Leitschuh / Kluitmann | Wir können auch anders | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Leitschuh / Kluitmann Wir können auch anders

Der Beitrag der Orden zum Synodalen Weg und für die Zukunft der Kirche
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7365-0479-0
Verlag: Vier Türme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Beitrag der Orden zum Synodalen Weg und für die Zukunft der Kirche

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-7365-0479-0
Verlag: Vier Türme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Die Orden waren immer die Reißnägel auf dem Stuhl der verfassten Kirche"
Sr. Franziska Dieterle OSF

Beim Synodalen Weg lässt sich immer wieder beobachten, mit welcher ruhigen Klarheit gerade Ordensleute von längst erprobter Machtaufteilung, Mitbestimmung und Frauen in Leitungspositionen berichten. Dabei sind Ordensleute nicht die "bessere Kirche". Sie sind aber in vielen Facetten anders Kirche: kleiner und darum beweglicher, vielfältiger und doch verbunden, oft näher dran an den Fragen der Menschen und darum manchmal revolutionär, vielleicht gar subversiv – so subversiv wie das Evangelium, auf das sie sich alle berufen.
Dieses Buch versteht sich daher als Beitrag zur aktuellen Reformdebatte in der katholischen Kirche. Hier kommen Ordensleute zu Wort, die am Synodalen Weg maßgeblich mitwirken. Klar und zukunftsweisend schreiben Sie über eine Kirche, die Vielfalt als Stärke sieht, sprachfähig ist und die Zeichen der Zeit erkennt.

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Der Stil Gottes ist bedingungslose Liebe Br. Thomas Wierling im Gespräch mit Marcus Leitschuh Sie haben sich für dieses Interview das Thema »Vielfalt als Zukunftsoption der Kirche« gewünscht. Was war Ihr Gedanke, als sich bei #OutInChurch 125 Personen – auch Ordensleute – geoutet haben? In sozialer und karitativer Arbeit, Katechese, Erziehung, Pflege, Seelsorge, Kirchenleitung, Verwaltung oder im Bildungsbereich tätige Menschen, die von ihrer Angst schildern, den Job bei der Kirche zu verlieren, ausgegrenzt zu sein – nur wegen ihrer sexuellen Orientierung? In mir war ein Gewirr von verschiedenen Gedanken und Emotionen: sprachlos. Entsetzt. Fassungslos. Auch große Scham. Ich habe mich gefragt, was Kirche wohl bewegt hat, diese Menschen bisher so zu diskriminieren. Jene, die sich bei #Out­InChurch geoutet haben, sind für mich Mitchristen, gläubige und suchende Menschen. Gute und aufrichtige Christinnen und Christen. Menschen, die den Glauben weitergeben. Religionslehrer, Katecheten oder in anderen Berufen mit dem Arbeitgeber Kirche. Für mich wurde die Vielfalt der Menschen sichtbar, die sich mit ihrem Glauben und Kirche verbunden fühlen, die sich aber durch ihre sexuelle Orientierung innerhalb der Kirche ins Abseits gestellt fühlen mussten. Um es einmal mit einer Frage auf den Punkt zu bringen: Was hat Verkündigung des Glaubens mit meiner sexuellen Orientierung zu tun? Mein Wunsch an Kirche ist, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, so wie er von Gott geschaffen ist – geschaffen, gewollt und geliebt! »Die katholische Kirche ist so vielfältig wie die Gesellschaft selbst und Heimat für jede:n. Niemand darf wegen der eigenen sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität diskriminiert oder ausgeschlossen werden«, stellen über 20 katholische Verbände und Organisationen – darunter auch die Interfranziskanische Arbeitsgemeinschaft (INFAG) in einer gemeinsamen Erklärung »für eine Kirche ohne Angst« fest. Warum ist diese Erklärung notwendig? Ich verstehe es nicht und kann es auch nicht nachvollziehen, dass die Kirche auf der einen Seite sagt, Glauben ist vielfältig und bunt und auf der anderen Seite wird die Bewertung einer sexuellen Orientierung so in den Vordergrund gestellt. Warum sieht die Kirche nicht die Vorteile der Vielfältigkeit? Ehrlich: Ich verstehe es nicht! Meine größte Hoffnung ist, dass der Mensch wieder mehr in den Mittelpunkt rückt, egal, wie er denkt oder wie er liebt. Die beteiligten Verbände und Organisationen betonen die Notwendigkeit von mehr Diversität in der katholischen Kirche. Es dürfe nicht länger hingenommen werden, dass Menschen in kirchlichen Kontexten aus Angst gegenüber Vertretern der Kirche ein Schattendasein führen müssen, wenn sie nicht dem von der Kirche normierten Geschlechterbild entsprechen. Welche Erfahrungen haben Sie bei diesem Thema in den Ordensgemeinschaften gemacht? Ich bin für die Ausbildung der neuen Ordensmitglieder zuständig. Meine primäre Frage ist nicht die nach der sexuellen Orientierung, weil das nichts mit der persönlichen Berufung zum Ordensleben zu tun hat. Meine Aufgabe als Ausbilder ist zu fragen: Welche Berufung schlummert in dir oder auf dem Grund deiner Seele? Ich frage nach der persönlichen Suche und Sehnsucht: Wohin führt mich meine Sehnsucht? Wie gestalte ich mein Leben? Und aus welchen Quellen lebe ich? Für mich ist die Biografiearbeit wichtig: Wer hat mich in meinem Leben beeinflusst, geprägt. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. Kann ich mich so annehmen, wie ich bin? Ist es so in Ordnung, wie ich bin? Die Entscheidung für das Leben im Orden ist auch die Entscheidung zu einem Leben mit den drei »evangelischen Räten«: Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam. Dies gilt für jeden, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung. Und genau da erleben einige Menschen Kirche anders. Nach dem Motto: Es geht uns gar nicht um deine Talente, deine Berufung und deine Charismen, wir reduzieren dich auf deine sexuelle Orientierung. Eine Forderung an Kirche ist, dass sie in Riten und Sakramenten sichtbar macht und feiert, dass LGBTQ+-Personen und -Paare von Gott gesegnet sind. Die beim Synodalen Weg direkt beteiligten Ordensleute kritisieren das Nein des Vatikans zu Segnungen homosexueller Partnerschaften. »Wir reihen uns ein in die lange Reihe derer, die entschieden ihre Stimme für die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften erheben und gegen eine diskriminierende und ausgrenzende Sexualmoral. Wir tun dies im Wissen, dass Gott alle Menschen – unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität und ihren individuellen Lebensentwürfen – gleichermaßen liebt und ihnen seinen Segen unterschiedslos zuspricht«, heißt es in einer Erklärung. Wird es diese Segensfeiern in Zukunft geben, würden Sie auch ohne »Segen aus Rom« segnen? Ganz klar: Ja! Da müsste ich der Kirche gegenüber ungehorsam sein und meinem Gewissen folgen. Segnen ist ein guter Dienst an den Menschen. Wenn es der Wunsch ist, dass zwei Menschen ihre Partnerschaft unter den Segen Gottes stellen wollen, kann ich es ihnen nicht verbieten. Ich merke, dass ich das nicht verweigern könnte. Und ich glaube, dass der Segen im Sinne Gottes wäre. Man darf auch nicht vergessen: Segnen darf jeder Mensch. Ich bin zwar kein Priester, aber müssen wir da als Kirche nicht kreativer werden? Wir haben uns für »angemessene liturgische Formen zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare« ausgesprochen. Angemessen bedeutet, dass ein Paarsegen keine Eheschließung ist. Es geht eben um Segen. Und wer ihn sich wünscht, sollte ihn auch bekommen, weil nicht wir segnen, sondern es ist immer Gott, der segnet. In ihrer Erklärung heißt es, die jeweiligen Ordensgründerinnen und -gründer hätten gelehrt, »in der Nachfolge Jesu ausnahmslos alle Menschen zu ehren, ihnen offen und gastlich zu begegnen, sie auf ihrem Lebensweg zu begleiten und ihnen den Segen Gottes als Schwestern und Brüder weiter zuzusagen«. Welche Argumente, Emotionen, welches Beispiel und welches Wissen können Sie aus der langen Tradition der Orden einbringen? Der Schwerpunkt der Canisianer war anfangs die Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen. Zu unseren Grunderfahrungen gehört: Ich muss den Menschen so nehmen, wie er ist. Diese Vielfalt ist manchmal sehr anstrengend und herausfordernd. Ich weiß, dass mir auch einige Macken von Mitmenschen auf die Nerven gehen. Und trotzdem: Ich nehme den anderen, wie er ist. Und wenn es mir schwerfällt, muss ich es manchmal auch einfach ertragen. Dann ist das eben so. Ich kann es mir nicht anmaßen, jemanden so zurechtbiegen zu wollen, wie ich ihn gerne haben möchte. Das geht nicht. Wenn also jemand zu mir kommt, versuche ich, ihm offen zu begegnen. Und wenn ich merke, ich bin überfordert, ich kann nicht helfen, darf ich spüren, dass ich an meine Grenzen komme. Auch die Kirche kann an ihre Grenze kommen und muss trotzdem sagen: Ich nehme dich so an, wie du bist. Papst Franziskus hat 2022 der US-amerikanischen Ordensschwester Jeannine Gramick für ihren Einsatz in der Seelsorge für homo-, bi- und transsexuelle Menschen, für »50 Jahre Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit« in ihrem Dienst gedankt, heißt es im handschriftlichen Brief des Papstes. Ihre Seelsorge erinnere ihn an den »Stil Gottes«. Was ist für Sie der »Stil Gottes«? Der Stil Gottes ist bedingungslose Liebe. Er leitet uns durch seinen Geist. Das kann dazu führen, dass man mutig wird und auch mal ungehorsam sein muss. 1999 verfügte die vatikanische Glaubenskongregation, dass Schwester Jeannine die Pastoral mit Gläubigen aus der LGBTQ+-Gemeinschaft aufzugeben hätte. Wenn Kirche lehrt, dass Gott die Liebe ist, kann ich die ursprüngliche Haltung der Schwester gegenüber nicht verstehen. Kirche muss immer eine Lernende sein. Sie lernt, wenn sie die Zeichen der Zeit sieht. Kirche muss die Augen öffnen, wo sie sie vorher verschlossen hat. Seelsorge ist für jeden Menschen da. Da gibt es keine Ausnahme. Wenn Menschen nach Orientierung oder Rat suchen, erwarte ich uneingeschränkte Rückendeckung. Was kann die Kirche auf dem Weg zu mehr Diversität aus den Orden lernen? Wenn ich mit mir im Einklang bin, so wie ich mein Leben gestalte und auch den Heiligen Geist in mir wirken lasse, wird eine Vielfalt nach außen hin wirksam und sichtbar werden. Jeder Mensch ist schon in sich vielfältig, und das ist wahrlich nicht einfach. Ich gehöre seit dreißig Jahren meinem Orden an und es ist immer noch eine Herausforderung, die Vielfalt zu leben und manchmal auch zu ertragen. Aber hier erfahre ich auch, dass ich einen Mehrwert aus dieser Vielfalt habe und dass mein Horizont erweitert wird. »Freunde sucht man sich, Brüder hat man« – das ist vielleicht ein abgedroschener Spruch, aber da ist etwas Wahres dran. Auch wenn es zwischendurch mit den Mitbrüdern anstrengend ist, bin ich mir sicher: Wenn ich in Not bin, sind sie für mich da. Das trägt mich. Und das empfinde ich auch immer wieder als kleines Geschenk, mit dieser Vielfältigkeit in einer Gemeinschaft zu leben. Das kann Kirche von uns Orden lernen: Die Menschen mehr als Mitbrüder und Mitschwestern zu sehen. Es geht nicht darum, dass sich Kirche als Richter aufspielt. Sie muss den Focus mehr auf den Menschen richten. Ich glaube, dass sie den Draht zu den Menschen draußen auf der Straße verloren hat. Kirche ist irgendwann stehen geblieben und hat den Anschluss verpasst, und jetzt hinkt sie hinterher, weil sie sich immer noch beim Gehen an alten Strukturen festhält, weil diese ihr scheinbar Macht und Einfluss sichern, die sie aber längst nur noch scheinbar hat. Macht muss ich transparent machen, Menschen mitnehmen. Wer...


Marcus Leitschuh, geb. 1972, arbeitet als Lehrer für Deutsch und Religion und leitet als Rektor eine Gesamtschule im Landkreis Kassel. Er war Berater der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 22 Jahren ist Marcus Leitschuh Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Als Delegierter der Laienvertretung setzt er sich beim Synodalen Weg ein. Bei Kirchen- und Katholikentagen moderiert er Veranstaltungen, und seine Radioimpulse sind regelmäßig auf hr4 und Domradio zu hören.



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