E-Book, Deutsch, 292 Seiten
ISBN: 978-3-347-38051-6
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gustave Le Bon (1841 - 1931) ist Franzose, promovierter Arzt, Anthropologe und Soziologe, der im Lauf seines langen Lebens 43 Bücher veröffentlicht. Viele seiner Bücher tragen die Bezeichnung "Psychologie" im Titel. Sein Buch "Psychologie der Massen" ist sein erfolgreichstes Werk mit vielen Neuauflagen, das auch rund 125 Jahre nach der Erstveröffentlichung immer noch aktuell ist, weil er zeitlose Verhaltensweisen der Menschen analysiert. Zudem versteht er es, seine Erkenntnisse klar und deutlich zu vermitteln, ohne Umschweife und die heute weit verbreitete Furcht, bei empfindlichen Geistern auf Missfallen zu stoßen. In linken Gesellschaftskreisen ist Le Bon nicht wohlgelitten und "umstritten", eine Charakterisierung, die auch darauf beruhen mag, dass er vehement vor den Gefahren des Sozialismus warnt, weil der Sozialismus zu "Knechtschaft und Elend" führe.
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Vorwort des Herausgebers Gustave Le Bon (1841 - 1931) ist eine herausragende Gestalt in der Geschichte der Psychologie und der Soziologie, und er beeinflusst wesentlich die französische Politik, das intellektuelle Leben und die Entwicklung der französischen Gesellschaft zur Zeit Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts. Le Bons größte Makel, die vor allem heute, 90 Jahre nach seinem Tod, gerne erwähnt werden, seien hier gleich vorweg herausgestellt: Er ist zum einen ein unabhängiger Denker, der sich nicht scheut, sich im Widerspruch zu breiten gesellschaftlichen Strömungen oder Institutionen, so zum Sozialismus oder zur katholischen Kirche, deutlich zu äußern. Unabhängiges Denken und unkonformistische Meinungen sind (damals und heute) Ausnahmen, die von den an den herrschenden Geist Angepassten nicht geduldet und vehement bekämpft werden.1 Zum anderen fehlen in kaum einem Essay oder einer Biografie über Le Bon negativ wertende Feststellungen über seinen Einfluss auf Tyrannen im 20. Jahrhundert. Jedoch: Die Hinweise heutiger Moralisten und Besserwisser, dass manche totalitären Gestalten in der Politik, auch Diktatoren übelster Art, so Mussolini, Hitler, Stalin und Mao, dass diese Protagonisten des Schreckens sich von Le Bon haben inspirieren lassen, dürfte ein unvoreingenommener Beobachter nicht Le Bon zuschreiben, der wahrlich nicht für ungezählte Gräuel im 20. Jahrhundert verantwortlich gemacht werden kann. Le Bon ist der nüchterne Analytiker, der vor Diktaturen, rechten wie linken, warnt. Le Bon hat als promovierter Arzt, Anthropologe und Soziologe seine besondere Aufmerksamkeit dem Verhalten der Menschen gewidmet. In seinem literarischen Schaffen, 43 Werke veröffentlicht er im Laufe seines langen Lebens, nimmt daher die Psychologie einen breiten Raum ein. Zahlreiche Bücher veröffentlicht er unter dem Leitwort „Psychologie“.2 Le Bon beeinflusst nicht nur die Wissenschaften sondern auch das gesellschaftliche und politische Leben in Frankreich. Zusammen mit dem Psychologen und Philosophen Théodule Ribot begründet Le Bon die wöchentlichen „Déjeuners du Mercredi“, Zusammenkünfte verschiedener Intellektueller zum Gedankenaustausch. Einflussreiche Gestalten der damaligen Zeit, wie Raymond Poincaré (mehrfach Ministerpräsident, später Staatspräsident in Frankreich), Paul Valéry (Philosoph), Aristide Briand (mehrfach Ministerpräsident), folgen den Einladungen zum Déjeuner. Drei zentrale Ereignisse in Frankreich mögen die Sensibilität Le Bons für gesellschaftliche Entwicklungen geschärft haben: Die französische Niederlage im deutsch-französischen Krieg 1870/71 mit dem anschließenden Aufstand der Pariser Kommune, der Aufstieg und die Popularität Georges Boulangers („Général Revanche“), der als Kriegsminister unermüdlich Revanche für den verlorenen Krieg propagiert und die Dreyfus-Affaire, dem politischen (und rassistischen) Skandal, in dessen Verlauf der Offizier Alfred Dreyfus fälschlicherweise des Verrats militärischer Geheimnisse beschuldigt und verurteilt wird. Diese Ereignisse dominieren die französische Politik jahrzehntelang. Das bekannteste Buch Gustave Le Bons ist das im Jahr 1895 in Paris veröffentlichte Werk „Psychologie der Massen“ („La Psychologie des Foules“), das, in viele Sprachen übersetzt, bis heute immer wieder in neuen Auflagen verbreitet wird.3 Es ist ein Standardwerk, von dem zahlreiche Sozialwissenschaftler gezehrt haben und manche auch aktuell noch zehren. Die französische Zeitung „Le Monde“ hat im Jahr 2009 die „Psychologie der Massen“ zu den zwanzig Büchern gezählt, die die Welt verändert haben. Das Buch sei ein herausragendes Geschichtsdokument. NebenLe Bon stehen auf der Liste der Weltveränderer u.a. Darwin, Einstein, Freud, Voltaire, Rousseau, Marx, Engels, Smith und von Clausewitz. In linken Gesellschafts- und Soziologenkreisen ist Le Bon nicht wohl gelitten, ein Umstand, der weniger an seinen Erkenntnissen in seinem Buch „Psychologie der Massen“ liegen dürfte, sondern eher in seinem in den Jahren 1898 und 1902 (in überarbeiteter Form) erschienenen Werk „Psychologie des Sozialismus“, in dem er kritisch den Sozialismus analysiert. „Man kann kein Sozialist sein, ohne jemanden oder etwas zu hassen. Sozialisten hassen die momentane Gesellschaft, aber sie hassen sich selbst viel mehr“, schreibt Le Bon und fährt fort: „Knechtschaft, Elend und Caesarismus sind die unvermeidlichen Abgründe, zu denen alle sozialistischen Wege führen.“4 Le Bon schließt seine umfangreiche Analyse des Sozialismus und der mit ihm verbundenen Gefahren mit dem Hinweis ab, wie der Sozialismus bekämpft werden könne: „Es ist Aufgabe der Schriftsteller, so gering ihr Einfluss auch sein mag, eine solche Katastrophe im eigenen Land abzuwenden.“ Le Bon ist durch die geschichtliche Entwicklung in den rund 120 Jahren nach der Veröffentlichung seiner beiden Hauptwerke bestätigt worden. Der Sozialismus hat weltweit Unheil gebracht, der Sozialismus wird immer Unheil bringen. Das hier vorliegende Buch Le Bons, die „Psychologie der Massen“, besticht durch die klare, stringente Darstellung eines Soziologen, der, im Gegensatz zu einigen, oder besser vielen Wissenschaftlern seiner Zunft, seine Sprache so wählt, dass die Leser seiner Darstellung auch ohne soziologische Vorbildung folgen können. Le Bon ist verständlich und wird verstanden. Er benennt ohne mäandrierende Umschweife klar, kraftvoll und intellektuell beeindruckend seine Positionen, ohne die heute weit verbreitete Angst, bei empfindlichen Geistern mit seinen Äußerungen auf Missfallen zu stoßen. Daher ist Le Bon heute „umstritten“ („une personalité controversée“, französische Wikipedia), so wie missliebige Personen, die nicht den aktuell herrschenden politischen Stereotypen entsprechen, gerne bezeichnet werden. Ein Individualist, Gegner des Egalitarismus und des Kollektivismus, der über Massen schreibt, der die Gefährlichkeit der Massen erkennt, die den Untergang einer Zivilisation befördern, dieser Mensch, der selber friedlich in Ruhe und Ordnung lebt, ist heute bei Vielen verpönt. Am Rathaus in Marnes-la-Coquette, dem Ort, in dem Le Bon viele Jahre seines Lebens verbracht hat, ist vor längerer Zeit noch, wann, ist nicht mehr zu ermitteln, eine Tafel angebracht worden, auf der Le Bon als Offizier der Ehrenlegion, als Philosoph, Soziologe, Arzt und sogar als Förderer der Atomwissenschaft geehrt wird.5 In der französischen Wikipedia wird Le Bon nunmehr statt als Wissenschaftler als Amateurwissenschaftler herabgestuft, Philosoph ist er auch nicht mehr, und er wird als rassistischer Theoretiker gebrandmarkt. Und die Frage, ob er tatsächlich Arzt ist oder eher ein Gesundheitsbeamter, dient auch dazu, Le Bon herabzuwürdigen. Die Stadt Paris hat eine knapp einhundert Meter lange Straße, trist, eng mit Mietskasernen bebaut, mit lediglich einem Baum, keinem Strauch, nach Le Bon benannt. Dies ist schäbig. Zu einer angemessenen Ehrung Le Bons hat die Pariser Stadtverwaltung sich nicht überwinden können. Bereits einen Tag nach seinem Tod wird das Bild Le Bons in der Presse verfälscht. Er habe an die Zukunft des Sozialismus geglaubt, schreibt der „Figaro“ am 15. Dezember 1931 in einem Nachruf, dabei ignorierend, dass Le Bon mit seinem Werk „Psychologie des Sozialismus“ eine mehrere hundert Seiten umfassende Untersuchung vorgelegt hat, in der er unter anderem die Konflikte zwischen der Demokratie und dem Sozialismus sowie die Unvereinbarkeit von erfolgreicher Wirtschaft und Sozialismus dargelegt hat.6 Das letzte Kapitel des Buches trägt übrigens die Überschrift: „Wie der Sozialismus bekämpft werden kann.“ Allerdings ist der Nachruf im „Figaro“ insofern kryptisch, als geschrieben steht, Le Bon habe fest an die Zukunft des Sozialismus geglaubt. Dabei vergisst die Zeitung zu erwähnen, dass er diese Zukunft als trostlos und bedrückend ansieht. Auch noch Jahrzehnte nach der Veröffentlichung der „Psychologie des Sozialismus“, 1898, ist Le Bon davon überzeugt, dass der Sozialismus mit seinem Bestreben nach Gleichheit ein Trugschluss ist: „Der Durst nach Ungleichheit scheint ein nicht nachlassendes Bedürfnis der menschlichen Natur zu sein. Wir wissen, mit welchem Eifer die Konventsmitglieder, die der Guillotine entkamen, Napoleon um Adelstitel ersuchten. Der egalitäre Traum, der sie zu so vielen Massakern geführt hatte, war daher in Wirklichkeit nur ein heftiger Wunsch nach Ungleichheit zu ihrem Vorteil. Darüber hinaus hat die Geschichte übrigens noch kein Land hervorgebracht, in dem Gleichheit herrschte.“7 Bei der Lektüre seines Buches „Psychologie der Massen“ werden die Leser immer wieder auf den...