London | Männergeschichten, Frauengeschichten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Klassiker der Weltliteratur

London Männergeschichten, Frauengeschichten

Abenteuerliche Leben

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Klassiker der Weltliteratur

ISBN: 978-3-8438-0585-8
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Austernpirat, Seemann, Vagabund, Sozialist, Goldsucher, Autor, Kriegsreporter, Farmer ... Jack Londons Leben war so abenteuerlich und ereignisreich wie seine Romane und Erzählungen. Der zu Lebzeiten weltweit erfolgreichste und meistgelesene Autor stellt wiederkehrend die Begegnung zwischen Kultur und Natur sprachgewaltig ins Zentrum seiner Schriften. Aber nicht nur in seinen berühmten Romanen zeigt sich sein schriftstellerisches Können. In Londons psychologisch feinsinnigen und raffiniert komponierten Erzählungen lernt man den Schriftsteller von einer neuen Seite kennen. Längst überfällig sind in diesem Band in neuer, werkgetreuer Übersetzung eine Auswahl seiner meisterhaften Erzählungen versammelt: Männergeschichten, wie man sie von London vielleicht kennt und erwartet, werden Geschichten von Frauen gegenübergestellt und zeigen den Romanautor in einem neuen Licht. Man verfällt in einen Leserausch! Enthalten sind die Geschichten: Krieg, Der Wahnsinn des John Harned, Ein Stück Fleisch, Old Tarwaters Traum vom Gold, Der Mann auf dem Trail, Das Vertrauen der Männer, Die große Frage, Siwash - Nur eine Indianerin, Eine Tochter des Nordlichts, Goldblüte, Die Nachtgeborene

Jack London (1876-1916), wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Kalifornien auf und musste früh zum Familienerwerb beitragen. Er führte ein unstetes und abenteuerliches Leben als Zeitungsjunge, Austernpirat, Kohleschlepper, Seemann, Goldsucher, das ihm die Stoffe für seine zahlreichen Geschichten und Romane lieferte. Mit 23 Jahren begann er als Journalist und Schriftsteller zu arbeiten und avancierte innerhalb weniger Jahre zum weltweit meist gelesenen, in zahlreiche Sprachen übersetzten Autor seiner Zeit. Die größten Erfolge feierte er mit den Romanen Wolfsblut, Ruf der Wildnis und Der Seewolf. Der energische Vielschreiber hinterließ bei seinem frühen Tod mit vier- zig Jahren fast 200 Erzählungen, diverse Essays und Zeitungsartikel zu sozialen und politischen Fragen sowie über zwanzig Romane. Herbert Schnierle-Lutz studierte Literatur und Politik, arbeitete als Verlagslektor und ist freier Publizist. Dabei veröffentlichte er u. a. Schriftstellerbiografien sowie diverse literarische Anthologien. Bezüglich Jack London ist er in den letzten Jahren durch seine Neuübersetzungen von dessen Nordlandgeschichten bekannt geworden.
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KRIEG
I
Er war ein junger Mann, nicht älter als vier- oder fünfundzwanzig, und er hätte auf seinem Pferd mit der unbekümmerten Lässigkeit der Jugend gesessen, wäre er nicht so katzenartig angespannt gewesen. Seine schwarzen Augen musterten alles genau, bemerkten jede Bewegung von Zweigen und Ästen, auf denen kleine Vögel herumhüpften, suchten beständig die neu auftauchenden Bäume und Büsche ab und kehrten dann wieder zurück zu dem Gestrüpp zu beiden Seiten. Und so wie er beobachtete, lauschte er auch, während er dahinritt durch eine Stille, die nur von dem Donnern schwerer Kanonen weit im Westen unterbrochen wurde. Dieses drang bereits seit Stunden monoton an seine Ohren, sodass lediglich eine Unterbrechung seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Die Aufgabe, die er zu erledigen hatte, war mehr hier in der Nähe. Quer über seinem Sattel lag ein Karabiner. Er war so angespannt, dass eine Schar Wachteln, die plötzlich vor der Nase seines Pferdes explosionsartig aufflog, ihn in solchem Maße erschreckte, dass er unwillkürlich das Pferd zügelte und den Karabiner halb zur Schulter hochriss. Er grinste verlegen, fasste sich wieder und ritt weiter. Er war so angespannt, so konzentriert auf die Aufgabe, die er zu erledigen hatte, dass ihm der Schweiß in die Augen lief, ohne dass er ihn wegwischte, und unbeachtet an seiner Nase herunterfloss und auf seinen Sattelknauf tropfte. Das Band seines Kavalleristenhutes war fleckig von frischem Schweiß. Der Fuchsschimmel unter ihm war ebenfalls schweißnass. Es war zwölf Uhr mittags an einem atemraubend heißen Tag. Sogar die Vögel und Eichhörnchen getrauten sich nicht in die Sonne, sondern versteckten sich an schattigen Stellen in den Bäumen. Der Mann und das Pferd waren von abgestreiftem Laub bedeckt und von Blütenpollen bestaubt, denn sie wagten sich nicht weiter als unbedingt nötig ins offene Gelände hinaus. Sie hielten sich im Gebüsch und unter den Bäumen, und stets hielt der Mann an und spähte prüfend hinaus, bevor sie eine freie Lichtung oder eine buschlose Weide des Hochlandes überquerten. Er arbeitete sich unablässig nordwärts, obwohl sein Weg gewunden war, und im Norden schien das zu lauern, was er am meisten befürchtete und nach dem er beständig Ausschau hielt. Er war kein Feigling, aber sein Mut war lediglich der eines durchschnittlich zivilisierten Mannes, und er wollte leben, nicht sterben. Einen kleinen Hügel hinauf folgte er einem Kuhpfad durch so dichtes Gestrüpp, dass er gezwungen war abzusteigen und sein Pferd zu führen. Als sich der Pfad aber nach Westen wandte, verließ er ihn und ging erneut nordwärts über den eichenbestandenen Kamm des Hügels. Der Kamm endete an einem steilen Abstieg – so steil, dass er im Zickzack absteigen musste, immer wieder im vermoderten Laub ausrutschend oder über wuchernde Schlingpflanzen stolpernd und dabei das Pferd im Auge behaltend, das auf ihn zu stürzen drohte. Der Schweiß lief an ihm herunter, und der Pollenstaub, der sich ätzend in Mund und Nase festsetzte, verstärkte seinen Durst. Er konnte tun, was er wollte, der Abstieg verursachte Lärm, und er hielt deshalb häufig an, in der trockenen Hitze nach Luft schnappend, und lauschte nach eventuellen Gefahren von da unten. Auf dem Talboden kam er in eine Ebene, die so dicht bewaldet war, dass er deren Ausmaße nicht ermessen konnte. Doch hier änderte sich die Art des Waldes, und er konnte wieder reiten. Anstelle des auf dem Hügel verbreiteten Eichengestrüpps wuchsen hier hohe gerade Bäume mit großen gesunden Stämmen aus dem feuchten fetten Boden. Nur hier und da waren kleine, leicht zu umgehende Dickichte, und bald erreichte er ausgedehnte parkartige Lichtungen, auf denen das Vieh geweidet hatte in den Tagen, bevor der Krieg es vertrieb. Sein Fortkommen beschleunigte sich, als er in das Tal kam, und nach einer halben Stunde hielt er an einem alten Weidezaun am Rande einer Lichtung. Er mochte ihre Offenheit nicht, aber sein Weg führte über sie hinweg zu einer Baumreihe, welche das Ufer eines Flusses säumte. Es war nur eine Viertelmeile bis dahin, aber die Vorstellung, sich über diese freie Fläche wagen zu müssen, widerstrebte ihm. Ein Gewehr, dutzende, gar tausende konnten dort entlang der Böschung des Flusses lauern. Zweimal versuchte er loszureiten, und zweimal zögerte er. Er war entsetzt über seine Verlassenheit. Der Pulsschlag des Krieges, der von Westen her hörbar war, vermittelte ihm die Vorstellung der Kameradschaft tausender Kämpfer, aber hier war nichts als Stille, und er selbst, und möglicherweise todbringende Kugeln aus unzähligen Hinterhalten. Und doch es war seine Aufgabe, das zu finden, vor dessen Auffinden er sich fürchtete. Er musste vorwärts gehen, immer vorwärts, bis er irgendwo, irgendwann einen anderen Mann oder andere Männer von der gegnerischen Seite entdecken würde, die spähten, wie er spähte, um dann Bericht zu erstatten, wie er Bericht erstatten musste über das Erspähte. Er änderte sein Vorhaben, wich ein Stück seitlich in den Wald aus und schaute sich wieder um. Nun erblickte er in der Mitte der Lichtung ein kleines Farmhaus. Es waren keine Zeichen von Leben zu erkennen. Kein Rauch kräuselte aus dem Kamin, kein Geflügel gackerte oder bevölkerte den Hofraum. Die Küchentür stand offen, und er starrte so lange und intensiv in die schwarze Öffnung, dass er fast glaubte, es müsse jeden Moment eine Farmersfrau herauskommen. Er leckte die Pollen und den Staub von seinen trockenen Lippen, fasste sich ein Herz und ritt in den grellen Sonnenschein hinaus. Nichts rührte sich. Er ritt weiter hinter das Haus und näherte sich der Hecke aus Bäumen und Büschen am Ufer des Flusses. Ein Gedanke peinigte ihn weiterhin. Es war der Gedanke, dass eine Kugel mit hoher Geschwindigkeit in seinen Körper einschlagen könnte. Das gab ihm das Gefühl großer Verwundbarkeit und Wehrlosigkeit, sodass er sich tiefer in den Sattel duckte. An der Ecke des Waldes band er sein Pferd an und ging dann zu Fuß hundert Yards weiter, bis er ans Ufer des Flusses kam. Er war zwanzig Fuß breit, ohne wahrnehmbare Strömung, kühl und einladend, und der Mann spürte seinen großen Durst. Aber er wartete in der Deckung des Gebüschs ab und beobachtete das gegenüberliegende Gebüsch. Um das Warten erträglich zu machen, setzte er sich hin mit seinem Karabiner auf den Knien. Die Minuten verstrichen, und allmählich fiel die Spannung von ihm ab. Schließlich entschied er, dass hier keine Gefahr vorhanden sei; aber gerade als er beschloss, die Deckung des Gebüschs zu verlassen und zum Wasser hinabzugehen, fiel ihm eine Bewegung im Gebüsch am anderen Ufer ins Auge. Es konnte ein Vogel sein. Aber er wartete ab. Erneut war da eine Bewegung im Gebüsch, und dann, so plötzlich, dass es ihn beinahe aufschreien ließ, teilte sich das Gebüsch und ein Gesicht starrte heraus. Es war ein Gesicht, das von einem mehrere Wochen alten kupferroten Bart bedeckt war. Die Augen waren blau und standen weit auseinander mit Lachfalten in den Winkeln, die sichtbar waren trotz der Müdigkeit und des misstrauischen Ausdrucks im ganzen Gesicht. All das konnte er mit mikroskopischer Genauigkeit erkennen, denn die Entfernung betrug nicht mehr als zwanzig Fuß. Und all das sah er in so kurzer Zeit, wie er benötigte, um seinen Karabiner an die Schulter zu heben. Er schaute entlang des Visiers und wusste, dass er auf einen Mann blickte, der schon so gut wie tot war. Es war unmöglich, ihn auf diese kurze Reichweite zu verfehlen. Aber er schoss nicht. Er ließ den Karabiner langsam sinken und beobachtete. Eine Hand, die eine Wasserflasche umklammerte, wurde sichtbar, und der Rotbart beugte sich hinab, um die Flasche zu füllen. Er konnte das Gluckern des Wassers hören. Dann verschwanden Arm und Flasche und der rote Bart hinter dem sich schließenden Gebüsch. Er wartete eine lange Zeit, bis er mit ungestilltem Durst zu seinem Pferd zurückkroch, langsam über die sonnenbeschienene Lichtung ritt und in der Deckung des dahinter liegenden Waldes verschwand. II
Ein anderer Tag, heiß und atemraubend. Ein verlassenes Farmhaus, groß, mit vielen Nebengebäuden und einem Obstgarten auf einer Lichtung stehend. Aus dem Wald, auf seinem Fuchsschimmel, das Gewehr quer über dem Sattel, ritt der junge Mann mit den wachsamen schwarzen Augen. Er atmete erleichtert auf, als er das Haus erreichte. Es war ersichtlich, dass früher im Jahr an diesem Ort ein Kampf stattgefunden hatte. Lederstreifen und leere Patronenhülsen, mit Grünspan überzogen, lagen auf dem Boden, der, während er nass war, von Pferdehufen zertrampelt worden war. Dicht beim Küchengarten waren Gräber, beschriftet und nummeriert. An der Eiche bei der Küchentür hingen in zerlumpter, wettergebleichter Kleidung die Körper zweier Männer. Die Gesichtszüge, vertrocknet und verunstaltet, ließen keine Ähnlichkeit mehr mit menschlichen Gesichtern...


Jack London (1876–1916), wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Kalifornien auf und musste früh zum Familienerwerb beitragen. Er führte ein unstetes und abenteuerliches Leben als Zeitungsjunge, Austernpirat, Kohleschlepper, Seemann, Goldsucher, das ihm die Stoffe für seine zahlreichen Geschichten und Romane lieferte. Mit 23 Jahren begann er als Journalist und Schriftsteller zu arbeiten und avancierte innerhalb weniger Jahre zum weltweit meist gelesenen, in zahlreiche Sprachen übersetzten Autor seiner Zeit. Die größten Erfolge feierte er mit den Romanen Wolfsblut, Ruf der Wildnis und Der Seewolf. Der energische Vielschreiber hinterließ bei seinem frühen Tod mit vier- zig Jahren fast 200 Erzählungen, diverse Essays und Zeitungsartikel zu sozialen und politischen Fragen sowie über zwanzig Romane.

Herbert Schnierle-Lutz studierte Literatur und Politik, arbeitete als Verlagslektor und ist freier Publizist. Dabei veröffentlichte er u. a. Schriftstellerbiografien sowie diverse literarische Anthologien. Bezüglich Jack London ist er in den letzten Jahren durch seine Neuübersetzungen von dessen Nordlandgeschichten bekannt geworden.


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