Lubach | Der fünfte Brief | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Lubach Der fünfte Brief

Ein Amsterdam-Krimi

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-10706-2
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Elsa im Urlaub erfährt, dass ihr geliebter Vater getötet wurde, nimmt sie den ersten Flug zurück nach Holland. Ihre Familie lasst sie schweren Herzens in Südfrankreich zurück. Doch in Amsterdam muss sie feststellen, dass ihr Vater, ein emeritierter Professor für Mittelalterforschung, an etwas gearbeitet hat, das offensichtlich größte Geheimhaltung erforderte. Und dass er versteckte Hinweise für sie, die ebenso belesene wie begnadete Mathematikerin, hinterlassen hat. Elsa kennt dieses Spiel nur zu gut. Schließlich hat ihr alleinerziehender Vater früher häufig kniffelige Rätsel für sie erstellt. Aber was haben die Schriften Ciceros mit dem Tod ihres Vaters zu tun? Und wer ist ihr auf den Fersen? Es folgt ein 24-stündiger Wettlauf, von Amsterdam bis nach Südfrankreich. 24 Stunden, in denen sich alles verändert.

Arjen Lubach, 1979 geboren, ist neben seinem Erfolg als Autor zahlreicher Romane einer der bekanntesten Comedians und TV-Größen der Niederlande. Aufmerksamkeit brachte ihm vor allem seine wöchentliche Show »Zondag met Lubach« (»Sonntag mit Lubach«) ein. Sein Krimi »Der fünfte Brief« war für den niederländischen Thrillerpreis nominiert und wurde mit dem Crimezone Debütpreis ausgezeichnet. Bei einer Neuausgabe des Romans versah er ihn mit einem neuen Ende, nicht, weil er den ersten Ausgang der Geschichte bedauert hätte, sondern weil ihm das zweite Ende in der gegenwärtigen Situation, in der sich unsere Welt befinde, passender erschien. Aber lesen Sie selbst!
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07:50
Provinzialstraße, Maartensdijkse Bossen,
Niederlande Das Auto fährt schnell. Jacob sitzt neben dem Fahrer, geht in den Kurven mit. Er ist ruhig, beherrscht. So wirkt es zumindest. In ihm klingt das Mantra, das er sich vor Jahren beigebracht hat: Ruhig atmen, alles ist gut. Es war nicht umsonst. Das Adrenalin fließt noch durch seine Adern. Irgendwo nagt ein Schuldgefühl. Heute früh haben sie das Leben eines Menschen beendet. Die Klappen der Klimaanlage sind offen. Jacobs Gesicht wird vom Luftstrom getrocknet, über sein graues Stoppelhaar streicht die Kühle. Wir schützen die Ordnung, denkt er. Dazu passen keine Gefühle. Er schluckt. Der Fahrer trägt Handschuhe. Er tippt auf den Blinker. Auf der Rückbank sitzt ein dritter Mann, mit einer Arzttasche auf dem Schoß. In letzter Sekunde biegen sie ab, zwischen zwei großen Eichen. Abrupt hält der Wagen. Jacob kennt das Manöver, er ist nicht überrascht. Der Chauffeur öffnet das Fahrerfenster und drückt eine Chipkarte gegen das schwarze, auf einem Pfahl angebrachte Kästchen. Klamme Luft strömt durchs Fenster herein. Eine Kamera über dem Tor schwenkt Richtung Auto. Aus einem Lautsprecher tönt eine metallene Stimme: »Ja?« Jacob räuspert sich. Er beugt sich Richtung Fenster, kommt dem Mann am Lenkrad unangenehm nahe. Das helle Leder des Autositzes knarrt. »Das Heer der Drei«, sagt Jacob mit seiner tiefen, heiseren Stimme. »Passwort?«, fragt die Lautsprecherstimme. »Iseran«, antwortet Jacob. »Bestätigungscode?« Jacob nickt dem Fahrer zu. Der Mann mit den Handschuhen lehnt sich aus dem Fenster. »Nivolet«, sagt er. Der dritte, kleine Mann auf der Rückbank will sich vorbeugen, doch bevor er etwas sagen kann, ertönt die Stimme: »Gut, ist in Ordnung.« Langsam öffnet sich das Tor. Der Automatikwagen beschleunigt, die Auffahrt entlang, an einer Baumreihe vorbei. Sie passieren das große Haus, das von der Straße aus zu sehen ist, den Geschäftssitz von Kibubu Immobilien. Die Auffahrt geht in einen schmalen, unbefestigten Weg über. Die Sonne steht noch tief und spiegelt sich im Teich hinter dem Landhaus. Hinter dem Auto wirbelt Sand auf. Jacob spürt die Beschleunigung im Magen. Bloß nicht kotzen, denkt er. Später. Nachdem du Bericht erstattet und etwas gegessen hast und im Bett liegst. Wenn du erzählt hast, was passiert ist. Danach darf dir schlecht werden. Dann gehörst du wieder zum normalen Leben. Jacob schaut auf seine Armbanduhr. Es ist jetzt zwei Stunden her. Er war um vier Uhr aufgestanden, und in dem Moment, als er beschloss, dass Marcus Ruys besser tot sein sollte als lebendig, war er völlig im Einklang mit seiner Rolle. Sie hatten den alten Professor überrascht. Er, der Chauffeur und der Mann mit der Arzttasche. Ruys’ Haus war schwer zu finden. Es lag versteckt zwischen einer Häuserzeile der Tesselschadestraat und dem Fußweg am östlichen Rand des Vondelparks. Erst nach einer Viertelstunde hatten sie’s gefunden. Jacob hatte erwartet, dass Professor Ruys im Bett läge, doch der saß stattdessen vollständig angezogen in seinem Arbeitszimmer. Er trug sogar eine Krawatte – als würde er Besuch erwarten. Höchst konzentriert arbeitete er an seinem Schreibtisch. Jacob war kurz aus der Fassung gebracht, fing sich aber schnell wieder. Ruys kooperierte nicht. Das war zu erwarten, es stand viel auf dem Spiel. Marcus Ruys war alt, er war nicht in dem Alter, wo Menschen kooperieren. Mehrere Male fragten sie nach dem Brief, aber Ruys schwieg. Dann winkte Jacob den Mann mit der Arzttasche herbei. »Sie können froh sein, dass Sie eine Spritze bekommen, Professor Ruys«, sagte er. »Eine Schusswunde ist viel schmerzhafter, aber das hier lässt sich sehr viel weniger leicht nachweisen.« Der Professor äußerte nichts, womit sie etwas anfangen konnten. Er hatte schon auf die ersten Fragen nicht geantwortet, nicht auf die drohenden Fragen, und auch jetzt, wo er eine tödliche Injektion ins Bein bekommen sollte, schwieg er. Das war heute Morgen eine der Alternativen gewesen. Entweder würde Professor Ruys reden, was Jacob hoffte, oder er würde schweigen, und Jacob und die anderen würden dafür sorgen, dass Ruys keinen Schaden mehr anrichten konnte, und ihn zurücklassen. »Es ist schade, dass Sie nicht kooperieren. Es würde uns allen viele Scherereien ersparen.« Darauf wandte er sich an den Kollegen mit der Arzttasche. »Fang an.« Jacob kannte die Wirkung des Giftes. Die injizierte Flüssigkeit würde sich nach wenigen Minuten in den Blutbahnen verbreiten. Binnen weniger Minuten entfaltete sich in dem alten Körper ihm gegenüber eine Giftbombe. Verzweigung für Verzweigung, Ader für Ader. Der Tod, der aufwärtskriecht. »Also, Herr Professor«, sagte Jacob, nachdem der jüngere Kollege Ruys die Spritze verpasst hatte. »Hier gibt es noch eine zweite Spritze. Eine, die alles wieder ungeschehen macht. Ich erlöse Sie mit dem größten Vergnügen von dem, was gerade in Ihrem Körper vor sich geht.« Ruys schüttelte den Kopf. Seine Beine zitterten. »Ihre letzte Chance«, sagte Jacob. »Denken Sie an Ihre Tochter.« Wieder schüttelte Ruys den Kopf. »Nein«, sagte er entschieden. Ärgerlich sagte Jacob: »Mein Auftraggeber hätte Sie gern kennengelernt.« Er blickte streng. Ihm war wichtig, dass niemand an seiner Entschlossenheit zweifelte. Wenn Leute auf die Idee kommen konnten, dass er es nicht ernst meinte, trafen sie womöglich die falschen Entscheidungen. Er sah den Professor an. Ruys weiß schon alles, dachte Jacob. Wie kein anderer. Vielleicht sogar besser als wer auch immer. Er weiß über alles Bescheid. Der Kollege, der die zweite Spritze in die Tasche zurücklegte, sah abwartend zu Jacob, der seinerseits wieder auf den Professor blickte. »Letzte Chance«, sagte Jacob. »Wo ist es?« Marcus Ruys schwieg. Langsam schüttelte er den Kopf. Jacob schloss missmutig die Augen und drehte sich um. Sie verließen das Haus. Die Reifen rappeln über einen Wildrost des Landguts, aber das Auto drosselt das Tempo nicht. Hinter einer Baumreihe taucht plötzlich ein zweites Landhaus auf. Jacob blickt hinüber. In einer Stunde stehen hier die Autos von Managern, Sekretärinnen und Investoren. Teure Wagen von Leuten auf der Suche nach noch mehr Geld. Leute, mit denen er nie spricht, die er nie sieht. Sie fahren weiter zur Rückseite des Gebäudes. Sie wollen nicht zu Kibubu Immobilien, obwohl das jeder vorn an der Straße denken wird. Große schwarze Wagen vor einer verlassenen Fabrik, das fällt auf; große schwarze Wagen vor einem börsennotierten Unternehmen, und keiner stellt Fragen. Hinter dem Haus fahren sie in eine unterirdische Garage. »Ich gehe allein. Bis gleich«, sagt Jacob beim Aussteigen. Die anderen gehorchen. Die Hierarchie funktioniert nur, wenn nicht jeder über alles informiert ist, denkt er. Obwohl es wahrscheinlich nichts ausgemacht hätte, wenn sie mitgegangen wären, war es doch besser so. So arbeiten sie härter, bleiben treu und arbeiten auf etwas hin: dass sie bei allen Gesprächen dabei sein dürfen. Drinnen muss er eine halbe Stunde warten. So ist es vereinbart. Nie zusammen ankommen. Sich nie zusammen fotografieren lassen. Immer leugnen, dass man sich kennt. Jacob ist nervös. Nach einer langen halben Stunde betritt IV endlich den Raum. Er lächelt und streckt die Hand aus. Jacob steht sofort auf, zieht die Jacke gerade und gibt seinem Chef die Hand. »So«, sagt Vier. »Ist alles geregelt?« Vier deutet auf den Stuhl. Er trägt einen Anzug. Teuer, dunkelblau. Keine Krawatte. Sein Hals hat rote Flecken. Jacob hat ihn schon mehrmals getroffen, aber der Abstand bleibt riesig. Er weiß, so ist die Beziehung, und so wird sie bleiben. In abgedunkelten Räumen, zu festgelegten Zeiten, mit einem Wachmann vor der Tür. Bevor Jacob antworten kann, fährt Vier fort. »Vielen Dank für deinen Einsatz«, sagt er. »Du weißt, dass ich das zu schätzen weiß?« »Das weiß ich. Vielen Dank.« »Gut. Zur Sache. Wie ist es gelaufen?« Versuch, dich zu fokussieren, denkt Jacob. Jetzt ist nicht der Moment für körperliche Schwäche. Dennoch kostet es ihn Mühe, nicht ständig auszurechnen, wie viele Stunden er in den vergangenen Wochen geschlafen hat. In den vergangenen Jahren. »Nicht so gut«, sagt Jacob. »Nicht?« »Nein.« »Information oder Elimination?«, fragt Vier. »Leider Elimination«, sagt Jacob. »Verdammt!« Vier schlägt auf den Tisch. Ihm ist das Lächeln vergangen. Die Wassergläser vibrieren. Jacob verzieht keine Miene. Er hat diese Reaktion erwartet. »Tut mir leid«, sagt Jacob. »Sogar nach der Injektionsmethode?« »Sogar dann.« Vier dreht sich um, starrt jetzt auf die fensterlose Wand. »Verdammt!«, ruft er wieder. »Und jetzt?« Jacob schweigt. Er weiß, dass es nicht seine Schuld ist. Auch Vier weiß das. Es ist die Schuld von Ruys, die Schuld dieses viel zu neugierigen alten Professors, der nicht reden wollte. Der lieber in seinem unauffindbaren Haus am Vondelpark sterben wollte, als das zurückzugeben, was er nie in seinen Händen hätte haben dürfen. »Hast du sein Haus durchsucht?« »Ja. Wir haben draußen gewartet und sind dann wieder reingegangen.« »Und?« »Auf seinem Telefon sahen wir, dass er kurz vor unserer Ankunft jemanden angerufen hat. In Amsterdam.«...


Müller-Haas, Marlene
Marlene Müller-Haas, Studium der Niederländischen Philologie, Kunstgeschichte und Germanistik, ist die Übersetzerin von u.a. Armando, F. Bordewijk, Harry Mulisch, Charlotte Mutsaers und Ida Simons. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, z.B. mit dem Else-Otten-Übersetzerpreis, und erhielt zudem zahlreiche Arbeitsstipendien, zuletzt 2023 ein mehrmonatiges Förderstipendium des Deutschen Übersetzerfonds.

Lubach, Arjen
Arjen Lubach, 1979 geboren, ist neben seinem Erfolg als Autor zahlreicher Romane einer der bekanntesten Comedians und TV-Größen der Niederlande. Aufmerksamkeit brachte ihm vor allem seine wöchentliche Show »Zondag met Lubach« (»Sonntag mit Lubach«) ein. Sein Krimi »Der fünfte Brief« war für den niederländischen Thrillerpreis nominiert und wurde mit dem Crimezone Debütpreis ausgezeichnet. Bei einer Neuausgabe des Romans versah er ihn mit einem neuen Ende, nicht, weil er den ersten Ausgang der Geschichte bedauert hätte, sondern weil ihm das zweite Ende in der gegenwärtigen Situation, in der sich unsere Welt befinde, passender erschien. Aber lesen Sie selbst!


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