E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten
Reihe: Tall, Dark & Dangerous-Reihe
Leighton Tall, Dark & Dangerous
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-21733-4
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stark genug - Roman -
E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten
Reihe: Tall, Dark & Dangerous-Reihe
ISBN: 978-3-641-21733-4
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ist sie stark genug, dem gefährlichsten Mann zu vertrauen, den sie je getroffen hat?
Muse Harper ist Künstlerin und hat eine Schwäche für Rotwein, schräge Filme und Männer mit Geheimnissen. Vor acht Monaten musste sie eine Entscheidung treffen - alles zurücklassen, was sie je gekannt hat, um ihre Familie zu beschützen, oder zu bleiben und riskieren, dass jemand verletzt wird. Muse entschied sich für ersteres. Ihr Plan hatte super funktioniert, bis sie herausfand, dass ihr Vater verschwunden war. Bei dieser Gelegenheit lernte sie Jasper King kennen - ihre Liebe, ihr Verderben ...
Michelle Leighton wurde in Ohio geboren und lebt heute im Süden der USA, wo sie den Sommer über am Meer verbringt und im Winter regelmäßig den Schnee vermisst. Leighton verfügt bereits seit ihrer frühen Kindheit über eine lebendige Fantasie und fand erst im Schreiben einen adäquaten Weg, ihren lebhaften Ideen Ausdruck zu verleihen. Sie hat unzählige Romane geschrieben. Derzeit arbeitet sie an weiteren Folgebänden, wobei ihr ständig neue Ideen, aufregende Inhalte und einmalige Figuren für neue Buchprojekte in den Sinn kommen. Lassen sie sich in die faszinierende Welt von Michelle Leighton entführen - eine Welt voller Überraschungen, ausdrucksstarken Charakteren und trickreichen Wendungen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Prolog
Jasper
Siebzehn Jahre zuvor
»Was macht er jetzt, Mom?«, frage ich und versuche mich ihr zu entwinden, doch sie hält mich fest. Ich fühle, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird, aber ich weiß nicht, warum. »Vielleicht kann ich dafür sorgen, dass er nicht böse wird. Lass mich los!«
»Schhh, Baby. Alles wird gut. Du musst hier bei mir bleiben, sonst holt er dich auch.«
Mein Herz schlägt so heftig, dass es wehtut, so wie das eine Mal, als Mikey Jennings mir gegen die Brust geboxt hat. Nicht mal die Umarmung meiner Mutter macht den Schmerz besser, und dabei wird sonst immer alles besser, wenn sie mich umarmt.
Mir brennen die Augen, während ich aus dem Fenster starre. Ich darf nicht blinzeln. Wage es nicht. Ich will nicht sehen, was Dad mit meinem großen Bruder Jeremy macht, aber wegschauen kann ich auch nicht.
Je länger ich hinsehe, desto weniger kann ich mich rühren. Als wären meine Füße am Boden festgeklebt und meine Arme an meinem Körper. Ich habe das Gefühl, nicht atmen zu können. Ich kann nur zu dem kalten, grauen Wasser und den beiden Umrissen hinüberschauen, die sich ihm nähern.
Ich sehe, wie Jeremys Finger sich in die Hand meines Dads krallen, während der ihn an den Haaren mitschleift. Doch es nützt ihm nichts. Dad lässt nicht los. Jeremy stolpert in seinen schmutzigen Turnschuhen durch den Matsch und das Gras, aber mein Vater wird nicht langsamer. Daran, wie er seine andere Faust ballt, erkenne ich, dass er wütend ist. Vielleicht sogar wütender als sonst.
Jeremy hatte heute wieder Ärger in der Schule. Sie haben Dad bei der Arbeit angerufen, nicht Mom; deshalb wusste sie von nichts, bis Dad mit Jeremy nach Hause gekommen ist. Doch da war es schon zu spät.
»Keines meiner Kinder benimmt sich wie ein Monster. Mit dir stimmt was nicht, Junge«, hatte Dad gesagt, als sie zur Tür reinkamen. Jeremy ging vor ihm her, und Dad stieß ihn so fest von hinten, dass mein Bruder hinfiel und über den Küchenboden schlitterte.
Es stimmt wirklich etwas nicht mit Jeremy. Der Arzt hat das gesagt. Er hat gesagt, dass Jeremy Medizin braucht, aber Dad will das nicht hören. Ihn macht es nur wütend, noch wütender auf Jeremy.
Ich stand neben Mom, als Dad vor ihr stehen blieb. Er zeigte mit dem Finger auf sie, wobei er fast ihre Nasenspitze berührte. Seine Augen waren an den Rändern ganz rot, wie sie es immer waren, wenn er sich bereit machte, Jeremy zu verprügeln. »Bete lieber, dass dieses kleine Stück Scheiße hier nicht noch genauso wird!«, sagte er und verpasste mir mit der flachen Hand eine Ohrfeige. Mein Gesicht brannte wie von einem Bienenstich, aber ich habe nicht mal »Aua« gesagt. Ich habe gar nichts gesagt. So dumm war ich nicht, dass ich den Mund aufgemacht hätte. »Einer reicht.«
Dann hat Dad Jeremy hinten an seinem Hemd gepackt, ihn hochgezogen und aus der Küchentür nach draußen geschleudert. Jeremy fiel wieder hin, doch das hielt Dad nicht weiter auf. Er ist hinter ihm her in den Garten.
»Hoch mit dir, du nutzloses kleines Arschloch«, brüllte er. Da war etwas überhaupt nicht Gutes in Jeremys Augen, als er aufsah, und dann spuckte er auf Dads Arbeitsstiefel. Ich wusste, dass er das nicht hätte tun sollen. Und erst recht wusste ich es, als Dad ihm in die Rippen trat.
Jetzt schauen wir zu, wie mein großer Bruder weggeschleppt wird, um bestraft zu werden.
Aber statt bei dem alten Baumstumpf haltzumachen, über den er Jeremy legt, um ihn auszupeitschen, geht Dad weiter, geradewegs in den See. Er bleibt nicht mal am Rand stehen.
Mir tun die Augen weh, aber ich kann sie nicht zumachen. Etwas ist diesmal anders. Fühlt sich anders an. Etwas an den heißen Tränen, die mir übers Gesicht strömen, verrät mir, dass es diesmal anders ist.
Dad watet in seinen Stiefeln durch das flache Wasser. Er zieht meinen Bruder hinter sich her wie einen Müllsack, wenn er seinen Truck belädt, um zur Deponie zu fahren. Jeremy fällt hin, steht wieder auf, fällt hin und steht wieder auf. Jetzt kämpft er richtig. Er tritt und schlägt um sich. Ich sehe, dass sein Mund weit offen ist, als würde er schreien, doch ich kann es nicht hören. Das Einzige, was ich höre, ist mein Herzklopfen. Es ist laut wie Trommeln in meinen Ohren.
Dad bleibt stehen, als ihm das Wasser bis zu den Hüften geht. Er zieht Jeremy zu sich. Nun sehe ich sein Gesicht von der Seite – das von meinem Vater. Es ist so rot, dass es lila aussieht. An seinem Hals treten die Adern hervor. Das Gesicht meines Bruders ist beinahe so weiß, als würde er Halloween-Gespensterschminke tragen. Doch seine Augen sind trocken. Er hat schon längst aufgehört, wegen der Sachen zu heulen, die Dad ihm antut.
Dad brüllt Jeremy an, wobei er den Mund so weit aufreißt, dass es aussieht, als könnte er ihn auffressen. Ihn wie eine Schlange im Ganzen schlucken. Jeremy starrt ihn bloß mit seinem bleichen Gesicht an. Dad schüttelt meinen Bruder so fest, dass Jeremys Kopf nach hinten fliegt, und dann taucht er ihn unter Wasser.
Ich ringe nach Luft. Das habe ich Dad noch nie tun sehen, egal, wie wütend er auf Jeremy war. Etwas in meiner Brust brennt, während ich zuschaue, wie Dad ihn unter Wasser hält. Als könnte ich auch nicht atmen. Als würde die Luft in mir feststecken und brennen. So wie ich hier feststecke. Und es mir wehtut.
Ich schmecke das Salz von meinen Tränen und lecke sie weg, denn ich schäme mich, weil ich weine. Etwas tropft mir auf den Kopf und wird zu einem kleinen Rinnsal, das mir schneckengleich seitlich am Gesicht runterkriecht. Ich wische es weg und blicke auf meine Hand. Das ist nur Wasser. Warmes Wasser.
Tränen. Aber nicht meine. Die sind von Mom.
Ich zähle die Sekunden. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Und ich frage mich, wie lange Jeremy die Luft anhalten kann. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich platzen.
Vierundzwanzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig.
Luft und Lärm drängen sich durch meine enge Kehle und kommen als gurgelnder Schrei aus meinem Mund. Sie dröhnen wie Donner durch den stillen Raum. Es ist das einzige Geräusch, das ich mache. Das einzige, das ich machen kann.
Ich beobachte Jeremys Hände, die auf den Unterarm meines Dads einschlagen. Dad rührt sich aber nicht, lässt nicht locker. Sein Arm ist gestreckt und unnachgiebig, hält meinen einzigen Bruder unter Wasser.
Moms Arme drücken mich ganz fest. Es wird noch schwerer, weiter zu atmen.
Siebenundzwanzig, achtundzwanzig, neunundzwanzig.
Ich zähle, obwohl die Zeit stehen geblieben ist. Als ich bei vierzig bin, fange ich wieder von vorn an. Ich fange für Jeremy neu an, damit er mehr Luft bekommt. Damit er noch eine Chance kriegt. Nur nutzt er die nicht. Er kann nicht. Seine Zeit ist schon abgelaufen. Sein Atem verbraucht. Ich weiß es, als ich sehe, wie seine Hände herunterfallen. Sie plumpsen ins Wasser und treiben dort, als hingen sie nicht an jemandem dran. Als wäre mein Bruder einfach … weg.
Dad lässt ihn los. Er schiebt ihn ins tiefere Wasser. Jeremy treibt dort, als würde er »Toter Mann« spielen. So wie er es früher gemacht hat, wenn Mom im Sommer mit uns baden ging, solange unser Vater bei der Arbeit war.
Ich sehe nicht hin, wie Dad aus dem See kommt. Ich beobachte nicht, wie er durch den Garten geht. Ich blicke nicht mal auf, als er durch die Küchentür wieder hereinkommt. Stattdessen beobachte ich Jeremy, warte, dass er sich bewegt, dass er aufwacht.
»Hol deine Handtasche. Wir gehen essen. Die Jungs können sich hier ein Brot machen.«
Jungs? Heißt das, Jeremy geht es gut?
Ich will zur Tür laufen, aber Mom packt mich. »Jasper, sei ein lieber Junge und hol meine Handtasche, Süßer. Die hängt neben der Haustür.«
Ihre Augen sind anders. Sie wirken ängstlich, und das macht mir Angst. Deshalb gehe ich einfach ihre Handtasche holen und bringe sie ihr, wie sie gesagt hat. Als ich sie ihr gebe, nimmt Mom sie und zieht mich an sich. Ich fühle, dass ihre Arme zittern, und als sie mich loslässt, weint sie. Aber sie lächelt auch, als dürfte sie nicht weinen. Keiner von uns darf weinen.
»Du setzt dich da vor den Fernseher, okay? Und rühr dich nicht.« Ihre Stimme warnt mich vor irgendwas. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich habe Angst. Und sie hat auch Angst.
»Okay.«
Ich schalte eine Zeichentrickserie an und setze mich auf die Couch, bis ich höre, wie Dads Truck startet. Dann springe ich auf und renne, so schnell ich kann, durch die Küche, zur Hintertür hinaus und durch den Garten zum See.
Es regnet jetzt, und das Gras ist rutschig. Zweimal falle ich hin, ehe ich das Ufer erreiche. Dort rufe ich laut nach meinem Bruder.
»Jeremy!« Er bewegt sich nicht, treibt einfach auf der Oberfläche wie meine grüne aufblasbare Schildkröte. »Jeremy!«
Ich sehe zurück zum Haus und wieder zu meinem Bruder. Hier kenne ich keinen, der mir helfen kann. Keiner legt sich mit meinem Dad an. Nicht mal meine Mom. Wenn ich Jeremy nicht helfe, wird er sterben.
Meine Hände zittern, und meine Knie fühlen sich komisch an, als ich ins Wasser gehe. Es ist so kalt, dass es auf meiner Haut piekt, so wie letzten Winter, als ich von meinem Schlitten gefallen bin und Schnee in meine Hose kam. Den konnte ich gar nicht schnell genug herausbekommen. Er war so kalt, dass er brannte. Aber diesmal gehe ich weiter, egal, wie sehr es wehtut.
Als mir das...