Lörchner | Nicht nur Heldinnen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Lörchner Nicht nur Heldinnen

20 Frauen, die Geschichte schrieben
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-451-82986-4
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

20 Frauen, die Geschichte schrieben

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-451-82986-4
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ob auf dem Thron, im Gerichtssaal oder auf den Weltmeeren: Frauen haben Geschichte geschrieben – aber nicht nur als Heldinnen. Manche kämpften bewundernswert für ihre Ziele, andere stellten sich über ihre Mitmenschen, verfolgten vor allem wirtschaftlichen Profit oder wählten umstrittene Allianzen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Jasmin Lörchner, die Stimme hinter dem Podcast 'HerStory', stellt zwanzig vielschichtige Frauen vor: Von der ägyptischen Herrscherin Hatschepsut über die deutsche Juristin Elisabeth Selbert bis zur chinesischen Piratin Zheng Yisao. Sie porträtiert Protagonistinnen mit Kampfgeist und Akteurinnen mit Schattenseiten: Frauen, die uns bis heute faszinieren.

Lörchner Nicht nur Heldinnen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


HATSCHEPSUT
ca. 1500–1458 v. Chr., Altes Ägypten Der Geruch verbrannter Kräuter und der Klang ritueller Gesänge füllten den Raum, in dem Hatschepsuts Körper aufgebahrt worden war. Als sie im Jahr 1458 v. Chr. mit etwa vierzig Jahren starb, unterzog man ihre sterbliche Hülle dem sorgsamen Prozess der Mumifizierung. Ihre Organe wurden entnommen und gesondert präserviert, das Gehirn wurde entfernt. Ihren Körper packte man in Salz, um dem Gewebe die Flüssigkeit zu entziehen. Anschließend wurde ihre sterbliche Hülle in Leinen eingewickelt. Etwa zweieinhalb Monate später wurde Hatschepsuts Leichnam auf einen Schlitten geladen und von ihrem Nachfolger, Pharao Thutmosis III., zu ihrem Totentempel eskortiert. Sorgsam vollzogene Rituale dienten in den folgenden Wochen dazu, Hatschepsut auf den Eintritt in das Reich der Toten vorzubereiten und ihre Macht auf den neuen Herrscher zu übertragen. Auf der letzten Reise durften sie nur Auserwählte begleiten: Thutmosis III. und wenige Offizielle schritten in einer Prozession vom Totentempel neben dem Schlitten her, auf dem Hatschepsuts Leichnam zum Grab im Tal der Könige transportiert wurde. Doch Hatschepsut war keine friedliche Totenruhe vergönnt. Wie so viele Pharaonengräber wurde auch ihres von Grabräubern aufgebrochen und geplündert. Auch die Erinnerung an sie wurde schon bald nach ihrem Tod gestört – von niemand anderem als dem Nachfolger. Thutmosis III. ließ Wandbilder abschlagen, Hieroglyphen wegmeißeln und Statuen entfernen. So gründlich ging er vor, dass Hatschepsut mit jeder nachfolgenden Generation mehr in Vergessenheit geriet. Selbst als Archäologinnen und Archäologen sich Jahrhunderte später an Ausgrabungen machten und die Geschichte der Pharaonen-Dynastien rekonstruierten, wurde Hatschepsut, die Frau auf Ägyptens Thron, lange übersehen – anders als die Regentinnen Nofretete und Kleopatra, die in den Jahrhunderten nach Hatschepsut den Thron bestiegen und heute weitläufig bekannt sind. Hatschepsuts Weg zur Herrschaft begann mit einer Krise. Weil der vermutlich unfruchtbare Pharao Amenhotep I. keine Nachkommen gezeugt hatte, fehlte dessen Dynastie nach seinem Tod um 1504 v. Chr. ein Thronfolger. Um das Problem zu lösen, wurde ein Mitglied der ägyptischen Elite auf den Thron gehoben, wahrscheinlich ein General: Thutmosis I. – Hatschepsuts Vater. Thutmosis I. führte erfolgreiche Schlachten und erweiterte die Grenzen des Königreichs Ägypten. Er begann ein Bauprogramm für Tempel und überhöhte den Status des Gottes Amun, des Wind- und Fruchtbarkeitsgottes der altägyptischen Religion. Obwohl männlichen Nachkommen im Pharaonenpalast die höchste Bedeutung zukam, genoss auch Hatschepsut als erstgeborene Tochter des Pharaos ab ihrer Geburt um 1500 v. Chr. einen Sonderstatus. Ihr wurde die rituelle Rolle als Frau des Gottes Amun übertragen. Dafür wurde Hatschepsut von einer Amme umsorgt und später in die Obhut von Tutoren gegeben. Ihre Mutter, vermutlich eine Nebenfrau des Pharaos, widmete sich währenddessen wieder ihrer Aufgabe, weitere Nachkommen mit dem Herrscher zu zeugen. Hatschepsut studierte mit ihren Tutoren die Skripte und Rituale für die Anrufung des Gottes Amun. Jeden Morgen musste der Gott aufs Neue von den Toten erweckt werden. Die Tochter des Pharaos war wohl noch nicht einmal zehn Jahre alt, als sie mit der täglichen Ausführung des Rituals begann. Auch sonst erlebte Hatschepsut keine gewöhnliche Kindheit: Sie wurde nicht mit den anderen Kindern von Nebenfrauen erzogen, sondern saß oft mit ihrem Vater in dessen Thronraum. Thutmosis I. hatte ein enges Verhältnis zu seiner Tochter und ließ sie seine Regierungsgeschäfte mitverfolgen. Sogar auf Kriegszügen begleitet sie ihn schon als junges Mädchen. Mit etwa 13 Jahren heiratete sie einen zwei Jahre jüngeren Halbbruder, den Thutmosis I. mit einer Nebenfrau gezeugt hatte. Inzestbeziehungen waren im alten Ägypten normal und sogar erwünscht: Die 18. Dynastie, aus der Hatschepsut entstammte, begann dem Glauben nach mit einer Bruder-Schwester-Beziehung. Gleichzeitig diente die Verbindung von Geschwistern dazu, die Macht innerhalb einer Familie zu konzentrieren und keine Konkurrenten entstehen zu lassen. Schon kurz vor oder nach der Eheschließung starb Thutmosis I. Das Schicksal Ägyptens lag nun in den Händen zweier Teenager. Doch Thutmosis II. war kränklich und auf die Rolle schlecht vorbereitet. Eigentlich hatte die Nachfolge auf einen der beiden leiblichen Brüder Hatschepsuts übergehen sollen – doch Amenmose und Wadjmose waren bereits jung verstorben. Thutmosis II. hatte vermutlich nur die Ausbildung eines höheren Beamten erhalten, der Thron und dessen Verantwortung waren ihm fremd. Hatschepsut hingegen war seit Kindheitstagen mit den Regierungsgeschäften und Ritualen vertraut. Sie beriet ihren Ehemann, während ihre Mutter Ahmose als Vormund die Regentschaft für Thutmosis II übernahm. Zügig sorgte das junge Paar für Nachkommen. Doch Hatschepsut brachte keinen männlichen Nachfolger zur Welt, sondern ein Mädchen: Neferure. Möglicherweise gebar sie noch eine weitere Tochter, die das Kindesalter jedoch nicht überlebte. Eine neue Krise um die Thronfolge bahnte sich an. Als Thutmosis II. nach nur drei Jahren auf dem Thron starb, ging die Macht nicht auf Hatschepsuts Tochter Neferure über, sondern auf das männliche Kleinkind, das eine Nebenfrau geboren hatte. Hatschepsut muss die Geschichte ihrer Familie sehr bewusst gewesen sein: dass ihr Vater als Außenseiter auf den Thron gekommen war, weil der Pharao keinen Nachkommen gezeugt hatte. Nun stand das Überleben ihrer Dynastie erneut auf der Kippe. Sie folgte deshalb dem Beispiel ihrer Mutter Ahmose und etablierte sich in einer royalen Mutterrolle. Dafür verdrängte sie die Nebenfrau und Mutter des Thronfolgers und übernahm als Vormund die Regentschaft für ihren Stiefsohn Thutmosis III. Es folgte eine beeindruckende Kampagne, um sich als legitime Herrscherin zu etablieren und zu behaupten. Dabei kam Hatschepsut ihr jahrelanges religiöses Training zugute. Sie verkündete dem Volk zunächst, ihre Regentschaft als Vormund sei göttlicher Wille. Thutmosis III. sei vom Gott Amun als ihr Nachfolger ausgewählt worden. Im Umgang mit dem kindlichen Thronfolger orientierte sie sich an ihrem Vater. Wie sie selbst einst mit ihm im Regierungszimmer gesessen hatte, beobachtete nun der heranwachsende Thutmosis III. seine Stiefmutter bei den Regierungsgeschäften. Er bekam eine religiöse und kriegerische Ausbildung. Ihrer Tochter Neferure übertrug Hatschepsut unterdessen die Rolle der Gottgemahlin Amuns, die sie einst selbst ausgeübt hatte. Unter Hatschepsuts Regentschaft erlebte Ägypten ertragreiche Ernten und verbuchte militärische Siege: Erfolgreiche Feldzüge nach Nubien sicherten dem ägyptischen Reich Gold und Mineralien. Sie setzte Stellvertreter ein, um Teile ihres Reiches zu verwalten und dort den Frieden und ihre Macht zu sichern. Sie organisierte ein straffes Verwaltungssystem, entlohnte ihre Priester und erwarb sich Wohlwollen und Respekt bei Beamten und Volk. Wie ihr Vater stieß sie ein umfangreiches Bauprogramm an und ließ überall im Land Tempel errichten oder erneuern. Die Darstellung auf Wandreliefs und Kartuschen – einer Hieroglyphendarstellung der Herrschenden, die ihren Eigen- und Thronnamen abbildeten – diente Hatschepsut dazu, ihre Macht zu legitimieren. Zunächst ließ sie Monumente im Namen ihres verstorbenen Ehemanns Thutmosis II. errichten, die sie als Frau des Königs und im Leinengewand der Gottgemahlin von Amun abbildeten. Bald änderte sich jedoch die Botschaft: Ihr Titel „Gottgemahlin von Amun“ wurde ersetzt durch „die älteste Tochter des Königs“. Hatschepsut begann, ihre Abstammung von Thutmosis I. zu betonen. Obelisken verkündeten, Hatschepsut sei die Prinzessin, der Gott die Regentschaft übertragen hatte. Sie nahm einen Thronnamen an, was eigentlich nur Königen zustand. Schritt für Schritt transformierte sie ihre Rolle als Vormund für den minderjährigen Pharao in eine eigenständige legitime Regentschaft. Zwei Jahre nach dem Tod von Thutmosis II. ließ sie sich schließlich zum König krönen. Abbildungen zeigten sie zunächst mit dem Pharaonen-Kopfschmuck, dem Beinkleid männlicher Pharaonen und freiem Oberkörper, allerdings mit Brüsten, schmalen Schultern und femininen Gesichtszügen. Bald wurden die Schultern breiter und das Gesicht voller. An die Stelle eines Busens traten starke Brustmuskeln. Selbst die Hautfarbe wurde angepasst: Frauen stellte man auf Reliefs üblicherweise in zarten Hauttönen dar, Männer hingegen rotbraun, weil sie sich viel in der Sonne aufhielten. Hatschepsut wurde auf Reliefs mit einem Zwischenton verewigt. Sogar sprachliche Veränderungen gingen mit dem Präzedenzfall einher, dass erstmals im alten Ägypten eine Frau ein Amt ausübte, das nur mit Männern assoziiert wurde. Die Hohepriester versahen die männlichen Ehrentitel des Pharaos mit weiblichen Endungen. Rituelle Texte sprachen vom König, nutzten aber weibliche Pronomen: Weil der Pharao außerdem eine Frau an seiner Seite haben musste, zog Hatschepsut ihre Tochter Neferure für Rituale heran. Der weibliche König wandelte im Auftreten geschickt zwischen den Geschlechtern. Während die Frau auf dem Thron in ihrer neuen Rolle immer sichtbarer wurde, trat der minderjährige Thronfolger zunehmend in den Hintergrund. Statt möglichst unauffällig zu regieren, schickte Hatschepsut in ihrem neunten Regierungsjahr sogar eine Expedition nach Punt. Das Land lag weit südlich von Ägypten, vermutlich im heutigen Eritrea oder Somalia, und hielt der Legende nach große Reichtümer bereit. Doch nur wenige ägyptische Könige waren bisher nach Punt...


Lörchner, Jasmin
Jasmin Lörchner, geb. 1985, Studium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre, seit 2015 freie Journalistin für Wirtschaft, Politik und Geschichte. Seit 2020 moderiert sie den Podcast "HerStory".

Jasmin Lörchner, geb. 1985, Studium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre, seit 2015 freie Journalistin für Wirtschaft, Politik und Geschichte. Seit 2020 moderiert sie den Podcast "HerStory".



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.