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E-Book, Deutsch, 1798 Seiten

Mann Heinrich Mann - Alle Novellen

Gesamtausgabe aller 74 Novellen

E-Book, Deutsch, 1798 Seiten

ISBN: 978-3-7534-9158-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sammelband mit allen 74 Novellen · Apart · Eine alte Jungfer · Beppo als Trauzeuge · Der Geburtstag der Frau Baronin · Eine pessimistische Katzengeschichte · Beweise · Mondnachtphantasien · Tilli · Großmutter · Haltlos · Vor einer Photographie · Eine Erinnerung · Der Löwe · Auf Reisen · Irrtum · Ist sie's? · Der Hund · Contessina · Das Wunderbare · Zwei Neujahrsnächte · Das gestohlene Dokument · Die Gemme · Eine wohltätige Frau · Enttäuschung · Geschichten aus Rocca de' Fichi · Das Stelldichein · Die Königin von Zypern · Ein Verbrechen · Doktor Biebers Versuchung · Das Gute im Menschen · Ein Gang vors Tor · Schwester Leandra · Liebesspiele · Pippo Spano · Die Puppen der Prinzessin · Fulvia · Drei-Minuten-Roman · Schauspielerin · Der Unbekannte · Ginevra degli Amieri · Jungfrauen · Heldin · Abdankung · Ehrenhandel · Alt · Mnais · Die Branzilla · Liebesprobe · Gretchen · Der Tyrann · Die arme Tonietta · Das Herz · Die Unschuldige · Auferstehung · Die Rückkehr vom Hades · Die Verräter · Die Ehrgeizige · Die Tote · Der Bruder · Der Vater · Römische Chronik · Der Mörder · Der Jüngling · Szene · Sterny · Die roten Schuhe · Kobes · Der Gläubiger · Die beiden Gefahren · Liliane und Paul · Felicitas · Suturp · Das Kind · Eine Liebesgeschichte

Heinrich Mann lebte von 1871 bis 1950 und war ein deutscher Schriftsteller.
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zaroni, inbrünstig zu beten scheint, so ist auf das »scheint« ein besonderer Nachdruck zu legen, denn in Wahrheit verursacht eifriges Tabakkauen jene Bewegung seines nicht eben kleinen Mundes, welche man wohl so auslegen könnte, als murmele er Gebete für seine und seiner Mitmenschen Seele. Des Alltags genügt es dem frommen alten Lazzaroni, vor dem Tor des Heiligtums zu sitzen, sonntags aber jedoch hält es ihn nicht mehr draußen, er schleppt sich die Stufen empor – Beppo zeichnet sich nämlich vor den vielen Lahmen Neapels dadurch aus, daß er wirklich auf einem Fuße hinkt – und verrichtet in der Kathedrale aufs eifrigste seine Andachtsübungen. Doch auch hier müssen wir leider gestehen, daß der heuchlerische Greis nicht in dem Maße seinen Christenpflichten genügt, wie es den Anschein hat, denn seine kleinen, stechenden Augen schweifen unter den buschigen Augbrauen in der ganzen Kirche umher, während über seine wettergebräunten Züge hie und da ein inniges Lächeln der Befriedigung gleitet. Der alte Sünder verfolgt hier auf geweihtem Boden seine kleinen, sehr profanen Nebengeschäfte, welche darin bestehen, Liebschaften zu vermitteln, und eben jetzt schaut er umher mit dem erhebenden Gefühl, an seinem Teile beigetragen zu haben zu den Annäherungen, die hie und da stattfinden, zu den Worten oder Blicken, die bald schüchterner, bald kühner gewechselt werden. Bei dem innigen Vergnügen, welches der alte Beppo daran hat, zarte Rosenketten zu schmieden, muß es uns wundernehmen, daß er seine Enkelin Marietta nicht schon längst unter die Haube gebracht hat. Daß ihm dies jedoch sein eigenes Interesse verbietet, werden wir sofort sehen, wenn wir Beppo, dessen Andacht beendet ist, an seinen gewöhnlichen Platz zurückbegleiten und darauf unsere Blicke nach der anderen Seite der großen Kirchenpforte richten, wo ein junges Mädchen hinter einem Tischchen steht, das mit Blumen und Kränzen bedeckt ist. Marietta ist ein reizendes Kind von siebzehn Jahren, mit einem Paar großer dunkler Augen, dunklem Teint und einem dicken, rabenschwarzen Zopf, eine echte Neapolitanerin. Sie ist ganz ohne Zweifel das schönste Blumenmädchen Neapels und vom Morgen bis zum Abend von jungen und alten Herrn umlagert, welche jedoch Beppo während seiner scheinbaren Gebetübungen aufs genaueste und eifersüchtigste mustert. Sein ganz besonderes Augenmerk hat der Alte in den letzten Tagen auf einen jungen Fremden gerichtet, der sich dem schönen Blumenmädchen in auffallender Weise genähert. Beppo beehrt jeden, der auch nur im entferntesten die Absicht zeigt, ihn seiner Enkelin, seines Kleinods, zu berauben, mit seinem innigsten Hasse. So ist es natürlich, daß jener fremde junge Herr den tiefsten Unwillen des alten Lazzaroni erregt hat. Heute erblickt Beppo denselben jedoch nicht unter den zahlreichen Flaneurs, welche der schönen Marietta unter vielen Komplimenten und mehr oder weniger faden Schmeicheleien kolossale Mengen von Blumen abkaufen, und schon wendet er das Auge befriedigt ab, da sieht er den Gesuchten gerade vor sich stehen. Ohne ein Wort zu sagen, spuckt der Alte kräftig aus. »Guten Morgen, alter Beppo!« beginnt der junge Mann. Beppo schweigt. »Wie geht es Euch, Beppo?« Beppo schweigt. »Ein sehr schöner Morgen, nicht?« Zugleich reicht der Fremde dem Alten die Hand, vermutlich jedoch nicht die leere Hand, denn dieser Händedruck übt eine merkwürdige Wirkung auf Beppo aus. »Ein sehr schöner Morgen«, entgegnet er freundlich grinsend. »Beppo, ich möchte mich verheiraten, und Ihr müßt mir behilflich sein.« Das Grinsen auf dem Gesicht des Alten wird noch freundlicher. Der Gedanke, in diesem Falle den lästigen Anbeter seiner Enkelin für immer loszuwerden, erfreut sein Herz. »Ich stehe Ihnen ganz zu Diensten, Signor«, sagt er höflich. »Sie wollen sich ganz in der Stille trauen lassen und brauchen einen Zeugen, nicht, Signor, es ist so?« »So ist es, Beppo.« »Ja, ja, der Beppo kennt das«, murmelt der Alte vor sich hin. »Wann soll die Geschichte vor sich gehen, Signor?« »Ich denke, heute abend.« »Und wo?« »Hier in San Domenico.« »Ganz wohl, Signor.« »Aber man darf uns nicht kennen, und Ihr, Beppo, seid eine so bekannte Persönlichkeit hier.« Der Alte grinst geschmeichelt. »So werde ich mich maskieren.« »Das wird nicht wohl gehen. Aber ich will Euch etwas sagen, alter Beppo; ich schicke Euch Frauenkleider, die Ihr anziehen sollt. Ein dichter Schleier wird ein übriges tun, um Euch unkenntlich zu machen.« »Das ist ein guter Gedanke, Signor; ich erwarte die Kleider im Laufe des Tages.« »Und heute abends um neun Uhr haltet Ihr Euch bereit; ich werde Euch in der Nähe Eures Hauses erwarten. Und nun addio, Beppo.« »Addio, Signor.« Wenn der heiratslustige junge Herr die Wohnstätte des alten Beppo »Haus« nannte, so ist dies ein höchst optimistischer Ausdruck, denn wenn wir dem alten Lazzaroni, der sich eben auf den Heimweg begibt, durch ein Gewimmel von engen, winkligen Gäßchen folgen, so stehen wir bald vor einer kleinen Baracke, welche die Ehre hat, von Signor Beppo und seiner schönen Enkelin bewohnt zu werden. Letztere steht in der niedrigen Türe und erwartet, das hübsche, dunkle Köpfchen an den Pfosten gelehnt, den Großvater. Es scheint jedoch, als ob der alte Beppo nicht der einzige ist, nach dem die schöne Marietta ausschaut, denn nachdem der Großvater sich in dem Stübchen, welches ihm selbst als Schlafzimmer, zugleich aber als gemeinsames Wohnzimmer dient, zu einem kleinen Nachmittagsschlaf niedergelegt hat, blickt das Mädchen aufmerksam auf den Eingang der schmalen Gasse, wo sich jetzt eben ein Mann zeigt, der ein ziemlich umfangreiches Paket trägt und sich eilig dem Hause des alten Beppo nähert. Marietta, welche ihm einige Schritte entgegengegangen ist, ergreift hastig das Paket und hüpft dann eilfertig ins Haus zurück, wo sie sich sofort ans Öffnen des Bündels macht, ein Geschäft, welches sie mit so unglaublicher Schnelligkeit verrichtet, daß wir unmöglich ihre einzelnen Bewegungen genau unterscheiden und somit auch nicht mit völliger Sicherheit sagen können, ob sie nicht einen Teil der in dem Pakete befindlichen Sachen heimlicherweise unter die Schürze geschoben; wenigstens errötet sie heftig, als sich jetzt der Großvater auf seinem Bette aufrichtet, und verläßt eilig das Zimmer. Der alte Beppo wirft indes nur einen matten Blick auf das geöffnete Paket, murmelt vor sich hin: »Es sind die Kleider, nicht, Marietta?« und sinkt darauf ohne eine Antwort abzuwarten, zurück, um sogleich wieder einzuschlafen. ·     ·     · Es gibt in der Welt angenehmere Aufenthaltsorte als so ein Gewirr von kleinen, engen neapolitanischen Gäßchen mit Häusern, deren obere Stockwerke weit vorstehen und so den Weg schon bei Tage arg verdunkeln, abends jedoch kaum einen einzigen blassen Mondstrahl einlassen und dadurch für allerlei lichtscheues Gesindel herrliche Schlupfwinkel bilden. Unterziehen wir uns jedoch dennoch in schon vorgerückter Stunde – es hat bereits von allen Kirchen Neapels neun Uhr geschlagen – dem Wagnis, solch ein unheimliches Stadtviertel zu betreten, so bemerken wir nahe dem Häuschen des alten Beppo den schwachen Schimmer einer Blendlaterne, welche von einer Person getragen wird, die wohl imstande ist, besonders in solcher Umgebung, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Die Person, welche weibliche, ziemlich abgenutzte Kleidung trägt, hat das Gesicht mit einem Schleier verhüllt und außerdem den Kopf mit einem Tuche umwunden, sowie auch die etwas eingefallene Brust mit einem Schal umhüllt, dessen Enden über den keineswegs eingefallenen, sondern im Gegenteil recht rundlichen Leib herabfallen. Die Person macht große hahnenartige Schritte, wobei jedoch ihr rechter Fuß etwas nachschleift. Ihre langen und dürren Arme fuchteln kreuz und quer in der Luft umher, weshalb sich das Licht der Blendlaterne blitzartig hin und her bewegt und aus diesem Grunde um so leichter von einem Menschen, der eben um die nächste Ecke biegt, bemerkt wird. Da dieser sich eilig dem alten Beppo – wir haben in jener seltsamen Figur längst den braven Lazzaroni erkannt – nähert, so bemerken wir bei dem Scheine der Laterne, daß er eine saubere herrschaftliche Livree trägt. Der Bediente ergreift Beppos Arm und zieht den Alten mit sich fort durch mehrere Gäßchen, bis sie einen freien Platz erreichen, auf welchem eine Equipage hält. Der Begleiter Beppos reißt den Schlag auf, ist dem Alten beim Einsteigen behilflich, schwingt sich selbst auf den Bock, und der leichte Wagen saust davon. Nach einer Viertelstunde, während welcher Beppo in dem dunklen Wagen schweigend einem Herrn und einer Dame gegenübergesessen hat, hält der Wagen vor der Kathedrale. Während man die Stufen emporsteigt, kann Beppo, da hier die Straßenbeleuchtung nichts zu wünschen übrigläßt, deutlich den heiratslustigen jungen Herrn erkennen, der eine sehr elegant gekleidete, dichtverschleierte Dame am Arme führt. Zu näheren Betrachtungen wird jedoch dem Alten keine Zeit gelassen, denn kaum hat man die Kirche betreten, so wird er von einem langen, hageren Priester in eine dunkle Seitenkapelle gedrängt, deren Tür sofort hinter ihm geschlossen wird. Da Beppo, was den Aberglauben anbetrifft, völlig auf der Höhe eines echten Neapolitaners steht, so ist es ihm durchaus nicht angenehm, lange in einer völlig dunkeln Kapelle zu verweilen, und er ist hocherfreut, als nach einiger Zeit die Tür geöffnet und er von einem Kirchendiener heraus- und zum Hochaltar geführt wird. Hier scheint...


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