrüll und fliegenden Fäusten konnte er sich noch mitteilen. Sein Kopf wurde knallrot, seine Augen schweiften streitlustig durch den Raum und suchten nach etwas, woran er seine Wut auslassen konnte. Immer hoffte ich dann voller Angst, dass sein Blick nicht auf mich fallen würde. Oft lag ich zusammengerollt in einer Ecke und versuchte, mich so klein und unsichtbar zu machen wie irgend möglich. Wenn ich mit fest geschlossenen Augen in meinem Versteck kauerte oder vor Angst zitternd im Bett lag, hörte ich das Gebrüll und die Schreie und erkannte das Geräusch von Schlägen. Doch erst als ich vier Jahre alt war, sah ich zum ersten Mal tatsächlich mit eigenen Augen, wie mein Vater meine Mutter verprügelte. Das Abendessen war schon seit einer Stunde fertig, und sie hatte unsere Portionen bereits herausgeschöpft, als die Tür knallend gegen die Wand krachte. Mein Vater wankte mit zornrotem Kopf herein. Er beugte sich über den Tisch und stützte schwankend die Hände auf. Während er seine Wut hervorspie, schlug uns der saure Gestank seines Bieratems ins Gesicht. Sein unbändiger Zorn speiste sich aus der Verbitterung über die besser bezahlten Fabrikarbeiter, die seit Neuestem in seiner Stammkneipe einkehrten. »Diese verdammten Großmäuler! Was glauben die eigentlich, wer sie sind? Halten sich für etwas Besseres. Keine Ahnung von ehrlicher Arbeit und noch feucht hinter den Ohren. Verdammte kleine Stinker, glauben, sie wüssten alles besser. Wisst ihr, was sie gesagt haben?« Ich spürte, wie meine Mutter verzweifelt nach Worten suchte, mit denen sie ihn beruhigen konnte. Weil ihr jedoch nichts Passendes einfallen wollte, blieb sie lieber still. Hilflos sah sie ihn an, während die wuttriefenden Worte aus seinem zornverzerrten Mund quollen. Worte, die ich noch nicht verstand. Doch ich spürte den Hass und bebte vor Angst. »Sie haben sich für die neue Siedlung vormerken lassen, die bald gebaut wird. Wollen sich nun eigene Häuser kaufen. Sich etwas zu mieten, ist ihnen nicht mehr gut genug. Dabei sollte man meinen, es wäre schon genug, wenn sie in den blinkenden Blechkisten herumfahren. Die schauen auf uns herab. Auf uns! Dabei haben wir schon auf den Farmen geschuftet, als sie noch zur Schule gingen. Hypotheken nehmen sie auf, sagen sie. Schwachsinn. Ich nenne das Schulden. Das bricht ihnen das Genick. Die werden schon sehen, was sie davon haben.« Wenn er so über die Fabrikarbeiter herzog, brach seine ganze Frustration darüber, dass er selbst nichts erreicht hatte, aus ihm heraus. Er beschuldigte meine Mutter, ihn in die Falle gelockt und zum Heiraten gezwungen zu haben. Mir warf er vor, dass ich überhaupt da war. Wenn er nicht eine Arbeit tun müsste, die uns ein Dach über dem Kopf sicherte, meinte er, würde er nun vielleicht auch in einem nagelneuen Auto durch die Gegend kutschieren, anstatt sich auf dem Fahrrad abzustrampeln. Den Rücken an die Stuhllehne gedrückt, hörte ich das beschwichtigende Gemurmel meiner Mutter. Eilig wurde das Essen vor ihn hingestellt, frischer Tee wurde aufgebrüht und eingeschenkt, eine Scheibe Brot abgeschnitten und mit Butter bestrichen. Aber nichts konnte seinen Zorn mildern. Finster starrte er uns an, bevor er nach der Gabel griff und das Essen in sich hineinschaufelte. »Verdammt noch mal, Frau! Kannst du nie etwas anderes kochen als diesen scheußlichen Eintopf?«, schrie er nach dem ersten Bissen. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde den Teller vom Tisch fegen, wie er es schon oft getan hatte. Doch eine Art Selbsterhaltungstrieb – vielleicht das Wissen, dass ansonsten kaum etwas zu essen im Haus war – hielt ihn davon ab. Stattdessen mampfte er weiter und beschimpfte meine Mutter nach jedem Happen. Dann wurde er still. Seiner Gesichtsfarbe nach zu urteilen, hatte sich seine Wut allerdings nicht gelegt; er suchte nur nach einer weiteren Möglichkeit, meiner Mutter die Schuld an seiner tiefen Unzufriedenheit zuzuschieben. Am liebsten wäre ich aufgestanden, aber ich traute mich nicht, mich zu rühren. Auf keinen Fall wollte ich gerade jetzt seine Aufmerksamkeit auf mich lenken. Er kratzte den Teller aus, tunkte mit einem Stück Brotrinde auch noch den letzten Tropfen Brühe auf. Dann ließ er das Besteck fallen, schob den Teller weg und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Mit einem gehässigen Blick musterte er meine Mutter von oben bis unten. »Herrgott, wie du aussiehst! Kein Wunder, dass ich keine Lust habe, nach Hause zu kommen. Für dich muss sich ein Mann ja schämen. Dieses Haus ist ein Dreckloch. Glaubst du, hierher könnte man jemanden mitbringen? Meine alte Mutter hatte recht, als sie sagte, du wärest eine dreckige Kuh. Sie hat das Haus immer sauber gehalten, dabei musste sie vier Kinder großziehen. Aber dir, du faule Schlampe, dir ist alles egal.« Während er sie mit Beleidigungen überschüttete, verdunkelte sich seine Gesichtsfarbe weiter. Meine Mutter wand sich unter jedem seiner Worte wie unter einem Fausthieb, doch sie versuchte nicht, sich zu verteidigen. Plötzlich sprang mein Vater auf und stieß geräuschvoll den Stuhl fort. Meine Mutter musste geahnt haben, was als Nächstes passieren würde. Sie versuchte, zurückzuweichen, aber er war schneller. Es gelang ihr noch, die Hände vors Gesicht zu schlagen, und schon hagelte es Fausthiebe auf ihre Schultern und Arme. Tränen quollen zwischen ihren Fingern hindurch. Ich hörte sie vor Schmerzen leise stöhnen. Immer wieder flehte sie, er solle doch aufhören. Plötzlich ließ er die Fäuste sinken. »Ach, es ist Zeitverschwendung, dich zu schlagen. Du lernst es ja doch nicht. Schau dich doch an, Frau. Du bist ein Wrack.« Diesmal hob er die Hand nur, um ihr den Finger mit aller Macht in die Brust zu bohren. »Sieh dir bloß deinen verdammten Unterrock an.« Die verächtlichen Worte lenkten meinen Blick auf den Rock meiner Mutter, und ich bemerkte, dass ihr Unterrock eine Handbreit unter dem Rocksaum hervorhing. Das Lächeln, das plötzlich auf dem Gesicht meines Vaters erschien, machte mir mehr Angst als zuvor sein düsterer Blick. Er rückte so nahe an meine Mutter heran, dass sie bis zur Wand zurücktaumelte. Die Angst ließ alle Farbe aus ihrem Gesicht weichen. Ich hörte, wie sie versuchte, seinen Namen zu sagen, hörte seinen schweren Atem. Dann sah ich, wie er seine Hand in die Tasche schob und ein Feuerzeug hervorholte. Eine schnelle Daumenbewegung, und die Flamme flackerte auf. Bevor meine Mutter auch nur ahnte, was er vorhatte, beugte er sich zu meinem Entsetzen hinab und hielt das Feuerzeug an den Spitzensaum des Unterrocks. Mit der anderen Hand drückte er gegen den Bauch meiner Mutter, sodass sie sich nicht bewegen konnte. »Nicht!«, schrie sie. »Bitte lass mich in Ruhe.« Sie versuchte, ihn wegzustoßen, doch er drängte sie nur lachend an die Wand. Die Angst ließ mich von meinem Stuhl springen, und ich tat, was ich sie hatte tun sehen, wenn ein Funke aus dem Feuer auf die Kleider sprang, die vor dem Kamin trockneten. Ich griff nach einer alten Zeitung, drängte mich zwischen meine Eltern und schlug auf die kleine Flamme ein, die bereits am Unterrock meiner Mutter züngelte. Glucksend trat mein Vater beiseite. Meine Mutter stürzte zum Spülbecken und ließ Wasser über ihren Rock laufen. Einen Moment lang vergaß ich, wie viel Angst ich vor ihm hatte. »Du bist böse. Du bist ein böser, böser, gemeiner Mann, Daddy!«, schrie ich und blickte auf in sein überraschtes Gesicht. »Was glaubst du eigentlich, mit wem du sprichst?«, brüllte er mich an. »Erlaube dir bloß keine Dreistigkeiten, du unverschämter Balg. Ab ins Bett mit dir! Hörst du?« Seine Hand krachte auf meinen Hinterkopf. Vor meinen Augen tanzten schwarze Flecken, und ich fiel fast um vor Schreck über die Wucht des Schlages. Doch ein Anflug von Selbstachtung hielt mich auf den Beinen, ließ mich aufrecht aus dem Zimmer staksen und die Treppe hinaufsteigen. Die Tränen hielt ich zurück, bis ich allein war. Von nun an schienen sich die Streitereien oft über Tage hinzuziehen, und mein winziges Zimmer wurde mein Zufluchtsort. Dort konnte ich mich unter dem Bettzeug, einem Berg alter Mäntel und...



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