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E-Book, Deutsch, Band 46, 358 Seiten

Reihe: Veröffentlichungen der Aue-Stiftung, Helsinki

Lenk / Richter-Vapaatalo Dreiecksbeziehung

Die Germanistik in Finnland und den beiden deutschen Staaten in den 1980er Jahren

E-Book, Deutsch, Band 46, 358 Seiten

Reihe: Veröffentlichungen der Aue-Stiftung, Helsinki

ISBN: 978-952-7283-16-5
Verlag: Aue-Säätiö
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit dem Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 wurde die deutsche Zweistaatlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes zementiert. Wie für alle Bereiche der Gesellschaft, wurde in der Folge in der DDR auch von den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften eine klare Abgrenzung von der "bürgerlichen Ideologie und Wissenschaft", besonders der Forschung in der Bundesrepublik gefordert. Auf der anderen Seite strebte die DDR nach der internationalen Anerkennung als souveräner Staat. Für diesen Zweck wurden einerseits der Spitzensport, andererseits die Vermittlung der deutschen Sprache im Ausland (die als Teil der Auslandspropaganda verstanden wurde) besonders instrumentalisiert. Einen besonderen Schwerpunkt spielten im letztgenannten Bereich die nordischen Länder, insbesondere Finnland. Die Konkurrenz der beiden deutschen Staaten auf dem Gebiet der auswärtigen Kultur- und Wissenschaftspolitik, bei der Entsendung von DeutschlektorInnen an die Universitäten und Kulturzentren, der regelmäßigen Organisation von gemeinsamen Konferenzen auf den Gebieten der Geschichtswissenschaft, der germanistischen Linguistik, der Sprachmittlung und Landeskunde währte bis zum Ende der deutschen Zweistaatlichkeit. Sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR rangen eifersüchtig um die Gunst der germanistischen FachkollegInnen in Finnland, um die Präsenz des eigenen Landes in der Wissenschaftslandschaft zu erhöhen. Während die Bemühungen der DDR um die Entwicklung ihrer Auslandspropaganda, inklusive jener in den nordischen Ländern, in mehreren Dissertationen, Monographien und Sammelbänden unter Einbeziehung von Archivmaterialien bereits recht gut untersucht wurden, wird eine genauere Beschreibung der Formen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der germanistischen Sprachwissenschaft zwischen Finnland und den beiden deutschen Staaten erstmals in diesem Band vorgenommen.

Prof. Dr. Hartmut E. H. Lenk absolvierte von 1976 bis 1980 ein Lehrerstudium mit den Fächern Deutsch und Englisch an der Humboldt-Universität zu Berlin. Anschließend wurde er Forschungsstudent und war ab 1983 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich germanistische Sprachwissenschaft der Humboldt-Universität tätig. Die Promotion erfolgte 1987 mit einer textlinguistischen Arbeit über die Handlungsstruktur von Kommentaren aus bundesdeutschen Tageszeitungen. Von 1986 bis 1988 war Hartmut Lenk am Deutschlektorat beim DDR-Kulturzentrum Helsinki tätig, von 1988 bis 2014 als Lektor für deutsche Sprache an der Universität Helsinki. Von 2014 bis 2017 vertrat er die Professur für Germanistik, 2017 wurde er zum Universitätsprofessor für deutsche Sprache an der Universität Helsinki berufen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Medienlinguistik, die kontrastive Onomapragmatik, die Phraseologieforschung, Deutsch als Fremdsprache und die Geschichte der Germanistik im deutsch-finnischen Kontext. Hartmut Lenk hat zahlreiche Veröffentlichungen (Monographien, edierte Sammelbände, zahlreiche Aufsätze) vorgelegt, u. a. ein Hochschullehrbuch zu Textsortenkonventionen und eine Monographie zu Gebrauchsformen von Anthroponymen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Finnland.
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HARTMUT E. H. LENK & ULRIKE RICHTER-VAPAATALO
Abgrenzung, Eifersucht, Buhlen um die Gunst
des Partners
Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR
als Partner der finnischen Germanistik
in den 1980er Jahren
In den 1970er Jahren hatte die Entspannungspolitik in Europa wesentliche Fortschritte erzielt. Die beiden deutschen Staaten begannen ihre Beziehungen zu normalisieren und traten im September 1973 beide der UNO bei. Mit der Anerkennung als souveräner Staat hatte die DDR ein wichtiges außenpolitisches Ziel erreicht. Die Konkurrenz in der auswärtigen Kulturpolitik bestand jedoch bis zum Ende der deutschen Zweistaatlichkeit fort. Damals neutrale Länder wie Finnland wussten ihren Vorteil daraus zu ziehen, dass sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Deutsche Demokratische Republik ihren Einfluss mit einem hohen Einsatz von Personal und materiellen Mitteln auszubauen oder zu sichern suchten. Wie sich dies aus der Sicht von Germanistinnen und Germanisten aus Finnland, Deutschland West und Deutschland Ost konkret gestaltete, ist Gegenstand dieses Bandes. 1. Kalter Krieg und beginnender Wandel in den 1980er Jahren
Mit dem Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 wurde die deutsche Zweistaatlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes zementiert. In allen gesellschaftlichen Bereichen der DDR wurde in der Folge eine klare Abgrenzung von dem Staat im Westen Deutschlands gefordert. Die DDR wurde von den sie Regierenden als gesellschaftspolitischer Gegenentwurf der in ihren Augen reaktionären Bundesrepublik verstanden, in den Augen des Westens war die DDR ein Satellitenstaat der Sowjetunion, ein Unrechtsstaat, dem man die Anerkennung verweigerte. Für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften in der DDR hieß der Auftrag der Partei- und Staatsführung, der „bürgerlichen Ideologie und Wissenschaft“ in der Bundesrepublik offensiv entgegenzutreten und sich von bürgerlichen Positionen in der Forschung und Lehre abzugrenzen. Diese Politik der Abgrenzung wurde mit der Machtübernahme durch Erich Honecker im Jahre 1971 noch verstärkt. Auf der anderen Seite strebte die DDR weiterhin nach der internationalen Anerkennung als souveräner Staat. Für diesen Zweck wurden einerseits der Spitzensport, andererseits die Vermittlung der deutschen Sprache im Ausland (die als Teil der Auslandspropaganda verstanden wurde) besonders instrumentalisiert. Einen Schwerpunkt spielten im letztgenannten Bereich die nordischen Länder, darunter Finnland, das im Entspannungsprozess durch die Vorbereitung und Ausrichtung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im Jahre 1975 in Helsinki eine herausragende Rolle spielte und 1973 zu den ersten westlichen Ländern gehörte, die die sog. Hallstein-Doktrin der Bundesregierung ignorierten: Im Jahre 1973 nahm Finnland offizielle diplomatische Beziehungen zu beiden deutschen Staaten auf,1 die seit 1953 Handelsvertretungen in Helsinki hatten. Das Viermächteabkommen von 1971, der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR, der 1972 geschlossen wurde, die Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO 1973, nicht zuletzt die KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) schürten die Hoffnung auf weitergehende Entspannung in Europa. Sie wurden u. a. durch die erneut restriktive Kulturpolitik in der DDR, die mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 einsetzte, und mit dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan im Dezember 1979 getrübt. Als die Sowjetunion Ende der 1970er Jahre begann, auf ihrem Gebiet neuartige Mittelstreckenraketen (die im Westen SS20 genannt wurden) zu stationieren, die Ziele in Europa binnen einer sehr kurzen Vorwarnzeit erreichen konnten, fasste die NATO Ende 1979 den sog. Doppelbeschluss, der die Stationierung von Mittelstreckenraketen des Typs Pershing II und von Marschflugkörpern des Typs Tomahawk (die kaum vom gegnerischen Radar erfasst werden können) einerseits und Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR zur Begrenzung der strategischen Atomwaffen andererseits vorsah. Der Bundestag bestätigte die Stationierung 1983, obwohl sich eine deutliche Bevölkerungsmehrheit in der Bundesrepublik, auch auf großen Friedensdemonstrationen, dagegen wandte. Es kam es zu einem neuerlichen gefährlichen Höhepunkt des Kalten Krieges, als die sowjetische Luftverteidigung 1983 ein vollbesetztes südkoreanisches Verkehrsflugzeug, dass sich über Kamtschatka in sowjetischen Luftraum „verirrt“ hatte, abschoss und damit 269 Menschen tötete. Der Vorfall wurde von den USA mit einer massiven Propagandakampagne beantwortet und führte zum Boykott der Olympischen Spiele 1984 in Los Angelos durch die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Länder des Ostblocks, nachdem auch die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau bereits durch die westlichen Länder boykottiert worden waren. Nach dem Tod der KPdSU-Generalsekretäre Leonid Breshnew (November 1982), Juri Andropow (Februar 1984) und Konstantin Tschernenko (März 1985) leitete Michail Gorbatschow ab 1985 unter den Stichworten Perestroika und Glasnost eine Phase der Umgestaltung, Erneuerung und größerer Transparenz in der Sowjetunion ein. Früher tabuisierte Fragen konnten offen diskutiert, die Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen sollte aufgebrochen werden. Dieser Versuch einer Modernisierung der Gesellschaft stieß bei den DDR-Oberen auf deutliche Ablehnung. Plötzlich galt die Sowjetunion nicht mehr als Vorbild. Aber die Tür zu Veränderungen auch in der DDR war damit bereits einen Spalt weit geöffnet, auch wenn es noch einige Jahre dauern sollte, bis das Fass zum Überlaufen kam. Die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung äußerte sich im Frühjahr 1989 durch massive und unübersehbare Proteste gegen die Fälschung der Ergebnisse der Kommunalwahlen im Mai des Jahres, im Spätsommer 1989 durch die Flucht zahlreicher DDR-Bürger über die ungarisch-österreichische Grenze und die BRD-Botschaften in Warschau und Prag in die Bundesrepublik, im Herbst schließlich in den Montagsdemonstrationen in Leipzig, Berlin und anderen Städten der DDR. Der Druck der Straße führte zur Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 und zur Deutschen Einheit im Oktober 1990. 2. Finnlands Germanistik und die beiden deutschen Staaten in den 1980er Jahren
In der germanistischen Linguistik setzten sich in den 1980er Jahren Entwicklungen fort, die mit der pragmatischen Wende Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre begonnen hatten. Die Valenztheorie war in Deutschland Ost und West (in verschiedenen Schulen) etabliert und gehörte auch in Finnland zu den modernen Richtungen der Grammatikforschung, die z. B. von Jarmo Korhonen in Oulu auf die Analyse frühneuhochdeutscher Texte angewandt wurde. Im Laufe des Jahrzehnts entwickelten die linguistische Pragmatik, die Gesprächsforschung bzw. Dialoganalyse und die Textlinguistik, aber auch die Phraseologieforschung und die Anfänge der Medienlinguistik (in Form von Untersuchungen vornehmlich zur Zeitungssprache) eine immer größere Anziehungskraft auf (v. a. auch junge) finnische Germanistinnen und Germanisten aus. Hier hatten Kolleginnen und Kollegen aus beiden deutschen Staaten etwas beizutragen. Die Konkurrenz der beiden deutschen Staaten auf dem Gebiet der auswärtigen Kultur- und Wissenschaftspolitik, bei der Entsendung von Deutschlektorinnen und -lektoren an die Universitäten und Kulturzentren, der regelmäßigen Organisation von gemeinsamen Konferenzen auf den Gebieten der Geschichtswissenschaft, der germanistischen Linguistik, der Sprachmittlung, der Sprachdidaktik, der Fachsprachen und Landeskunde währte bis zum Ende der deutschen Zweistaatlichkeit. Sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR rangen eifersüchtig um die Gunst der germanistischen Fachkolleg*innen und Deutschlehrenden in Finnland, um die Präsenz des eigenen Landes in der Wissenschaftslandschaft und im Bildungsbereich zu erhöhen (vgl. Fuhrmann 2011 und Lenk 2011). Die finnische Germanistik profitierte von diesen Umständen. Auslandslektorinnen und -lektoren aus beiden deutschen Staaten, Stipendien, Bücherspenden, wissenschaftliche Konferenzen, Kulturveranstaltungen, Schriftsteller- und Künstleraustausch wurden meist von beiden Seiten angeboten und oft auch finanziert. 2.1. Zur wissenschaftsgeschichtlichen Forschungslage
Die Bemühungen der DDR um die Entwicklung ihrer auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik, besonders auch jener in den nordischen Ländern, ist bereits Gegenstand mehrerer Dissertationen, Monographien und Sammelbände gewesen, wobei die Darstellung teilweise aus der eigenen Erinnerung, teilweise auch unter Einbeziehung von Archivmaterialien erfolgte. Peter Lübbe, der 1965 an der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock mit einer Arbeit über „Das Revolutionserlebnis im Werk von B. Traven“ promoviert hatte, war vom Herbst 1969 bis zum Frühjahr 1975 als DDR-Lektor an der Universität Jyväskylä tätig. Von dort ging er in die Bundesrepublik und veröffentlichte 1981 im Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn das Buch „Kulturelle Auslandsbeziehungen der DDR. Das Beispiel Finnland“ (Lübbe 1981). Das Manuskript wurde im November 1978 abgeschlossen. Darin wertet er...


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