Liese-Evers / Heier | Tiergestützte Interventionen mit Kindern und Jugendlichen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Liese-Evers / Heier Tiergestützte Interventionen mit Kindern und Jugendlichen

Ein Praxisbuch
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7495-0226-4
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Praxisbuch

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-7495-0226-4
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
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Tiere helfen Menschen bei ihrer Entwicklung und Förderung In vielen Bereichen des Lebens ergänzen Tiere unsere Arbeit und stellen für uns eine emotionale Bereicherung dar. So verwundert es nicht, dass auch im sozialen und pädagogischen Bereich tiergestützte Interventionen zunehmen. Waren dabei zunächst Hunde und Pferde beliebt, so sind die als Co-Therapeuten eingesetzten Tierarten inzwischen vielfältiger geworden. Und das hat Auswirkungen auf die Praxis. In diesem Buch werden u.a. - Möglichkeiten, aber auch Grenzen in der Begleitung von Kindern und Jugendlichen aufgezeigt, - rechtliche Aspekte und „Stolperfallen“ betrachtet, - die Fähigkeiten der jeweiligen „tierischen Mitarbeiter“ dargestellt, - Konzepte vorgestellt, um qualitativ hochwertige Arbeit bieten zu können, - und es wird der respektvolle Umgang mit den Tieren vermittelt. So gelingt eine realistische Einschätzung der eigenen Mittel und Möglichkeiten. Praktische Ideen und Tipps geben zudem Impulse, um die eigene Arbeit kreativ zu erweitern und zu gestalten.

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1. Theoretische Grundlagen der tiergestützten Arbeit
Wer plant, in seiner Einrichtung Tiere in der pädagogischen Arbeit einzusetzen, wird sehr wahrscheinlich erst einmal Überzeugungsarbeit leisten müssen. Nicht nur Vorgesetzte, sondern auch Teamkolleginnen und Sorgeberechtigte müssen ihr Einverständnis geben. Hilfreich ist es also, sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und theoretische Grundlagen beziehen und fachlich argumentieren zu können. Im Folgenden werden daher einige grundlegende Theorien zur tiergestützten Arbeit benannt. 1.1 Die Biophilie-Hypothese
Menschen und Tiere gehören seit jeher zueinander. Die Biophilie-Hypothese von Edward O. Wilson geht genau von dieser Annahme aus. Sie besagt nämlich, dass der Mensch, bedingt durch die gemeinsame Entwicklungsgeschichte, ein angeborenes Interesse an Tieren hat. Stets musste er sich mit ihnen auseinandersetzen und war auf sie angewiesen. Biophilie – aus altgriechisch bios „Leben“ und philia „Liebe“ – bedeutet laut Wilson die „vererbte emotionale Affinität des Menschen zu anderen lebenden Organismen“ (1984, in Vernooij & Schneider, 2010, S. 4). Oder, wie Olbrich und Otterstedt schreiben, „die dem Menschen inhärente Affinität zur Vielfalt von Lebewesen in ihrer Umgebung ebenso wie zu ökologischen Settings, welche die Entwicklung von Leben ermöglichen“ (2003, S. 69). Das heißt, es besteht evolutionsbedingt eine Verbindung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Die Beziehung zum Tier und zur Natur ist somit heute nicht als Luxus anzusehen, sondern bedeutet eher eine Notwendigkeit für eine persönliche, geistige und emotional gesunde Entwicklung, und zwar von Kindheit an. Durch die zunehmende Technisierung unserer Umwelt erleiden wir jedoch einen Natur- und Beziehungsverlust, da uns in der relativ gesehen kurzen Zeit der zivilisatorischen Entwicklung keine optimale Anpassung an diese neue Umwelt gelungen ist: Kinder verbringen immer mehr Zeit mit elektronischen Medien anstatt in der freien Natur und im Umgang mit Lebewesen. Diese zunehmende Entfremdung von der Natur wird auch mit dem Begriff des Natur-Defizit-Syndroms bezeichnet. Es zeigt sich eine Zunahme von psychischen und emotionalen Störungen bzw. Bindungsstörungen im Kindes- und Erwachsenenalter sowie eine erhöhte Stressbelastung (vor allem im sozialen Bereich). Da unsere Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten aber auf natürliche Umgebungen abgestimmt sind, benötigen wir weiterhin die Natur für gesunde soziale Beziehungen. Die Begegnung mit Tieren bringt eine sichtbar positive und oftmals sogar heilsame Wirkung mit sich (Vernooij & Schneider, 2010). Die Tiere „vervollständigen oder ergänzen“ eine Lebenssituation und dienen als „soziale Katalysatoren, das heißt, sie erleichtern oder ermöglichen den sozialen Austausch mit Menschen und anderen Lebewesen“ (Olbrich & Otterstedt, 2003, S. 76). Immer wieder wird in vielen wissenschaftlichen Studien die positive, sogar heilende Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung erforscht und belegt, wobei ein heilender Prozess in diesem Zusammenhang im Rahmen einer ganzheitlichen Entwicklung gemeint ist. Die durch die Begegnung mit dem Tier herbeigeführten Effekte beeinflussen unsere körperlichen, seelischen, geistigen und sozialen Kräfte. Die Begegnung mit Tieren hat eine Beziehungsqualität, welche sich auf unsere Lebensqualität auswirkt. 1.2 Das Konzept der Du-Evidenz
An diese Sichtweise schließt sich das Konzept der Du-Evidenz an: „Mit Du-Evidenz bezeichnet man die Tatsache, dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich bzw. Tiere unter sich kennen“, so Greiffenhagen und Buck-Werner (2011, S. 22). Meistens geht diese Beziehung vom Menschen aus, aber auch umgekehrte Fälle kommen vor. Deutlich wird diese Beziehung unter anderem dadurch, dass Menschen ihren Tieren einen Namen geben und ihnen oft menschliche Charaktereigenschaften zuschreiben. Bei dieser Form der Beziehung zwischen Tier und Mensch ist nicht entscheidend, dass es sich um objektive emotionale Zuwendung oder Wahrnehmung handelt, wichtig ist nur die subjektiv empfundene Partnerschaft und Verbundenheit. Die Breite der durch die Du-Evidenz nahegelegten Zuwendung reicht vom Betrachten und Füttern der Aquarienfische bis zu einer Partnerschaft, welche kaum noch Unterschiede zu zwischenmenschlichen Beziehungen erkennen lässt. Das gilt besonders für die Kind-Tier-Beziehung (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2011). In der Arbeit mit jungen Menschen sollte sich diese Ressource zunutze gemacht werden. Kinder und Jugendliche gehen meist unvoreingenommen auf Tiere zu und fühlen sich von diesen angezogen. Die Tiere wirken auch hier als soziale Katalysatoren, da sie den Kontakt mit anderen Menschen erleichtern. Kommunikation und Interaktion stellen in der sozialen Arbeit die Basis für eine gelungene Beziehungsarbeit dar; genau hier kann Tiergestützte Pädagogik effektiv wirken, um positive Effekte und Entwicklungen zu erzielen (vgl. auch Abschnitt 1.4, „Tiere als soziale Katalysatoren“). 1.3 Der Aschenputtel-Effekt
Der sogenannte „Aschenputtel-Effekt“ bezeichnet die Wertfreiheit der Tiere gegenüber dem Menschen. Tiere fragen nicht nach Schönheit, sozialem Status oder Gesundheitszustand und nehmen den Menschen an, „gleich, wie unattraktiv, ungepflegt, hilflos, langsam usw.“ er ist (Olbrich & Otterstedt, 2003, S. 67). Diese unvoreingenommene, bedingungslose Annahme des Tieres lässt also Aussehen und Defizite außer Acht und hat zur Folge, dass der Mensch sich von seinem tierischen Gegenüber angenommen fühlt. Gerade für Kinder und Jugendliche, die in ihrer sozialen Umgebung isoliert sind, liegt die Bedeutung des Aschenputtel-Effekts dabei auf der Hand: Diejenigen, die aus verschiedensten Gründen das Gefühl haben, „nicht gewollt“, „ungenügend“ oder „weggegeben worden“ zu sein, haben oft Schwierigkeiten, sich auf Beziehungen und Bindungen einzulassen. In der tiergestützten Arbeit machen diese jungen Menschen durch den Aschenputtel-Effekt im Umgang mit den Tieren die Erfahrung, dass sie ohne Vorurteile so angenommen werden, wie sie sind. 1.4 Tiere als soziale Katalysatoren
Wie oben schon angesprochen, gehen Kinder und Jugendliche meist unvoreingenommen auf Tiere zu und fühlen sich von diesen angezogen. Dabei wirken Tiere als soziale Katalysatoren, da sie den jungen Menschen den Kontakt mit anderen Menschen erleichtern können. Das Tier dient quasi als Medium, welches eine Dreiecksbeziehung zwischen Helfer, Tier und Klient ermöglicht. Es macht somit den Austausch mit anderen Menschen für die Betroffenen leichter. Durch seine „Eisbrecher“-Funktion erleichtert das jeweilige Tier die soziale Kontaktaufnahme, kann die Motivation zur Zusammenarbeit steigern und Stress im pädagogischen bzw. therapeutischen Setting mindern; Kommunikation und Interaktion entwickeln sich daraus. Dabei soll der Einsatz von Tieren das Verhalten der Klienten insgesamt positiv beeinflussen. 1.5 Bindung und Stress – Wirkungen von Oxytocin und Cortisol
In der tiergestützten Pädagogik sollte dem Bindungshormon Oxytocin sowie dem Stresshormon Cortisol besondere Aufmerksamkeit zukommen. Arbeitet man mit Kindern oder Jugendlichen, die Schwierigkeiten haben, sich auf Bindungen und Beziehungen einzulassen oder denen es schwerfällt, zur Ruhe zu kommen, ist es wichtig, sich mit den Wirkmechanismen der beiden Hormone zu beschäftigen. Normalerweise entsteht im Verlauf des ersten Lebensjahres eine Bindung zu einer (oder mehreren) Bezugsperson(en), meistens der Mutter. Diese primäre Bezugsperson reagiert im Idealfall auf die kindlichen Bindungssignale mit angemessenem Pflegeverhalten und erfüllt so die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse des Kindes. Das Kind lernt, dass die Bezugsperson verlässlich präsent ist und entwickelt Vertrauen darin, dass es von ihr Zuwendung und Schutz erhält. Unter Bindungssignalen oder -verhalten versteht man grundsätzlich alle Verhaltensweisen des Kindes, die darauf abzielen, Nähe zur Pflegeperson herzustellen oder aufrechtzuerhalten, beispielsweise lächeln, glucksen, strampeln, schließlich auch weinen und schreien. Nach erfolgter Rückversicherung der Bindung durch das Kind wird das Bindungssystem deaktiviert, also beruhigt, was mit einem positiven Gefühl bei der Bezugsperson und dem Kind einhergeht: Das sogenannte Bindungshormon Oxytocin wird ausgeschüttet, während Stress durch den Abbau des Stresshormons Cortisol reduziert wird. John Bowlby, der Begründer der Bindungstheorie, war der Meinung, dass die Fähigkeit, Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen, ein herausragendes Merkmal einer erfolgreich handelnden, psychisch gesunden Persönlichkeit ist, die unabhängig vom Lebensalter betrachtet werden sollte (Bowlby, 1995). Machen Kinder jedoch wiederholt die Erfahrung, in ihren Grundbedürfnissen und Gefühlsäußerungen nicht gehört und angenommen, sondern zurückgewiesen zu werden, erhöht sich der Stresspegel und sie entwickeln auf Dauer ein unsicheres Bindungsverhalten. Was bedeutet dies nun für die Beziehung des jungen Menschen zu einem Tier? Sind die Ergebnisse übertragbar? Eine direkte Übertragbarkeit des Bindungssystems ist sicherlich nicht sinnvoll, da im Gegensatz zur Mutter-Kind-Bindung die Beziehung zu einem Tier in den ersten Lebenstagen nicht überlebensnotwendig ist. Dennoch werden später Tiere von Kindern und Jugendlichen als Begleiter oder sogar Familienmitglieder wahrgenommen. Auch können Tiere ein bedeutender Beziehungspartner und ein sicherer Bezugspunkt sein. Sie spenden Trost und geben Sicherheit sowie Zuwendung. Ebenso spielt das...


Liese-Evers, Melanie
Melanie Liese-Evers arbeitet als Literaturwissenschaftlerin und pädagogische Fachkraft mit Grundschülern und hochbegabten Kindern und Jugendlichen. Sie ist zertifizierte Fachkraft für tiergestützte Interventionen.

Melanie Liese-Evers arbeitet als Literaturwissenschaftlerin und pädagogische Fachkraft mit Grundschülern und hochbegabten Kindern und Jugendlichen. Sie ist zertifizierte Fachkraft für tiergestützte Interventionen.

Meike Heier arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist Diplom-Psychologin und zertifizierte Fachkraft für tiergestützte Interventionen.



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