Leitner | Frauenförderung im Wandel | Buch | 978-3-593-38356-9 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 918, 265 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 378 g

Reihe: Campus Forschung

Leitner

Frauenförderung im Wandel

Gender Mainstreaming in der österreichischen Arbeitsmarktpolitik

Buch, Deutsch, Band 918, 265 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 378 g

Reihe: Campus Forschung

ISBN: 978-3-593-38356-9
Verlag: Campus


Mit Gender Mainstreaming soll die Gleichstellung der Frau in Institutionen und Behörden systematisch umgesetzt werden. Andrea Leitner untersucht am Beispiel des österreichischen Arbeitsmarktservices die Chancen und Grenzen des Konzepts. Dort wurde Gender Mainstreaming zwar verankert, doch subtile Benachteiligungen – so das Ergebnis ihrer Studie – sind weiter wirksam. Überdies droht die Gefahr, dass sich das Konzept auf angeordnetes Verwaltungshandeln reduziert und der inhaltliche Anspruch verlorengeht.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Einleitung
Arbeitsmarktpolitik als Gleichstellungsinstrument
Aufbau der Arbeit

2. Zielsetzungen und Wirkungen aktiver Arbeitsmarktpolitik
Zielsetzungen der Arbeitsmarktpolitik
Maßnahmen und Wirkungen aktiver Arbeitsmarktpolitik
Resümee

3. Empirische Befunde zur "Problemgruppe" Frauen
Arbeitslosigkeit von Frauen
Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben
Beschäftigungspotential Frauen
Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik
Resümee

4. Zielsetzungen und Strategien von Gleichstellungspolitik
Schlüsselbegriffe und Konzepte von Gleichstellung
Gleichheit und Differenz in der feministischen Theorie
Strategien der Gleichstellungspolitik
Resümee

5. Transformation der Gleichstellungspolitik durch Gender Mainstreaming?
Gender Mainstreaming als Prozessinnovation
Gender Mainstreaming als inhaltliche Innovation
Umsetzungskonzepte und Erfolgskriterien
Resümee

6. Barrieren einer gleichstellungsorientierten Arbeitsmarktpolitik
Barrieren in empirischen Untersuchungen
Gender als Substruktur von Organisationen
Doing Gender in politischen Organisationen
Resümee

7. Fragestellungen und methodische Überlegungen zur empirischen Untersuchung
Befunde zur gleichstellungsorientierten Arbeitsmarktpolitik
Forschungsfragen
Forschungsdesign
Durchführung und Auswertung der ExpertInneninterviews

8. Organisation und Steuerungsprozesse der Arbeitsmarktpolitik
Organisationsstruktur der Arbeitsmarktpolitik
Steuerung der Arbeitsmarktpolitik
Resümee

9. Implementierung von Gender Mainstreaming im AMS
Normative Verankerung
AkteurInnen von Gender Mainstreaming
Kompetenzen und Ressourcen für Gender Mainstreaming
Resümee

10. Zielsetzungen der Gleichstellungspolitik im AMS
Grundlegende inhaltliche Orientierungen
Zielsetzungen und Maßnahmenumsetzung des AMS
Gleichstellungsziele im Konflikt
Resümee

11. Veränderungen durch Gender Mainstreaming
Aufwertung der Frauenförderung
Barrieren
Crash of Cultures
Resümee

12. Fazit
Literatur
Verzeichnis der Übersichten, Tabellen und Grafiken
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
Anhang
Danksagung


Gleichstellung von Frauen und Männern ist seit langem Thema in der österreichischen Arbeitsmarktpolitik, hat aber durch Gender Mainstreaming einen neuen Impuls erhalten. Durch Gender Mainstreaming soll Gleichstellung systematisch in die Institutionen und Prozesse der Arbeitsmarktpolitik integriert werden, mit dem Ziel, Routinen, Maßnahmen und Aktivitäten politisch handelnder Organisationen dahingehend zu verändern, dass Politik die Benachteiligungen durch Geschlecht nicht verstärkt. Gleichstellung ist damit nicht länger auf Frauenförderung und Frauenabteilungen oder Frauenreferentinnen konzentriert, sondern ist mit dem neuen Konzept in den Rang der allgemeinen Zielsetzungen der Arbeitsmarktpolitik aufgestiegen und sind alle arbeitsmarktpolitischen AkteurInnen aufgerufen, allen voran die Leitungsebene, ihr Denken und Handeln reflexiv auf das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern auszurichten.
Doch wieweit dieses Konzept in der Praxis umsetzbar ist, hat zu einer heftigen Debatte über die damit verbundenen Chancen und Risiken der Gleichstellungsförderung geführt. Während die BefürworterInnen von Gender Mainstreaming von einer Transformation der Geschlechterpolitik sprechen, die Gleichstellungspolitik erweitert, befürchten die SkeptikerInnen eine Instrumentalisierung, die auch die erkämpften Fortschritte der Gleichstellungspolitik gefährdet. Daneben gibt es noch Stimmen, die keine Änderung erwarten, sondern Frauenförderung mit all seinen Problemen und Barrieren lediglich durch einen neuen Begriff vertreten sehen.
In der Arbeitsmarktpolitik soll das Instrument Gender Mainstreaming Frauenförderung nicht ersetzen, sondern ergänzen und stärken. Für diese Aufwertung der Gleichstellungspolitik waren weniger emanzipatorische Zielsetzungen als vielmehr ökonomische und sozialpolitische Argumente ausschlaggebend. Die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt soll die Produktivität und die Wettbewerbschancen Europas steigern und damit auch zur Finanzierbarkeit des Sozialstaates beitragen (Behning/Serrano Pascual 2001; Rubery/Fagan 1998; Schmidt 2003). 1994 wurde die Förderung der Chancengleichheit beim Gipfel von Essen als eine zentrale Zielsetzung der EU festgelegt. Durch ihre Berücksichtigung im Amsterdamer Vertrag (1997) und in den Zielsetzungen von Lissabon (2000) haben diese Aufgaben auch auf nationaler Ebene an Gewicht und Verbindlichkeit gewonnen.
Tatsächlich sind Frauenförderung und Gender Mainstreaming in den arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen und den proklamierten Erfolgen der damit befassten Institutionen verstärkt zu finden. Aber wieweit hat sich die Praxis der Arbeitsmarktpolitik durch die neuen Zielsetzungen und Gender Mainstreaming verändert? Welche Zielsetzungen werden mit Gleichstellung in der Arbeitsmarktpolitik verbunden? Können sich Gleichstellungsziele in der Arbeitsmarktpolitik gegenüber anderen Zielsetzungen durchsetzen? Wieweit werden Gleichstellungsziele in der alltäglichen Arbeitspraxis handlungsleitend?
Die vorliegende Arbeit nimmt die Fragen der Umsetzungsmöglichkeiten von Gender Mainstreaming in politischen Organisation auf. Wieweit Gender Mainstreaming tatsächlich eine Weichenstellung in der Gleichstellungspolitik bedeutet, wird am Beispiel des österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) in einer kritisch reflektierenden Analyse des Implementierungsprozesses beleuchtet. Die normativen Vorgaben zu Gleichstellung und Chancengleichheit, wie sie in den Dokumenten der Arbeitsmarktpolitik festgehalten sind, werden dabei der Umsetzungspraxis, wie sie sich in der Perspektive der AkteurInnen darstellt, gegenübergestellt. Kernpunkt der Analyse ist die Frage, wieweit Arbeitsmarktpolitik selbst Doing-Gender-Prozesse setzt, das heißt an der Kontruktion von Geschlecht beziehungsweise den damit verknüpften Benachteiligen beteiligt ist und wieweit es mit Gender Mainstreaming gelingt, diese strukturellen Benachteiligungen zu vermeiden.

Arbeitsmarktpolitik als Gleichstellungsinstrument

Die Frage der Gleichstellung der Geschlechter wird nicht zufällig oft im Rahmen der Erwerbstätigkeit analysiert - ist doch der Arbeitsmarkt in unserem erwerbszentrierten System die zentrale Vermittlungsinstanz für die wirtschaftliche, politische und soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ein großer Teil der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern wird am Arbeitsmarkt sichtbar (zum Beispiel bei Einkommensunterschieden oder Segregation), beziehungsweise steht in unmittelbarer Beziehung zum Arbeitsmarkt (beispielsweise die Trennungslinie zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit). Es ist daher davon auszugehen, dass jegliche Form arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zugleich die Frage der Gleichstellung berührt. Während jedoch die Dimensionen der Ungleichheit am Arbeitsmarkt bereits seit langem Thema in der Frauen- und Geschlechterforschung sind, gewinnt umgekehrt die Gender-Perspektive in der Arbeitsmarktforschung nur zögerlich an Bedeutung (Maier 1998a). Damit bleibt auch die Frage, wie wirksam arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Förderung von Gleichstellung von Frauen und Männern beitragen, weitgehend offen (Müller/Kurtz 2002).
Stellt man den Ursachen der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt die Aufgaben von aktiver Arbeitsmarktpolitik gegenüber, so scheinen sich diese beiden Bereiche gut zu ergänzen. Trotz zunehmender Bildungsbeteiligung der Frauen, bleiben Bildungsdefizite durch beruflich schlecht verwertbare Bildungsabschlüsse und unterbrechungsbedingte De-Qualifizierungen die zentralen Barrieren der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Die von Frauen mitgebrachten Kenntnisse und Fähigkeiten werden teilweise nicht als "objektive Qualifikationsvoraussetzungen" ausgewiesen und bewertet (Goldberg 2002). Probleme treten für Frauen vor allem beim geplanten Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nach familiär bedingten Unterbrechungen auf. Qualifizierungsmaßnahmen zur Ausbildung, Fortbildung, Umschulung oder beruflicher Mobilitätsförderung sowie die Unterstützung bei der Arbeitsuche, die zu den Kernbereichen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zählen, können dazu beitragen, Frauen bessere Chancen am Arbeitsmarkt einzuräumen. Insbesondere, wenn diese Maßnahmen auf die spezifische Lebenssituation von Frauen ausgerichtet sind, zum Empowerment von Frauen beitragen und durch spezifische Beratung und Unterstützung bei der Kinderbetreuung begleitet werden.
Doch die hohen Erwartungen an die Arbeitsmarktpolitik müssen angesichts ihrer Wirkungsmöglichkeiten relativiert werden. Aktive Arbeitsmarktpolitik kann nur bedingt Arbeitsplätze schaffen, aber kann durch gestaltende und präventive Maßnahmen die Beschäftigungschancen benachteiligter Gruppen verbessern (Layard u. a. 2005). Arbeitsmarktpolitik ist demnach weniger als Intervention zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit zu verstehen, denn als Instrument zur Umreihung der Beschäftigungschancen zwischen unterschiedlichen Gruppen von Arbeitslosen. In dieser Interpretation geht Frauenförderung in der Arbeitsmarktpolitik auf Kosten von Männern und wird zur machtpolitischen Frage zwischen den Geschlechtern.
Vorliegende Untersuchungen über die Wirksamkeit von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder Programmen vermitteln ein ambivalentes Bild über die Frauenförderung durch Arbeitsmarktpolitik: Am häufigsten wird das Thema im Rahmen von Maßnahmenevaluationen spezifischer Frauenfördermaßnahmen behandelt. Die bloße Existenz von Frauenmaßnahmen und individuelle (Brutto-)Beschäftigungseffekte werden oft als positiver Beitrag zur Gleichstellung interpretiert.
Auch in Wirkungsanalysen, die Nettobeschäftigungseffekte zwischen unterschiedlichen Maßnahmen und Zielgruppen vergleichen, weisen Frauen tendenziell bessere Beschäftigungserfolge auf als Männer. Die Zusammenfassung internationaler Evaluationen durch die OECD zeigt, dass Frauen nach Qualifizierungsmaßnahmen, on-the-job-Training und Vermittlungsprogrammen höhere Beschäftigungsintegrationsquoten zeigen (Martin 1998; Martin/Grubb 2001). Auch österreichische Analysen belegen, dass die Nettobeschäftigungseffekte von Frauen in arbeitsmarktpolitischen Programmen höher sind als jene von Männern (Weber/Hofer 2003; Leitner u. a. 2003).
Hingegen führt die Gesamtbetrachtung der umgesetzten Arbeitsmarktpolitik eher zu negativen Befunden: Frauen sind in der Arbeitsmarktpolitik unterrepräsentiert - sowohl den Frauenanteil an den Geförderten als auch die Fördermittel betreffend (Beigewum 2002). Zudem zeigen sich unterschiedliche inhaltliche Förderschwerpunkte bei Frauen und Männern. Dies trägt zu einer Feminisierung des sekundären Arbeitsmarktes und zur Verstärkung der geschlechtsspezifischen Segregation am Arbeitsmarkt bei (Henninger 2000; Knapp/Weg 1995; Leitner/Wroblewski 2000b).
Die unterschiedlichen Befunde zur Frauenförderung in der Arbeitsmarktpolitik lassen sich vorerst damit zusammenfassen, dass es zwar viele erfolgversprechende Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung durch Arbeitsmarktpolitik zu geben scheint. Doch Frauen bleiben eher von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausgeschlossen und teilweise verstärken arbeitsmarktpolitische Maßnahmen geschlechtsspezifische Benachteiligungen am Arbeitsmarkt. Für eine gleichstellungsorientierte Arbeitsmarktpolitik sind daher mehrere Kriterien entscheidend:
- Die Umsetzung einzelner frauenfördernder und beschäftigungswirksamer Maßnahmen reicht nicht aus.
- Bei allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ist ein geschlechtergerechter Zugang zu Förderungen zu sichern.
- Und schließlich dürfen die umgesetzten Maßnahmen die bestehenden Benachteiligungen am Arbeitsmarkt nicht verstärken, sondern sollen diesen entgegenwirken.
Wie und vor allem warum arbeitsmarktpolitische Maßnahmen erfolgreich sind oder nicht, sie die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt fördern oder nicht, ist durch quantitativ orientierte Wirkungsanalysen allein kaum zu beantworten. Vielmehr gilt es die Arbeitsmarktpolitik als Prozess mit den zugrundeliegenden Steuerungsmechanismen und den alltäglichen Umsetzungspraktiken in den Blick zu nehmen und damit qualitative Dimensionen zu berücksichtigen. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich daher nicht auf die Wirkungen von Arbeitsmarktpolitik, sondern auf den Prozess, wie politische Programme in der Praxis umgesetzt werden. Ausgehend vom Stand des Wissens über die Frauenförderung in der Arbeitsmarktpolitik und der aktuellen Diskussion über eine veränderte Gleichstellungspolitik durch Gender Mainstreaming werden der Umgang mit Gleichstellungszielen in der arbeitsmarktpolitischen Praxis des Arbeitsmarktservice (AMS) analysiert und Änderungen, die durch die Strategie des Gender Mainstreaming entstanden sind, identifiziert.


Andrea Leitner, Dr. Mag., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Höhere Studien in Wien.


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