Theologie im Dialog
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
ISBN: 978-3-8312-5734-8
Verlag: Komplett-Media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Prof. Dr. Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie an der Ludwig-Maximilians-Universität und Professor für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München sowie Fernsehmoderator. Prof. Dr. Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie an der Ludwig-Maximilians-Universität und Professor für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München sowie Fernsehmoderator.
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DER ANFANG VON ALLEM Lesch: Wir zwei treten jetzt den Gegenbeweis zu dem Vorurteil an, dass Naturwissenschaftler die Straßenseite wechseln, wenn sie Theologen begegnen und umgekehrt natürlich auch. Angeblich gönnen sich beide gegenseitig nicht einmal die Butter auf dem Brot, geschweige denn das Schwarze unterm Fingernagel. Wir zwei können uns sehr wohl aushalten und haben uns auch etwas zu sagen.
Thomas, es geht um die Schöpfungsgeschichte. Was fangen wir mit einer 3000 Jahre alten Schöpfungsgeschichte an, bei der am Anfang nix ist außer Tohuwabohu? Was kann die uns heute noch sagen? Schwartz: Zunächst muss man einmal festhalten, dass es in der Bibel zwei Schöpfungsberichte gibt. Beide haben uns insofern etwas zu sagen, als die Fragen, die in diesen beiden Texten gestellt werden, immer noch dieselben sind wie heute: Woher kommt der Mensch? Woher kommt die Welt? Wohin geht sie letztlich? Steckt da eine Ordnung dahinter, gibt es irgendwas oder irgendjemanden, der der Ursprung von allem ist? Gibt es ein Gesetz, das in allem wirkt? Von daher sind die Fragen, die die Menschen schon in der Frühzeit ihrer Geschichte gestellt haben, die gleichen wie heute. Ihr Astrophysiker beantwortet sie mit dem Big Bang. Lesch: Moment! Wir Naturwissenschaftler reden aber nicht von Schöpfung. Wir benutzen zwar gern auch mal eure Wörter, eben auch „Schöpfung“, aber unser wissenschaftlicher Begriff dafür ist „Evolution“. Wir würden auch nicht sagen, dass am Anfang ein Tohuwabohu herrschte, ein Chaos. Wir neigen dazu zu sagen, am Anfang war Licht. Gut, wir wissen nicht so genau, wo das herkam, wir wissen nur, dass sehr viel Licht war. Die naturwissenschaftliche Art und Weise, über den Anfang der Welt nachzudenken, ist aber nicht die der Schöpfungsgeschichte. Mit Licht fing es also an. Ist das bei euch ein Symbol oder ist es physikalisch gemeint? Schwartz: Im hebräischen Text heißt es: Gott sprach „Licht“. Lesch: Er hat den Schalter umgelegt. Schwartz: Er sprach „Licht“, und dann ist das nächste Wort: Siehe, Licht. Gott sagte also nicht, dass jetzt mal ein bisschen Licht werden soll, vielmehr war es so wie ein Anfang von allem, ein erstes Wort. Lesch: War da schon jemand dabei? Hat jemand außer Gott gesehen, dass Licht da war? Schwartz: Nein, das hat später ein Mensch so niedergeschrieben, um den anderen deutlich zu machen, dass es etwas gab, was Licht hervorbrachte. Lesch: Aber in dem Moment war keiner außer Gott da. Schwartz: Das ist aber doch schon ziemlich viel, oder? Lesch: An eurer Schöpfungsgeschichte fasziniert mich am meisten, dass sie im Vergleich zu vielen anderen Schöpfungsgeschichten friedlich beginnt. Bei den anderen hauen sich die Götter die Köpfe ein: bei den Griechen, bei den Babyloniern, ein einziges Hauen und Stechen! Hier haben wir es mit einer Geschichte zu tun, die schlicht damit beginnt, dass Gott sprach, es werde Licht. Hatte der schon alle Kämpfe hinter sich? Schwartz: Das Wichtige bei dieser Schöpfungsgeschichte ist, dass der oder diejenigen, die das aufgeschrieben haben, klarmachen wollten: Es gibt keinen Götterkampf, weil es gar keine anderen Götter gibt. Gerade bei der biblischen Schöpfungsgeschichte geht es darum, dass es nur einen einzigen Gott gibt, der Ursprung von allem ist. Dieser Gott, der am Anfang steht, ist ordnend tätig. Lesch: O.k., das habe ich jetzt verstanden. Soweit, so gut! Wir haben also Licht, wir haben einen Gott, der die Sache praktisch von Anfang an im Griff hat. Zumindest dem Schreiber dieser Zeilen stellt sich nicht die Frage, ob es Gott gibt. Bei dieser Schöpfungsgeschichte ist Gott von vornherein da. Wir modernen Menschen fragen uns oft, ob es Gott gibt und wie er wirkt. Ist Gott allmächtig oder eher nicht? Stichwort: Ungerechtigkeit, das Böse. Hier haben wir es mit einem Gott zu tun, der einfach da ist und jetzt sein Ding macht. Mit Licht fing es an. Welche Bedeutung hat es, dass es auf einmal Land und Meer gab? Ist das auch nur symbolisch gemeint? Schwartz: Anscheinend ist es nicht selbstverständlich, dass es Land und Meer gibt. Für die Menschen damals waren Überschwemmungen ein unerklärliches, bedrohliches Naturereignis. Die Überschwemmung des Schwarzen Meers war für die abendländische und orientalische Gesellschaft ein tiefgreifendes Ereignis, das in Mythen seinen Platz gefunden hat. So auch die Sintflut … Lesch: Ach! Die Sintflut hat es wirklich gegeben? Schwartz: Die gab es wahrscheinlich tatsächlich. Viele Theorien besagen, dass dieses Überschwappen des Mittelmeers ins Schwarze Meer stattgefunden hat. Der Bosporus war nicht immer eine Meeresenge, da muss wohl mal eine Landbarriere gewesen sein. Lesch: Ich staune! Der Mann ist schließlich Theologe und kein Naturwissenschaftler! Schwartz: Theologie schließt profanes Wissen in keiner Weise aus, lieber Harald. Also, soviel mir dazu einfällt, sind gewaltige Wassermassen ins Schwarze Meer übergeschwappt. In 30, 40 Meter Tiefe wurden Reste von Siedlungen gefunden. Das war wohl für die Menschen ein traumatisches Geschehen. Sie fragten sich nach der Ursache. Man suchte nach Erklärungsmustern. In der damaligen Zeit rechnete man eben mit Gott, nicht so wie heute, wo Gott vielfach nur als eine Idee, eine Fiktion angesehen wird. Nein, damals war Gott begreifbar und nah. Die Leute sagten: Gott hat uns bestraft, wir waren böse. Ein Mythos ist immer ein Erklärungsmuster für etwas, was Menschen bewegt. Lesch: In gewisser Weise ist die Naturwissenschaft für viele Menschen heute auch ein Mythos. Es gibt naturwissenschaftliche Theorien, die versteht kein Mensch, nicht einmal ein Naturwissenschaftler. Wir können uns nur auf die Mathematik verlassen und hoffen, dass es irgendwie stimmt. Insofern sind wir von Mythen gar nicht so weit entfernt. Aber nochmal zurück: Wir haben also Meer, das habe ich jetzt verstanden. Dann hat der Schöpfer das Meer vom Land getrennt. War Land wichtig? Schwartz: Natürlich! Weil auf dem Land etwas wächst. Land ist die Lebensgrundlage für Tier und Mensch. In der Geschichte von der Erschaffung des Menschen ist zu lesen, dass er nach seiner Vertreibung aus dem Paradies etwas anbauen musste. Wo kein Land ist, da kann man nur fischen. Aber der Mensch lebt nicht nur vom Fisch allein. Lesch: Ein paar Vitamine braucht er schließlich auch noch. Dann hätten wir das soweit abgearbeitet. Schon beeindruckend, wie geradlinig das geht. Als ob Gott eine Checkliste gehabt hätte. Schwartz: Heute machen wir mal das, dann das … Lesch: ...