E-Book, Deutsch, Band 6, 496 Seiten
Reihe: Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi
Kriminalroman. Ein Fall für Kommissar Dühnfort
E-Book, Deutsch, Band 6, 496 Seiten
Reihe: Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi
ISBN: 978-3-641-32480-3
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als Kommissar Dühnfort am Tatort in Schwabing ankommt, bietet sich ihm ein seltsamer Anblick: Wie eine Herrscherin liegt die tote alte Dame in ihrem Bett, in den Händen hält sie einen roten Apfel und Weintrauben. Das Werk eines Mörders, der sein Opfer inszeniert und Aufmerksamkeit möchte. Doch die Nachbarn haben nichts Verdächtiges bemerkt, und die mysteriöse Putzkraft Elena scheint wie vom Erdboden verschluckt. Wird es schon bald ein weiteres Opfer geben? Kommissar Dühnfort tappt im Dunkeln – und das ausgerechnet jetzt, wo er eine interne Untersuchung am Hals hat. Ein Ermittlungserfolg würde seinen angeschlagenen Ruf wiederherstellen. Wagemutig beschließt er, alles auf eine Karte zu setzen und den Mörder herauszufordern – bevor er erneut zuschlägt …
Lesen Sie auch Kommissar Dühnforts neusten Fall: »Der Spieler«.
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1
Vor den Fenstern des Vernehmungsraums senkte sich Dämmerung herab. Die Luft im Zimmer war stickig und abgestanden und von der Heizung völlig ausgedörrt. Dühnforts Augen brannten, als sei er in einen Mistral geraten. Sein Mund war trocken. Langsam und stetig stieg in ihm eine kaum zu unterdrückende Gereiztheit auf. Kirsten, die neben ihm saß, streckte sich. »Ich mach mal Licht.« Die Stuhlbeine scharrten übers Linoleum. Flackernd ging die Neonröhre über dem Tisch an. Mehr als drei Stunden dauerte die Befragung von Katja Behringer nun schon, in deren Verlauf sie von der Zeugin zur Beschuldigten geworden war. Dühnfort hatte sie über ihre Rechte belehrt. Dennoch hatte sie auf die Anwesenheit eines Anwalts verzichtet und schien sich sehr sicher zu fühlen. Das Gespräch drehte sich seit einer Stunde mehr oder weniger im Kreis. Sie gab nur zu, was sich nicht länger abstreiten ließ. Es gelang ihnen nicht, sie in Widersprüche zu verwickeln. Gebetsmühlenartig wiederholte sie die immer gleichen Phrasen, klammerte sich an Worte wie an Vorsprünge einer Steilwand, an der sie krampfhaft Halt suchte, während tief unter ihr der Abgrund lauerte. Doch sie kletterte ohne Seil. Sie würde abstürzen. Es war nur eine Frage der Zeit. »Frau Behringer, ich weiß, dass Sie Manuel Ruge getötet haben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, reinen Tisch zu machen. Erleichtern Sie Ihr Gewissen. Es wird Ihnen guttun und wirkt sich strafmildernd aus.« Sie senkte die Augen, betrachtete wieder einmal ihre Hände. Schmale, lange Finger. Mauvefarbener Nagellack. Ein Platinreif mit einem Diamanten steckte am linken Ringfinger. »Ich hätte Manuel nie etwas antun können.« Sie blickte auf und neigte den Kopf ein wenig. Mit großen Augen sah sie ihn an. Es machte ihn wütend, dass sie glaubte, er fiele auf dieses unschuldige Kindergetue herein, das sie immer wieder einsetzte. Sie war Anfang dreißig, und er erwartete, dass sie sich entsprechend benahm. Schließlich war sie Wettermoderatorin bei einem privaten Fernsehsender. Einen solchen Job bekam man nur, wenn man sich durchsetzen konnte. Für wie dumm hielt sie ihn? »Wir haben uns in aller Freundschaft getrennt. Warum hätte ich das tun sollen?« Ihre Mundwinkel zuckten, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Ich habe ihn doch geliebt.« Wie er diesen Satz hasste! In der Regel wurde er von Männern bemüht, die ihre Frauen erschlagen, erdrosselt, erstochen oder auf andere Art getötet hatten, weil sie das Unfassbare gewagt hatten: ihn zu verlassen. Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch kein anderer haben. Doch es gab sie, die seltenen Fälle, in denen Frauen aus diesem Grund mordeten. Katja Behringer gehörte zu ihnen. Davon war er überzeugt. »In aller Freundschaft getrennt? Manuel Ruge hat seiner Frau von Ihrem Auftritt in seinem Büro erzählt. Sie haben gesagt, er würde das büßen und bitter …« »Mein Gott, was erwarten Sie denn? Sie ist eifersüchtig. Sie hasst mich und wird das Blaue vom Himmel lügen, um mich verdächtig zu machen. In ihren Augen bin schließlich ich die Böse, die ihre ach so tolle Ehe zerstört hat. Dabei hat sie Manuel nicht mehr geliebt als den nächsten Geldautomaten an der Ecke. Sein Einkommen war alles, was sie von ihm wollte. Und dann hängt sie ihm noch ein zweites Kind an. Es ist unglaublich.« In ihrer Stimme lag alle Verachtung, die sie der Frau ihres toten Exgeliebten entgegenbrachte. »Kehren wir doch noch einmal zu dem Medikament zurück, das Sie sich wegen einer angeblichen Bronchitis …« »Wieso angeblich? Ich habe mir die Seele aus dem Leib gehustet. Das wird Ihnen mein Arzt bestätigen. Grundlos hat er mir das Antibiotikum sicher nicht verschrieben.« »Er wollte Ihnen kein Rezept dafür ausstellen. Sie haben darauf gedrängt.« »Warum sagt er das? Das ist nicht wahr.« »Und Sie haben das Medikament auch nicht eingenommen. Es fehlen nur zwei Tabletten aus dem Blister.« »Weil es mir schnell besserging. Deshalb habe ich es abgesetzt.« »In Ihrem Bad gibt es zahlreiche angebrochene Medikamentenpackungen. Sie werfen sie also nicht leichtfertig weg. Weshalb haben wir das Antibiotikum dann im Müll gefunden?« »Ich habe es nicht weggeworfen. Nicht absichtlich. Die Schachtel lag auf dem Couchtisch bei den Illustrierten. Sie muss dazwischengeraten sein, als ich sie entsorgt habe.« Endlosschleife, dachte Dühnfort. So kommen wir nicht weiter. Er brauchte eine Idee und eine Pause. Während er sich reckte und mit einer Hand den verspannten Nacken massierte, fing er Kirstens Blick auf. Sie schien genauso genervt wie er. Die Hoffnung auf ein Geständnis löste sich in Luft auf. Dühnfort war sich sicher, dass Katja Behringer ihren Geliebten hinterhältig getötet hatte, und zwar mit einem Antibiotikum, auf das er allergisch reagierte. Zweimal in seinem Leben hatte er es eingenommen und beide Male einen anaphylaktischen Schock erlitten, den er nur knapp überlebt hatte. Wissentlich hätte Manuel Ruge das Medikament kein drittes Mal geschluckt. Und das hatte er auch nicht. Es war im Dessert gewesen, einer Pannacotta. Doch bisher konnten sie Katja Behringer weder nachweisen, dass sie von der Allergie wusste, noch dass sie am fraglichen Abend in Ruges Wohnung gewesen war und ihm seine Lieblingsnachspeise mitgebracht hatte. Denn sie war häufig dort gewesen. Ihre Spuren am Tatort waren so erklärbar. Kirsten unterdrückte ein Gähnen. Auch sie schien eine Pause zu brauchen. Dühnfort sah auf die Uhr. »Unterbrechung der Vernehmung Behringer um achtzehn Uhr zehn.« Er stellte das Aufnahmegerät ab. »Wir machen jetzt fünfzehn Minuten Pause. Möchten Sie etwas trinken oder essen?« »Danke. Ich möchte jetzt gehen. Wir sind ja wohl fertig.« Dühnfort öffnete das Fenster und ließ frische Luft herein. »Noch nicht ganz.« »Wie lange wollen Sie diese Schikane noch fortführen?« »Ich hole mir einen Kaffee. Magst du auch einen?«, fragte Kirsten. Dühnfort nickte. »Gerne. Die Pavoni ist eingeschaltet.« Die Espressomaschine in seinem Büro war seine Antwort auf die Automaten, die in jedem Stockwerk des Münchener Polizeipräsidiums auf den Fluren standen und untrinkbare Plörre von sich gaben. Er sah Kirsten nach, wie sie den Vernehmungsraum verließ. Seit vier Monaten gehörte sie jetzt zu seinem Team und machte ihre Arbeit gut, doch so richtig warm geworden war er mit ihr bisher nicht. Eine kühle Blonde, stets akkurat, überlegt und zielstrebig und dabei abweisend und unnahbar. Lediglich Staatsanwalt Christoph Leyenfels schien einen der Schutzwälle überwunden zu haben, die sie, nicht grundlos, umgaben. Was sie erlebt hatte, steckte man nicht einfach weg. Der Mordfall Manuel Ruge musste Kirsten erschüttern, doch sie hatte sich im Griff. Wie immer. »Ich habe Sie etwas gefragt.« Katja Behringer schob den Stuhl zurück und stand auf. »Wie lange wollen Sie mich hier noch festhalten?« »Nicht länger als nötig.« »Soll heißen, bis ich einen Mord gestehe, den ich nicht begangen habe.« Er spürte die Wut, die sie zu unterdrücken versuchte, eine latente Aggressivität, die dicht unter der makellosen Oberfläche dieser attraktiven Frau vibrierte. »Würden Sie sich bitte wieder setzen.« »Das sind Polizeistaatmethoden«, fuhr sie ihn an. »Ich werde es öffentlich machen, wie ich hier behandelt und unter Druck gesetzt werde.« Zorn funkelte in ihren Augen. Eine Ader am Hals trat hervor. Er sah den Pulsschlag darin pochen. Derartige Drohungen waren nicht neu für ihn. Häufig kamen sie, wenn ein Beschuldigter sich in die Enge getrieben fühlte, wenn das Unausweichliche absehbar wurde, wenn man sich langsam der Wahrheit näherte. »Es steht Ihnen frei, sich an meinen Vorgesetzten zu wenden. Sie sollten Ihre Vorwürfe allerdings beweisen können. Aus diesem Grund zeichnen wir Vernehmungen auf.« Er ging auf sie zu und wollte ihr die Hand beschwichtigend auf die Schulter legen. »Bitte setzen Sie sich.« Sie schlug sie weg. »Fassen Sie mich nicht an. Sie Scheißkerl!«, schrie sie und schlug um sich. Plötzlich flogen ihre Hände und Arme. »Pfoten weg!« Ihr Unterarm traf seine Brust. »Scheißkerl!« Das ging zu weit. Er wehrte den folgenden Schlag ab und versuchte, sie in Polizeigriff zu nehmen. »Au! Sie tun mir weh!« Mit der freien Hand hieb sie weiter auf ihn ein. »Hilfe!« Herrgott, was für ein Theater! »Beruhigen Sie sich!« Hatte ihre Attacke ihn für den Bruchteil einer Sekunde amüsiert, schlugen seine Gefühle nun in Zorn um. Was war er doch für ein verdammter Idiot! Sie wollte Tatsachen schaffen und schlug weiter auf ihn ein. Bulle verprügelt Beschuldigte. »Jetzt ist es aber gut!« Er drehte ihr den Arm auf den Rücken, sah einen Uniformierten in den Raum stürzen, während er versuchte, sie im Polizeigriff zu halten, doch sie stellte ihm ein Bein. Krachend landeten sie beide auf dem Boden. Ihre Schreie gingen in ein Wimmern über. Der Kollege ging neben ihr in die Hocke und beugte sich über sie. »Sie sind ja verletzt!« Dühnfort rappelte sich auf. Der Schutzpolizist sah zu ihm hoch. Sie kannten sich....