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E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Küsten Krimi

Leymann Kieler Kriminalitäten

Küsten Krimi

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Küsten Krimi

ISBN: 978-3-96041-935-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein ironisch-herzlicher Krimi über eine tödliche Kleinfamilie.

Ellen hat alles, was man für ein gelungenes Leben braucht: einen harmlosen Gatten, zwei reizende Kinder, eine großzügige Schwiegermutter. Es hätte alles so schön sein können, wenn nicht dieser Unfall gewesen wäre, der Ellens Familie gehörig aus dem moralischen Takt bringt. Oder war es vielleicht gar nicht der Unfall selbst, der die kriminelle Ader der Beteiligten freilegte? In der Haut von Kommissar Janssen möchte man jedenfalls nicht stecken, der jetzt all die Toten einsammeln und den jeweiligen Mördern zuordnen muss.
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Ellen
Man muss es einfach mal ganz deutlich sagen: Kiel ist nicht wirklich berühmt für eine raffinierte Verkehrsführung. Da ist noch jede Menge Luft nach oben. Na, das ist nun richtig gemein von mir. Kiel hat selbstverständlich ganz viele wundervolle Straßen, von denen mir so auf die Schnelle allerdings grad keine einfällt. Und vom Stadtrand aus ist man zum Beispiel in knapp einer Viertelstunde am Hauptbahnhof. Welche Landeshauptstadt kann das schon von sich sagen? Alle unsere Straßen sind befahrbar. Nicht immer natürlich und nicht überall, aber meistens oder zumindest ziemlich oft. Nun sagst du vielleicht, »befahrbar« zu sein sei das Mindeste, was man von einer Straße erwarten kann. Aber du musst bedenken: Es kann auch schon mal ein bisschen regnen, oder es sind vielleicht noch andere Verkehrsteilnehmer auf der Straße und man hat obendrein das Radio an, ist also etwas abgelenkt – selbst dann sollte eine Straße noch befahrbar sein. Siehst du. Da liegt die Latte schon etwas höher. Zum Beispiel die Eckernförder Straße Kreuzung Olof-Palme-Damm. Du pirschst dich von der Stadt kommend einspurig ran und willst einfach nur geradeaus weiter. Nicht ganz simpel. Die verwirrende Vielfalt von Fahrspuren, die sich plötzlich und unvermutet vor dir auftut, lässt bei dem einen oder anderen schon mal den Blutdruck steigen. Eh du dich’s versiehst, bist du rechts abgebogen und auf dem Never-come-back-Olof-Palme-Damm gelandet. Schöne Scheiße. Das nächste Mal bist du natürlich mächtig auf der Hut. Nützt aber nichts. Schon bist du wieder bei Olof auf der Palme, nur diesmal in der anderen Richtung. Es bedarf einiger Versuche, bis du endlich den Bogen raushast: drei, vier geschickte Spurwechsel mitten auf der Kreuzung, und schon hat dich die Eckernförder Straße wieder. Das meine ich mit »nicht befahrbar«. Ellen steht an einer Kreuzung der Eckernförder Straße, die sogar ganz wunderbar befahrbar ist. So was gibt es nämlich auch in Kiel. Aber sie fährt nicht mit dem Auto. Sie wartet auf den Bus. Jetzt müsste er eigentlich gleich kommen. Ellen sieht auf die Uhr. Noch zwei Minuten. Sie tritt aus dem Wartehäuschen und sieht die Straße hinab. »Ransehen« hat ihre Mutter das immer genannt. »Komm, meine Kleine, wir sehen sie mal ran«, hatte sie gesagt, war mit ihr vor die Tür gegangen und hatte in die Richtung geschaut, aus der die Großeltern, die Tante, die Straßenbahn oder auf was sie gerade warteten, auftauchen mussten. »Dann geht es schneller.« Dadurch ging es natürlich nicht schneller. Doch das Warten war schneller vorbei, wenn man die »Rangesehenen« bereits hinten um die Ecke kommen sah. Neben Ellen stehen jede Menge Mitwarter. Alles Nicht-Ranseher. Das Jungvolk heutzutage hat andere Möglichkeiten, sich das Warten zu verkürzen. Den einen hängen Strippen aus den Ohren, andere starren gebannt auf ihr Handy und tippen hektisch mit den Daumen auf der blanken Oberfläche herum. Die beiden Mädchen hinten in der Ecke haben sich um die Schultern gefasst, lächeln das Smartphone an, das die eine weit von sich gestreckt hält, und dann beugen sich beide kichernd über das nun in die andere Richtung lächelnde Ergebnis. Sie alle wollen die Zeit verkürzen, bis der Bus kommt. Das ist natürlich Quatsch. Zeit kann man nicht verkürzen, sie bleibt immer gleich. Es lässt sich von der Uhr ablesen, wie gleich sie bleibt. Und doch schleicht sie manchmal dahin und kommt kaum vom Fleck, nur um wenig später davonzugaloppieren. Wer wüsste das besser als Ellen. Die Zeit rast vor ihr her durch den Supermarkt, sodass sie kaum hinterherkommt und ihre Einkäufe hektisch in den Einkaufswagen wirft, um dann an der Käsetheke endlos zu warten, nur weil der Mann vor ihr sich nicht entscheiden kann, ob er lieber den jungen Gouda oder den alten Amsterdamer nehmen soll. In aller Seelenruhe klaubt er jeweils ein Scheibchen von der hingehaltenen Forke der Käsefachverkäuferin, speichelt die Probierstücke gut ein und entscheidet sich dann nach einigem Zögern doch für zwei Scheiben von dem dahinten. »Von dem?« – »Nein, der weiter rechts.« – »Der?« – »Nein, von Ihnen aus links.« Ellen könnte wahnsinnig werden. Sie hat keine Zeit, das Essen muss auf den Tisch. Das wird jede halbwegs einsichtige Nicht-Rabenmutter verstehen. Kinder brauchen mittags was Warmes. Aber muss es immer was Großartiges sein? Spaghetti mit Tomatensoße sind schließlich auch warm. Bevor man sich total unter Stress setzt und harmlosen käseverkostenden Männern die Pest an den Hals wünscht, könnte man ja zweimal die Woche auf vollwertige Ernährung verzichten. Müsste doch möglich sein! Ist es aber nicht. Für die Kinder schon. Da könnte sie sich das erlauben. Und wenn Dr. Oetker dann noch seinen Ruckzuck-Pudding hinterherschiebt, wird es für die lieben Kleinen ein Festessen, das es gar nicht oft genug geben könnte. Aber Omi kann diese weißen »Wabbeldinger«, die sich Spaghetti nennen, nicht leiden. So alt ist sie denn nun doch nicht. Schließlich erfreut sie sich noch aller zweiunddreißig Zähne. Durch und durch solide und bissfest sind die. Und immerhin noch Marke Eigenbau. Und von dieser roten Matschepampe, die beim Drehen der Nudeln durch die Gegend spritzt und den Kindern die Münder verunstaltet, dass man gar nicht hinschauen mag, davon will sie schon gar nichts wissen. Schließlich ist Ellen in erster Linie Hausfrau und Mutter, da kann man schon ein wenig Kochkunst erwarten. Muss ja nicht jeden Tag Entenbraten sein. Aber ein paar nette Kleinigkeiten, hübsch dekoriert mit einem Salatblatt unter der geringelten Tomate, dazu etwas frische Petersilie über die Kartoffeln, das ist doch nicht zu viel verlangt. So hat sie es doch auch immer gemacht, damals, als der arme Kurt noch lebte, Gott hab ihn selig. Aber die jungen Frauen haben ja heutzutage Wichtigeres zu tun, und der arme Horst muss darunter leiden. Ellen sieht auf die Uhr. Jetzt müsste der Bus aber wirklich jeden Augenblick kommen. Erneut tritt sie aus dem kleinen Kabäuschen und sieht ihn ran. Nichts. Na ja, nichts ist stark untertrieben. Hinter der Kreuzung stehen Autos in Zweierreihen an der roten Ampel. Ellen erblickt im Prickeln ihrer Scheinwerferaugen die Bereitschaft, beim leisesten Anflug von Gelb loszupreschen. Da sollte sich die Frau auf dieser Seite der Kreuzung, die gerade mit ihrem kleinen Terrier an der Leine über die Fahrbahn zockelt, vielleicht ein wenig beeilen. Doch die Alte schleicht in aller Gemütsruhe weiter. Auf dem Mittelstreifen wird sie anhalten müssen, denn dahinter stehen die Autos der Gegenrichtung in den Startlöchern. Es ist abzusehen, dass das kleine grüne Männchen mit dem roten tauschen wird, bevor sie die vier Fahrspuren überquert hat. Dann muss sie – gefangen von dem um sie herumbrausenden Verkehr – auf der kleinen Insel des grünen Männchens harren. Das wird Herrn Terrier nicht sehr schmecken. Vielleicht lässt sie die Leine etwas weiter raus, damit er am Gras des Grünstreifens schnuppern kann und sein Geschäft erledigt. Dann hat Frauchen das schon mal hinter sich, zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen. Für das Erschlagen von zwei Fliegen mit einer Klappe hat Ellen eine Art siebten Sinn entwickelt. Sonst schafft sie es einfach nicht mehr. Das geht gleich morgens los: Rick und Lea müssen »schulfein« gemacht werden, wie sie das nennt. Also: die Kinder aus den Betten jagen, die Kaffeemaschine anwerfen, durchs Badezimmer hetzen, Pausenbrote schmieren, »Trödel nicht mit dem Essen«, »Spiel nicht in dem Müsli rum«, »Hast du dein Sportzeug eingepackt?«, »Fährst du heute die Kinder?« (Letzteres an den Gatten gerichtet) – das ganze Programm. Und alles, während Horst gedankenvoll dem Toaster beim Toasten zusieht und sich darüber beschwert, dass Ellen sich beim Einräumen der Teller in die Spülmaschine unwirsch von ihm befreit, wenn er sie umarmen und küssen will, weil der Gute-Morgen-Kuss im Schlafzimmer für seine Begriffe etwas zu spärlich ausgefallen ist. »Meine Güte, Horst, du stehst im Weg. Ich muss die Maschine noch bestücken und anstellen. Die soll arbeiten, sonst müssen wir heute Mittag von Papptellern essen.« »Du weißt aber schon, dass es Omi stört, wenn die Leitung gluckert. Obendrein grad um diese Zeit, wenn sie unten im Bad bei der Morgentoilette ist.« Dazu kullert er lustig mit den Augen und formt mit seinen Händen kleine Schallmuscheln, die er sich hinter die Ohren hält, damit er auch kleinste Geräusche besser einfangen kann. Ja, die Omi kann sehr feinhörig sein, wenn sie etwas stören soll. Das sind dann die Momente, in denen Ellen lachen muss und deswegen die Teller lieber auf die Anrichte stellt. Die Gefahr wäre sonst einfach zu groß, dass sie ihr aus der Hand rutschen. Wie sehr es Omi stören würde, wenn im Stockwerk über ihr vier Teller samt Besteck auf die Küchenfliesen knallen, möchte man sich gar nicht ausmalen. Es gibt überhaupt einen Haufen Dinge, die Omi nur schwer ertragen kann, wohingegen Ellen nur eins stört – und das ist Omi. Aber jetzt, wo sie die Hände schon mal grad frei hat, kann sie ihren Horst auch mal umarmen und ihm einen dicken Kuss auf seine süßen Hamsterbäckchen drücken. Ellen lächelt, als ihr die morgendliche Szene hier an der Bushaltestelle wieder einfällt. Dann kehrt sie schnell in das Wartehäuschen zurück, weil es anfängt zu nieseln. Dafür hat sie nicht eine halbe Stunde ihrer ohnehin viel zu knappen Zeit beim Friseur verbracht, um sich gleich wieder alles ruinieren zu lassen. Sie sieht erneut auf ihre Uhr und dann wieder hoch zu dem Geschehen auf der Straße. Auch von hier im Wartehäuschen hat sie Hund und Dame gut im Blick und kann beiden zusehen, wie sie der grünen Insel zwischen den...


Cornelia Leymann, geboren 1951 in Hannover, hat dort erst Pädagogik und dann Verkehrsingenieurswesen studiert und ist nach einigen Umwegen in Kiel hängen geblieben, wo sie als EDV-Spezi in Kieler Großbetrieben arbeitete. Heute widmet sie sich neben ihrer großen Liebe Bridge nur noch dem Schreiben und Malen.


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