E-Book, Deutsch, 449 Seiten
Maier Die Bekehrung der Welt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-406-77444-7
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine Geschichte der christlichen Mission in der Neuzeit
E-Book, Deutsch, 449 Seiten
ISBN: 978-3-406-77444-7
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
'Machet zu Jüngern alle Völker!' Das Zeitalter der Entdeckungen und Eroberungen bescherte dem 'Missionsbefehl' Jesu eine völlig neue Schubkraft. Der Religionshistoriker Bernhard Maier beschreibt eindrucksvoll, wie christliche Missionare von der spanischen Conquista über die Zeit der Kolonialreiche bis zur Entkolonialisierung Kulturen und Religionen auf der ganzen Welt transformierten – und nicht zuletzt auch das Christentum selbst. Seine souveräne Geschichte der weltweiten Mission bietet einen einzigartigen Schlüssel, um die Globalisierung der Kulturen in der Neuzeit besser zu verstehen.
Im Frühjahr 1493 bestätigte Papst Alexander VI. das Anrecht der spanischen Könige auf die neuentdeckten Gebiete jenseits des Atlantiks, wenn sie deren Missionierung betrieben. Damit war ein Grundmuster vorgegeben. Bernhard Maier zeigt, wie Missionare die Unterwerfung der Welt moralisch flankierten, doch dabei bald an Grenzen stießen. Erzwungene Bekehrungen waren selten nachhaltig. Man musste die Sprachen der Heiden erlernen, die Frohe Botschaft übersetzen, Mythen und Rituale christlich deuten, Schulen gründen, medizinische Versorgung bieten, ja, wenn nötig die anvertrauten Völker paternalistisch auch gegen die eigene Kolonialmacht in Schutz nehmen. So änderten sich mit der Mission auch die Religionen in den Missionsgebieten, die christliche Muster übernahmen und teils selbst missionarisch wurden, während viele Missionare einen neuen Sinn für Spiritualität und Ganzheitlichkeit mit nach Hause brachten. Mit diesem anschaulich geschriebenen Buch liegt erstmals eine Gesamtdarstellung der neuzeitlichen Mission auf dem aktuellen Forschungsstand vor.
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1 Katholische Mission
am Beginn der Globalisierung
Die Karibik und Lateinamerika
von der Entdeckung durch Kolumbus
bis zum Niedergang des spanischen Kolonialreichs Obwohl wir Missionspatres unter soviel Tausenden von Menschen, will sagen Indianern leben, befinden wir uns in der Thebais [d.h. Wüste]. Hier gibt es nahezu keinen religiösen Gedankenaustausch, größte Einsamkeit, immerwährendes Stillschweigen, wenige, seltene und verspätete Nachrichten über Eure Angelegenheiten. Wir sind der Welt entrückt und für sie wie tot, mit ungeheuren Mühen und dauernden Sorgen belastet. Der Jesuit Anton Sepp, 1714[1] Mit dem Anbruch des Zeitalters der Entdeckungen rückten in rascher Folge die Inseln der Karibik, Amerika, Indien und Ostasien in das Blickfeld der europäischen Mächte und der christlichen Kirchen. Doch während sich das Christentum auf den Inseln der Karibik und in Amerika auf Dauer als Mehrheitsreligion etablieren konnte, blieb sein Einfluss in Indien, Japan und China lange Zeit eng begrenzt. Im Osten Nordamerikas waren Missionare unterschiedlicher Konfessionen aus England, Schottland, Frankreich und verschiedenen mitteleuropäischen Ländern tätig. Sie konnten vielfach auf Erfahrungen aufbauen, die man zuvor in Mittel-, Süd- und Nordwestamerika gewonnen hatte, wo die Gründung eines weitgespannten spanischen Kolonialreichs zusammen mit einer ausgedehnten katholischen Mission unter spanischer bzw. portugiesischer Führung erfolgt war. So erscheint es zweckmäßig, eine Geschichte der christlichen Mission in der Neuzeit mit dem Blick auf die Missionierung der Karibik und Lateinamerikas zu beginnen. Von der Eroberung bis zur Entkolonisierung
Die Geschichte des spanischen Kolonialreichs in der – schon im frühen sechzehnten Jahrhundert so genannten – Neuen Welt begann im Oktober 1492 mit der Inbesitznahme einer Insel der Bahamas durch Kolumbus. Sie endete im Dezember 1898 mit der Unterzeichnung des Pariser Friedens am Ende des Spanisch-Amerikanischen Krieges. In der Folge musste Spanien Puerto Rico, Guam und die Philippinen an die Vereinigten Staaten abtreten und Kuba in die Unabhängigkeit entlassen, nachdem sich im Anschluss an die Napoleonischen Kriege bereits viele andere Regionen der Karibik sowie Süd- und Mittelamerikas vom spanischen Mutterland losgesagt hatten. Um die Entstehung, den Verlauf und die Folgen der christlichen Mission in all diesen Ländern zu verstehen, gilt es zunächst die Geschichte ihrer Eroberung und sodann den Anteil staatlicher und kirchlicher Organe an ihrer Verwaltung und Ausbeutung ins Auge zu fassen. Den Ausgangspunkt der spanischen Kolonisierung Lateinamerikas bildete die Karibik. Auf der nach Kuba zweitgrößten Insel Hispaniola – heute aufgeteilt zwischen Haiti im Westen und der Dominikanischen Republik im Osten – entstand bereits 1493 die erste spanische Ansiedlung. Ihr folgten bis 1530 weitere Siedlungen auf den Inseln Puerto Rico, Jamaica, Kuba und Trinidad. Danach verlagerte sich der Schwerpunkt des spanischen Interesses zunehmend auf das mittel- und südamerikanische Festland. Dies führte seit dem späten sechzehnten Jahrhundert zu einer wachsenden Einflussnahme Englands, Frankreichs und später auch der Niederlande in der Karibik, was sich einerseits in der Eroberung und Kolonisierung einzelner Inseln, andererseits in den Aktivitäten vor allem englischer und französischer Freibeuter niederschlug. Die spanische Eroberung des mittelamerikanischen Festlands begann im April 1519 mit der Landung einer von Hernán Cortés geführten Truppe in der Nähe der heutigen Stadt Veracruz am Golf von Mexico. Indem er geschickte Bündnisse mit jenen Teilen der einheimischen Bevölkerung schloss, die den zentralmexikanischen Azteken tributpflichtig waren oder aber mit ihnen rivalisierten, konnte Cortés das Aztekenreich innerhalb von kaum mehr als zwei Jahren vollständig in Besitz nehmen. Als sehr viel langwieriger erwies sich jedoch die Unterwerfung der daran angrenzenden Gebiete. Zwischen 1522 und 1530 eroberten die Spanier das Reich der auch als Purépecha bezeichneten Tarasken mit der Hauptstadt Tzintzuntzan im Nordwesten des Aztekenreichs. Noch weiter nördlich lag eine von den Spaniern als La Gran Chichimeca bezeichnete Region mit reichen Silbervorkommen, deren nomadische und halbnomadische Bewohner den Eindringlingen erbitterten Widerstand leisteten. Von 1550 bis 1590 führte Spanien dort die ebenso verlustreichen wie kostspieligen Chichimekenkriege, die erst durch den spanischen Verzicht auf eine kurzfristige Unterwerfung der Bevölkerung und umfangreiche Maßnahmen zu ihrer allmählichen Assimilation beendet werden konnten. Noch länger dauerte die Eroberung der Halbinsel Yucatán südöstlich des Aztekenreichs, die erst gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts ihren Abschluss fand. Auch Nordamerika westlich des Mississippi wurde von den Spaniern teilweise erst im Laufe des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts erschlossen und ihrem Kolonialgebiet einverleibt. Mit der Ankunft Francisco Pizarros und seiner Truppe begann 1532 die Eroberung des Inkareichs in Peru, die 1572 mit der Hinrichtung des letzten Inka-Herrschers Túpac Amaru endete. In diesen Zeitraum fällt auch die Inbesitznahme weiterer Regionen in Südamerika, die teils vom Boden des ehemaligen Inkareichs und teils von der Ostküste Südamerikas aus durchgeführt wurde. Schon 1516 hatten spanische Seefahrer den Río de la Plata erkundet und 1527 in dieser Region einen Stützpunkt angelegt. 1536 und 1537 folgte die Gründung der Städte Buenos Aires und Asunción. In den darauffolgenden Jahren unternahmen die Spanier auch Expeditionen in den goldreichen Norden Südamerikas, das heutige Kolumbien, legten dort befestigte Stützpunkte an und unterwarfen die einheimische Bevölkerung der Musca und Chibcha. Die Anfänge der Verwaltung des spanischen Kolonialreichs gehen auf Königin Isabella von Kastilien und ihren Hofkaplan und Berater Juan Rodríguez de Fonseca zurück. Auf ihr Betreiben hin entstand bereits 1503 in Sevilla eine Casa de Contratación oder «Handelshaus» genannte Behörde. In deren Händen lag die Genehmigung, Finanzierung und Überwachung des gesamten Verkehrs und Handels mit den neuerworbenen überseeischen Gebieten sowie die Eintreibung der daraus resultierenden Steuern und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. 1524, im Gefolge der Eroberung des Aztekenreichs, verfügte Kaiser Karl V. dann nach dem Vorbild des Kastilischen Kronrats die Einrichtung eines nur dem Monarchen selbst verantwortlichen «Königlichen Obersten Indienrats» (Real y Supremo Consejo de las Indias). Besetzt mit Juristen und anderen vom Monarchen berufenen Fachleuten, diente der Indienrat unter der Leitung seines Präsidenten als oberstes Beratungs- und Verwaltungsgremium wie auch als oberstes Berufungsgericht für das gesamte spanische Kolonialgebiet in der Karibik, Amerika und auf den Philippinen. Als territoriale Verwaltungseinheiten entstanden 1535 das Vizekönigreich Neuspanien mit der Hauptstadt Mexiko-Stadt sowie 1542 das Vizekönigreich Peru mit der Hauptstadt Lima. Zum Vizekönigreich Neuspanien gehörten neben den spanischen Besitzungen in Mittelamerika und Venezuela auch die Philippinen sowie die Gebiete in der Karibik und im westlichen Nordamerika. Dagegen umfasste das Vizekönigreich Peru die spanischen Besitzungen in Südamerika (außer Venezuela). Beide Vizekönigreiche waren in Provinzen eingeteilt, deren Gouverneure dem jeweiligen Vizekönig unterstanden. Tiefgreifende Veränderungen erfuhren die spanischen Kolonien im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts, als nach dem Tod Karls II., des letzten spanischen Habsburgers, die Herrschaft auf den Bourbonen Philipp von Anjou, einen Enkel Ludwigs XIV., überging. Ursache dafür waren die Bourbonischen Reformen, mit denen Philipp V. und seine Nachfolger nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges dem politischen und wirtschaftlichen Niedergang ihres Reiches gegenzusteuern suchten. So entstand 1739 aus Teilen der bisherigen Vizekönigreiche Neuspanien und Peru als neue Verwaltungseinheit das Vizekönigreich Neugranada mit der Hauptstadt Bogotá, wovon sich Spanien einen wirksameren Schutz der Schifffahrtswege in der Karibik erhoffte. 1776 verkleinerte man das Vizekönigreich Peru dann ein zweites Mal, um mit der Gründung eines vierten Vizekönigreichs Río de la Plata den Einfluss der Portugiesen in Brasilien zurückzudrängen. Hand in Hand mit dieser territorialen Neuordnung ging eine Reform der regionalen Verwaltung, in der nach französischem Vorbild unmittelbar vom König ernannte Intendanten...