Mack | Zwischen Offenheit und Abschottung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Mack Zwischen Offenheit und Abschottung

Wie die Politik zurück in die Mitte findet
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-451-81317-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie die Politik zurück in die Mitte findet

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-451-81317-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Parteiensystem in Deutschland und Europa ist massiv im Umbruch. Der gesellschaftliche Konflikt um kulturell-identitäre Themen bestimmt den Ausgang von Wahlen. Wenn sich die klassischen demokratischen Parteien in Deutschland nicht wie viele ihrer europäischen Schwesterparteien atomisieren lassen wollen, müssen sie ihre Positionen im Feld der Identität überdenken und Maßnahmen ergreifen, um die Rechtsetzung und die Kommunikation darüber zu verbessern. Noch steht hierfür ein schmales Gelegenheitsfenster offen. Wilfried Mack plädiert für einen neuen Gesellschaftsvertrag, der einen vernünftigen Ausgleich zwischen Offenheit und Abschottung schafft.

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Winfried Mack MdL

Identitätsprobleme treiben die Menschen um
Bewegung in der politischen Landschaft
Die politische Landschaft in Deutschland und Europa ist in Bewegung. Populistische und radikale Kräfte legen zu, demokratische Parteien der Mitte verlieren an Unterstützung. Regierungsbildungen dauern immer länger und werden immer schwieriger. In Belgien waren es ganze 550 Tage und auch in Deutschland hat es ein halbes Jahr gedauert, bis sich schließlich die neue Regierung gebildet hatte. In den 16 deutschen Ländern gibt es mittlerweile 13 unterschiedliche Regierungskonstellationen. Im Bundesrat gibt es keinerlei klare Mehrheiten mehr; auch die »Große Koalition« ist weit weg von einer Mehrheit in der bundesdeutschen Länderkammer: Die von Bündnis 90/Die Grünen mitregierten Länder haben eine Verhinderungsmehrheit. Eine Beobachtung in Bezug auf die europäischen Volksparteien gibt insbesondere Anlass zur Sorge: Sie werden zunehmend marginalisiert oder verschwinden gar ganz von der Bildfläche. Die Democrazia Cristiana (DC) in Italien gibt es schon lange nicht mehr. Die Partido Democratico (PD), in der sich 2007 Christdemokraten, Sozialdemokraten und Linksliberale zusammengeschlossen hatten, kam bei den Wahlen in Italien im März 2018 nur noch auf 18 Prozent. In Belgien, den Niederlanden, Tschechien oder beispielsweise auch in Slowenien haben Christdemokraten und Sozialdemokraten jeweils weniger als 15 Prozent. So schwindet die Mitte dahin. Auf der anderen Seite treten neue oder völlig veränderte politische Kräfte mit beachtlichem Erfolg auf die Bühne. Oft sind das »Hybridparteien«, also politische Formationen, die halb Bewegung und halb Partei sind. Beispiele sind die »En Marche«-Bewegung von Emmanuel Macron in Frankreich, »MoVimento 5 Stelle« von Beppe Grillo in Italien oder das »Momentum«-Bündnis von Jeremy Corbyn in Großbritannien. Sebastian Kurz, österreichischer Bundeskanzler, sagte ganz in diesem Sinne über die ÖVP: »Wir haben die Volkspartei übernommen mit dem Ziel, eine starke Bewegung zu bilden.«1 Diese Hybridparteien erhalten enormen Zulauf, wie die britische Labour Party zeigt: Innerhalb von zwei Jahren wuchs ihre Mitgliederzahl von 150.000 Mitgliedern auf 600.000.2 Häufig sind diese Hybridparteien populistisch ausgerichtet. Jedenfalls sind sie auch ein Zeichen dafür, dass sich die Parteiensysteme in Umwälzung befinden. Nicht selten haben diese Formationen eine »charismatische« Führungsfigur, die autoritär über den Kurs bestimmt. So hat Sebastian Kurz die ÖVP umgebaut und durchgesetzt, dass er deutlich mehr an programmatischen und personellen Durchgriffsrechten erhält, um scheinbar volksnah agieren zu können. Das geht weit über das hinaus, was der CDU als »Kanzlerwahlverein« nachgesagt wird, und ist das Gegenteil einer »Mitgliederpartei«, wie sie die SPD nach dem »Godesberger Programm« und die CDU mit Heiner Geißler geworden sind. Grundsätzlich haben populistische Parteien in Europa enorm an Bedeutung gewonnen. Ob die FPÖ in Österreich, die SVP in der Schweiz, »MoVimento 5 Stelle« und Lega (Nord) in Italien, »Front National« in Frankreich, Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid) in den Niederlanden und jüngst die Alternative für Deutschland (AfD) hierzulande – alle haben an Wählerstimmen zugelegt. In manchen Ländern sind sie sogar an der Regierung beteiligt, so in Österreich, in Dänemark und erst recht in den Visegrád-Staaten und in Italien. Als weitere Bewegung sind die regionalen und separatistischen Parteien zu nennen, die die Identität mit einem Land oder einer Region ganz in den Vordergrund stellen und dieser weitere politische Fragen und Konzepte unterordnen. Hier sind die SNP (Scottish National Party), die in Schottland regiert, und die N-VA (Nieuw-Vlaamse Alliantie), die sowohl in Flandern als auch in Belgien den Regierungschef stellt, zu nennen. Auch in Katalonien formierte sich ein separatistisches Parteienbündnis (»Junts pel Si«), das die gemeinsame Forderung nach der Unabhängigkeit des Landes quasi vor die Klammer gezogen hat. »Culture matters!«
Fragen der kulturellen Identität treiben die Menschen um: »Identitätsprobleme sind virulent wie nie zuvor«, sagt Peter Sloterdijk.3 Sie haben für den Ausgang von Wahlen in den westlichen Demokratien enorm an Bedeutung gewonnen. Die zuvor genannten Entwicklungen auf politischer Ebene sind dabei als Ausdruck eines entsprechenden Wandels auf gesellschaftlicher Ebene zu verstehen. Dies lässt sich auch anhand der Themen beobachten, die über die Jahre die Wahlkämpfe dominiert haben. »It’s the economy, stupid« stand an den Wänden der Kampagnenbüros von Bill Clinton. Auf Wirtschaft und Arbeitsplätze komme es an. Das sollte den Wahlkämpfern immer wieder vergegenwärtigt werden. Auch in Deutschland war dies über viele Jahrzehnte und bis in unser Jahrzehnt hinein das dominierende Thema in Wahlkämpfen. Das hat sich komplett geändert. Heute müsste man an den Wänden lesen: »Culture matters!« Kultur spielt also eine wichtige Rolle. Woher kommt diese Entwicklung? Die Globalisierung gewinnt technologisch via Digitalisierung weiter an Fahrt. Die Digitalisierung verändert unser Leben und unseren Alltag enorm. Wir wissen, dass sich die Veränderungsgeschwindigkeit, die wir heute erleben, in den nächsten Jahren stürmisch weiterentwickeln wird. In einzelnen Bereichen können wir ganz gut beschreiben, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren wahrscheinlich an epochalen Veränderungen auf uns zukommen wird: Autonomes Fahren, Smart Home und Durchbruch der lokalen Energieversorgung und -speicherung, Telepflege und Telemedizin, Algorithmisierung zahlreicher Dienstleistungen und vieles mehr. Amazon und der Internethandel wälzen unseren Einzelhandel und die Handelsketten um, sorgen für Ödnis in unseren Innenstädten. Neue Geschäftsmodelle verdrängen quasi über Nacht Bewährtes und Kommunikationsstrukturen verändern sich. Das Silicon Valley, aber auch die Beförderer der Digitalisierung bei uns arbeiten mit weltweiter Perspektive beziehungsweise Vermarktung. Viele Menschen finden sich allerdings weder in einer globalisierten Welt wieder, noch haben sie den Wunsch, dieser nachzugehen. Sie haben stattdessen das Gefühl, den Halt zu verlieren, und sehnen sich nach Identifizierung, nach einem Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe. Diese Menschen fragen sich: Wo ist mein Platz und der Platz meiner Gemeinschaft in der globalisierten Welt? Hier setzen die populistischen Kräfte an: Als Gegenbewegungen zur Globalisierung propagieren sie nationale und abschottende Tendenzen, wie sie in nahezu allen europäischen Ländern und auch in den USA zu finden sind. Der Soziologe Andreas Reckwitz betont dementsprechend die Bedeutung politischer Bewegungen: »Der politische Rechtspopulismus, der sich seit der Jahrtausendwende formiert, appelliert in diesem Rahmen an die kulturelle Authentizität des eigenen Volkes und seiner nationalen Kultur.«4 Die Menschen suchten nach dem, was »nichtaustauschbar und nichtvergleichbar erscheint«.5 Möglicherweise wenden sich auch deshalb so viele Menschen gegen die etablierten Parteien, weil sie sich dort nicht mehr wiederfinden. Ein Problem Letzterer liegt sicher darin, dass sie Kompromisse machen müssen, wodurch sie zwangsläufig an Kontur verlieren. Populistische Bewegungen hingegen laden sich selbst mit Bedeutung auf, was für manche Menschen offenbar extrem attraktiv ist. Viele Menschen fühlen sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen. Sie sind mit ihrem Alltag und Umfeld genug beschäftigt und wünschen sich hier mehr Unterstützung durch die Parteien. Für die Flüchtlinge und zuvor für die Bankenrettung, so ihre Wahrnehmung, sei genug Aufmerksamkeit, Personal und Geld da. Für die Schulen der eigenen Kinder aber, für die Gesundheitsversorgung, die Rente und die Infrastruktur und vieles weitere, das ihr Leben betrifft, setzt sich in ihren Augen niemand ein. Auch dies ist ein Grund, warum viele Menschen Protestparteien wählen. »Sie sind«, so schreibt Peter Hofelich in seinem Beitrag in diesem Band, »›Protestwähler‹ neuen Typs. Nicht ›Was tut ihr Etablierte für die Gesellschaft?‹, sondern ›Was tut ihr Etablierte für mich?‹, ist die Melodie des Protestes« (S. 114). Die etablierten Parteien liefern keine Antworten auf ihre alltäglichen Fragen, und so sehen sie die einzige Möglichkeit, eine Protestpartei oder eine populistische Partei zu unterstützen. Dabei spielt häufig kaum eine Rolle, dass auch diese Bewegungen und Parteien kaum zufriedenstellende Antworten für sie anzubieten haben. Die Aussage der Protestparteien lautet: Unter den etablierten »Kartellparteien« gebe es kaum Unterschiede, sie seien mit sich selbst beschäftigt, hätten den Bürger vergessen. Eine Veränderung herbeiführen könne man nur, indem man sich für sie entscheide. Viele Wählerinnen und Wähler können mit derartigen Aussagen einiges anfangen, wie die Wahlergebnisse zeigen. Die Populisten machen sich dies gern und erfolgreich zunutze und setzen noch eins drauf: Ausschließlich sie repräsentierten die Meinung des Volkes, die anderen seien »Volksverräter«. Deshalb bleibt scheinbar nichts anderes übrig, als zu den Radikalen überzulaufen. Ganz in diesem Sinne plakatierte die AfD im Bundestagswahlkampf – offenbar sehr erfolgreich – das Motto »Hol dir dein Land zurück!«. Eine ganz ähnliche Terminologie – und ebenfalls erfolgreich – verwendet Donald Trump: »Wie ich...


Winfried Mack, geboren 1965, MdL in Baden-Württemberg, stellvertretender Landesvorsitzender des baden-württembergischen CDU; Herausgeber von "Aus der Krise lernen, Auf dem Weg zu einer weltoffenen und humanen Gesellschaft" (zusammen mit Erwin Teufel, Herder Verlag 2014).



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