E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Löffelsender Das Konzentrationslager Buchenwald 1937 bis 1945
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8353-8813-0
Verlag: Wallstein Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-8353-8813-0
Verlag: Wallstein Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zum 80. Jahrestag der Befreiung: Die Geschichte eines der größten nationalsozialistischen Konzentrationslager in ihren wesentlichen Zügen, Entwicklungen und Zusammenhängen kompakt dargestellt.
Ab Sommer 1937 ließ die SS auf dem Ettersberg nahe der Stadt Weimar das Konzentrationslager Buchenwald errichten. Es wurde zu einem der größten nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bis zur Befreiung im April 1945 durchlief mehr als eine Viertelmillion Menschen aus nahezu allen Ländern Europas das Hauptlager auf dem Ettersberg oder eines seiner über 130 Außenlager. 56.000 Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder überlebten dies nicht.
Michael Löffelsender bietet anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung eine komprimierte, dabei alle wichtigen Aspekte einbeziehende Geschichte des Konzentrationslagers. Schlaglichtartig und beispielhaft werden die Binnengeschichte des Lagers, das Handeln der SS, die Erfahrungen der Verfolgten und die Einbettung des Lagers in die deutsche Gesellschaft im Nationalsozialismus verdeutlicht.
Im erinnerungspolitisch so wichtigen Jahr 2025 liegt damit eine gut lesbare, aktuelle und kompakte Darstellung über das KZ Buchenwald für ein breiteres Publikum vor.
Autoren/Hrsg.
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Die ersten Jahre – Das Lager 1937 bis 1939
Am 15. Juli 1937 brachten SS-Männer mit Lastwagen die ersten 149 Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen auf eine Baustelle auf dem Ettersberg rund acht Kilometer nordwestlich des Stadtzentrums von Weimar. Die Planungen der SS sahen vor, hier in den kommenden Monaten ein neues Konzentrationslager für mindestens 8.000 männliche Häftlinge errichten zu lassen. Auf den ersten Blick überrascht der Zeitpunkt dieser neuen Lagergründung. Die nationalsozialistische Diktatur war im Sommer 1937 mehr als vier Jahre alt, das Regime um Adolf Hitler und seine Partei, die NSDAP, war fest etabliert. In diesen vier Jahren hatten die Nationalsozialisten die gesellschaftliche Ordnung Deutschlands tiefgreifend verändert und den demokratischen Verfassungsstaat der Weimarer Republik in rasantem Tempo in eine rassistische Diktatur umgestaltet. Alles, was ihr entgegenstand, war abgeschafft oder ausgeschaltet, und alle Grundlagen einer friedlichen Ordnung waren zerstört worden: demokratische Gewaltenteilung, Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und alle übrigen bürgerlichen Freiheitsrechte. Die Medien, die Justiz und alle staatlichen Verwaltungen funktionierten nur noch im Sinne des Regimes. Der Großteil der deutschen Bevölkerung identifizierte sich mit der neuen Ordnung oder hatte sich mit ihr arrangiert. Denn mit seiner Parole von der »Volksgemeinschaft« propagierte das nationalsozialistische Regime ein vermeintliches Allheilmittel zur Lösung der anhaltenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise im Deutschen Reich. Was es versprach, klang für viele Deutsche attraktiv: eine ethnisch homogene, »rassereine« und harmonische Gemeinschaft, frei von sozialen und politischen Konflikten und verbunden mit der Aussicht auf eine wiederhergestellte nationale Größe und Stärke. Die Verheißung einer solchen »Volksgemeinschaft« appellierte an die Sehnsucht weiter Teile der deutschen Bevölkerung nach Einheit und Gemeinschaft. Für die Mehrheit verlor sie selbst dann nicht ihre Anziehungskraft, als sie sah, wie die Nationalsozialisten ihre Versprechen praktisch umsetzten. Denn die Schaffung der »Volksgemeinschaft« bedeutete nicht nur soziale Integration, sondern vor allem und zuallererst die brutale Ausgrenzung all derer, die keinen Platz in ihr haben sollten. Konzentrationslager als Orte der Aussonderung der Missliebigen, als Abschreckungsmittel, Besserungsanstalten und Stätten unkontrollierter Gewalt waren deshalb von Beginn an ein Kennzeichen der nationalsozialistischen Herrschaft. Die ersten Konzentrationslager, in die Menschen ohne Gerichtsurteil und für unbestimmte Dauer eingesperrt wurden, waren bereits im Zuge der Etablierung der Diktatur entstanden. Neben dem großen KZ Dachau bei München waren es vor allem kleinere, improvisierte Haftstätten wie das im März 1933 eingerichtete KZ Nohra auf einem Flugplatz bei Weimar, das nur einige Wochen existierte, und das im Oktober 1933 gegründete KZ Bad Sulza, rund 30 Kilometer östlich von Weimar. Ein ehemaliges Kurhotel war dort kurzerhand zum Lager umfunktioniert worden. Orte wie diese dienten zunächst, wenn auch nicht nur, vor allem dazu, die politischen Gegner und Gegnerinnen des Regimes brutal auszuschalten. Von einem vernehmbaren politischen Widerstand konnte im Sommer 1937 jedoch keine Rede mehr sein. In den noch bestehenden Lagern im Deutschen Reich waren kaum mehr als 5.000 Personen, überwiegend Männer, inhaftiert. Und dennoch ging die SS daran, in Thüringen ein neues Konzentrationslager für tausende weitere Gefangene zu bauen. Abb. 1: Die Ankunft der ersten Häftlinge auf dem Ettersberg, 15. Juli 1937. SS-Fotografie Gründung und Aufbau
Der Entschluss zum Bau des KZ Buchenwald fiel in eine Phase, in der das nationalsozialistische Regime die Ausgrenzungen ausweitete und hierfür die Verfolgungsmechanismen und das System der Konzentrationslager neu justierte. Neben der politischen »Gegnerbekämpfung« ging es nun verstärkt darum, die deutsche Gesellschaft rassistisch umzugestalten und alle »Gemeinschaftsfremden« und »Volksfeinde« durch Gewalt und Terror gefügig zu machen oder dauerhaft auszusondern. Hierzu zählten alle, die nach der NS-Ideologie aus rassischen, ethnischen, sozialen oder biologischen Gründen als minderwertig galten. In der propagierten »Volksgemeinschaft« sollten sie deshalb keinen Platz haben. Hierunter fielen vor allem Jüdinnen und Juden, Sinti:zze und Rom:nja, aber auch Menschen, die als Vorbestrafte, »Arbeitsscheue« oder Homosexuelle verfolgt wurden, und andere. Die Umsetzung dieser Politik lag in erster Linie in den Händen Heinrich Himmlers und seines autonom agierenden Terrorapparates. Als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei lagen gleich zwei mächtige Instrumente im Kampf gegen die vermeintlichen Feinde des Volkes in seinen Händen: die sogenannte Sicherheitspolizei, bestehend aus Geheimer Staatspolizei (Gestapo) und Kriminalpolizei, sowie die Konzentrationslager der SS. Die existierenden Konzentrationslager waren mit Ausnahme Dachaus für die veränderten Zwecke jedoch ungeeignet, weshalb die SS neue bauen ließ. Das erste moderne Lager – wie Himmler es nannte – war das seit 1936 im Bau befindliche KZ Sachsenhausen. Das Lager in Oranienburg bei Berlin markierte den Beginn der nun einsetzenden zweiten Gründungswelle von Konzentrationslagern. Auf Sachsenhausen folgten Buchenwald und etwas später Lager wie Flossenbürg, Neuengamme oder Ravensbrück. Hatte man für die älteren, eilig eingerichteten Lager noch vorhandene Räumlichkeiten aller Art genutzt, so handelte es sich bei den neuen großen Konzentrationslagern um am Reißbrett entworfene Neubauten. Sie waren keine Provisorien mehr, sondern auf einen dauerhaften Betrieb ausgelegt. Bei Bedarf sollten sie zudem jederzeit vergrößert werden können. Insofern waren sie bereits ein Vorgriff auf den geplanten Krieg, für den größere Verhaftungswellen vorgesehen waren. Die Entscheidung, neben Dachau und Sachsenhausen ein weiteres großes Lager in Thüringen zu errichten, wurde bereits 1936 getroffen. Es sollte zum zentralen Konzentrationslager im und für den mitteldeutschen Raum werden und die bestehenden Lager Bad Sulza, Lichtenburg und Sachsenburg ersetzen, die vor der Schließung standen. Lediglich der Standort sorgte für Diskussionen. Erst im Mai 1937, zwei Monate vor der Ankunft der ersten Häftlinge, legten sich die SS-Führung und die thüringischen Ministerien auf ein Waldgebiet auf der Nordseite des Ettersbergs bei Weimar fest. Liegenschaften bei Jena und Erfurt hatten sich als ungeeignet erwiesen. Verworfen hatte man zudem den kurzzeitig ins Auge gefassten Ausbau des KZ Bad Sulza, wo sich zu diesem Zeitpunkt nur noch rund 150 Häftlinge befanden. Der Ettersberg, der Hausberg Weimars und seit den Zeiten Goethes und Schillers ein beliebtes Ausflugsziel der städtischen Bevölkerung, erfüllte die maßgeblichen Voraussetzungen der Planer: ausreichend Fläche sowie abbaufähige Lehmvorkommen für die in Aussicht genommene Ziegelproduktion der SS. Für das Lager stellte die Thüringer Regierung 46 Hektar Staatsforst zur Verfügung. Durch (Zwangs-)Verkäufe aus kommunaler und privater Hand wuchs das Areal schnell auf mehr als 100 Hektar an und umfasste zuletzt rund 190 Hektar. Das unwirtliche Klima auf der Nordseite des Berges auf deutlich über 400 Metern Höhe stellte für die SS keinen Hinderungsgrund dar; ebenso wenig die nicht vorhandene Wasser- und Stromversorgung in dem dicht bewaldeten Gelände. Aus der Standortwahl ergab sich für die SS der Name des neuen Lagers: »K. L. Ettersberg«. Gegen ihn, nicht gegen das Konzentrationslager selbst, erhoben sich jedoch Proteste seitens des Weimarer Bildungsbürgertums. Aufgrund seines engen Bezugs zu Goethe galt ihnen der Ettersberg als ein Symbol der Weimarer Klassik mit einem festen Platz im kulturellen Gedächtnis der Stadt. Ein Konzentrationslager gleichen Namens war für sie schlicht undenkbar. Dem Drängen des Weimarer Ortsverbandes der »NS-Kulturgemeinde« gab die SS-Führung erstaunlich schnell nach. Noch im Juli 1937 benannte sie das Lager um: Aus dem »K. L. Ettersberg« wurde das »K. L. Buchenwald, Post Weimar«, so die offizielle Bezeichnung. Jener Name, der schon bald selbst in Thüringen und weit darüber hinaus zu einem Symbol werden sollte – einem Symbol für Terror und schrankenlose Gewalt. Die ersten Rodungen auf dem künftigen Lagerareal begannen Anfang Juli 1937. Offiziell in Betrieb genommen wurde das Lager jedoch erst mit der Ankunft der ersten Häftlinge am 15. Juli. Was sie vorfanden, war nicht viel mehr als einige notdürftig hingestellte Holzbaracken, umgeben von dichtem Wald. Ihr Lager mussten die Häftlinge, deren Zahl bis Jahresende auf über zweieinhalbtausend stieg, von Grund auf selbst errichten. Die Bebauungspläne der SS-Architekten waren groß und orientierten sich funktional an der Anlage des KZ Sachsenhausen. Charakteristisch war hierbei eine klare Trennung vom Häftlingsbereich, dem sogenannten Schutzhaftlager, und dem angrenzenden und weitläufigen Areal des SS-Standortes. Später kam noch ein Produktionsbereich für SS-eigene Werkstätten hinzu. Das terrassenförmig in die Hanglage des Berges gebaute Häftlingslager bestand aus sechs Reihen mit eingeschossigen hölzernen Fertigteilbaracken und drei...