LaValle | Die Ballade von Black Tom | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Cemetery Dance Germany SELECT '24 - LOVECRAFTIAN VIBES

LaValle Die Ballade von Black Tom


Deutsche Erstausgabe
ISBN: 978-3-946330-42-4
Verlag: Buchheim Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Cemetery Dance Germany SELECT '24 - LOVECRAFTIAN VIBES

ISBN: 978-3-946330-42-4
Verlag: Buchheim Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Menschen ziehen nach New York auf der Suche nach Magie, und nichts kann sie davon überzeugen, dass es die nicht gibt. Charles Thomas Tester muss um das Essen auf dem Tisch kämpfen und hält sich mit Aufträgen von Harlem bis Red Hook über Wasser. Er weiß, welche Wirkung ein Anzug haben kann, dass ein Gitarrenkoffer unsichtbar macht und welcher Fluch auf seiner Haut geschrieben steht - ein Fluch, der die Aufmerksamkeit reicher Weißer und ihrer Polizisten auf sich zieht. Als er einer alten Zauberin im Herzen von Queens ein okkultes Buch liefert, stößt Tom die Tür zu einer unergründlichen Dimension der Magie auf und erregt die Aufmerksamkeit uralter Wesen, die man besser hätte ruhen lassen. Ein Sturm, der die ganze Welt verschlingen könnte, braut sich über Brooklyn zusammen. Kann Black Tom lange genug überleben, um zu sehen, wie er losbricht? Gewinner des Shirley Jackson Award, des This is Horror Award und des British Fantasy Award Eines der bester Bücher von NPR im Jahr 2016 und Finalist für den Hugo, Nebula, Locus, World Fantasy und Bram Stoker Award. People Magazine:  »Geniale Neuinterpretation eines H. P. Lovecraft-Klassikers.« Alle fünf Bände der 24er-Ausgabe von Cemetery Dance Germany SELECT sind von Vincent Chong illustriert, haben illustrierte Vor- und Nachsatzpapiere sowie 3 Innenillustrationen. HINWEIS Gesamtausgabe & Farbschnitt: Die fünf Bände von Cemetery Dance Germany SELECT '24 - LOVECRAFTIAN VIBES sind ebenfalls als Gesamtausgabe im Sammlerschuber erhältlich. Die Hardcover der ersten Auflage der Gesamtausgabe werden einen digitalen Farbschnitt erhalten. Ein bestehendes CDG-SELECT-Abo (direkt beim Verlag) zählt ebenfalls in Bezug auf die erste Auflage der Gesamtausgabe mit Farbschnitt.

Victor LaValle ist der Autor mehrerer  Kurzgeschichtenbände und Romane, darunter Lone Women und The Changeling, welches von Apple TV+ mit LaKeith Stanfield in der Hauptrolle adaptiert wurde. LaValle wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter der Shirley Jackson Award, der American Book Award, der World Fantasy Award und der Bram Stoker Award.  Vom Supreme Alphabet hat er erstmals mit achtzehn Jahren gehört. Seither benutzt er es ohne Unterbrechung. LaValle unterrichtet an der Columbia University.

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Weitere Infos & Material


1
Menschen, die nach New York ziehen, begehen immer den gleichen Fehler: Sie können die Stadt nicht sehen. Das trifft auf Manhattan zu, aber auch auf die Außenbezirke, sei es Flushing Meadows in Queens oder Red Hook in Brooklyn. Sie kommen auf der Suche nach der Magie, sei sie nun böse oder gut, und nichts kann sie überzeugen, dass es die gar nicht gibt. Allerdings ist das gar nicht so übel. Einige New Yorker haben gelernt, diesen Denkfehler zu nutzen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Charles Thomas Tester beispielsweise. Der wichtigste Morgen fing mit einem Ausflug an, der in Charles’ Wohnung in Harlem begann. Er war angeheuert worden, eine Lieferung zu einem Haus draußen in Queens zu schaffen. Sein Zuhause teilte er sich mit seinem dahinsiechenden Vater Otis, einem Mann, der bereits vor sich hin starb, seit seine Frau nach einundzwanzig Ehejahren verschieden war. Sie hatten ein Kind bekommen, Charles Thomas, und obwohl er jetzt zwanzig war und damit exakt im richtigen Alter, um sein eigenes Leben zu führen, spielte er weiterhin die Rolle des pflichtbewussten Sohns. Charles arbeitete, um für seinen sterbenden Vater zu sorgen. Er legte sich ins Zeug, um Essen und Obdach zu bezahlen und von Zeit zu Zeit ein wenig Geld auf eine Zahl zu setzen. Gott wusste, dass er mehr nicht zusammenbekam. Kurz nach acht Uhr morgens verließ er die Wohnung in einem grauen Flanellanzug; die Hosenbeine waren umgeschlagen und trotzdem abgestoßen, die Ärmel hingegen auffallend kurz. Guter Stoff, aber ausgefranst. Was Charles ein gewisses Erscheinungsbild verlieh. Er sah aus wie ein Gentleman ohne das Bankkonto eines Gentlemans. Er wählte die braunen Budapester aus Leder mit den ramponierten Zehenkappen und dazu eine dunkelbraune Schirmmütze anstelle eines Fedora. Der Mützenschirm verriet, wie alt und abgetragen das Stück war, doch auch das kam seinem Zweck entgegen. Als Letztes schnappte er sich den Gitarrenkoffer, ohne den sein Ensemble nicht vollständig gewesen wäre. Die Gitarre selbst ließ er zu Hause bei seinem bettlägerigen Vater. In dem Koffer lag nur ein gelbes Büchlein, nicht viel größer als ein Kartenspiel. Als Charles Thomas Tester die Wohnung an der West 144th Street verließ, hörte er seinen Vater im hinteren Schlafzimmer die Saiten zupfen. Der alte Mann konnte einen halben Tag damit zubringen, mit dem Instrument und seiner Stimme das Radio an seinem Bett zu begleiten. Charles rechnete damit, noch vor Mittag zurück zu sein – mit leerem Gitarrenkoffer und gut gefüllter Brieftasche. »Who’s that writin’«, sang sein Vater mit heiserer, aber dadurch umso reizvollerer Stimme. »I said who’s that writin’?« Beim Gehen antwortete Charles mit der letzten Zeile des Chors: »John the Revelator«, peinlich berührt von seiner Stimme, die im Vergleich zu der seines Dads so gar nicht melodisch klang. In der Wohnung hieß Charles Thomas Tester schlicht Charles, aber auf der Straße kannte ihn jeder als Tommy. Tommy Tester, der stets einen Gitarrenkoffer dabeihatte. Das lag jedoch nicht daran, dass er Musiker werden wollte; tatsächlich konnte er sich kaum ein paar Songs merken und seine Singstimme ließ sich – freundlich ausgedrückt – höchstens als unstet beschreiben. Sein Vater, der seinen Lebensunterhalt als Maurer verdient hatte, und seine Mutter, die ihr ganzes Leben lang als Hausbedienstete arbeitete, hatten beide die Musik geliebt. Dad hatte Gitarre gespielt, und Mutter konnte wahrhaft auf den Klaviertasten lustwandeln. Da war es nur natürlich, dass Tommy Tester gern aufgetreten wäre. Tragisch war nur, dass er kein Talent hatte. Er sah sich selbst als Entertainer. Es gab andere, die hätten ihn eher als Betrüger bezeichnet, als Schwindler und Gauner, aber er selbst dachte niemals so über sich. Kein guter Scharlatan würde so etwas tun. In der Kleidung, die er gewählt hatte, sah er definitiv aus wie ein schillernder, heruntergekommener Musiker. Er war ein Mann, der Aufmerksamkeit erregte, und er genoss das. Er stolzierte in Richtung Bahnstation, als ob er auf dem Weg zu einem Auftritt wäre, um dort zusammen mit Willie »The Lion« Smith zu spielen und so Geld für die Miete einzusammeln. Tommy hatte tatsächlich einmal mit Willies Band gespielt. Nach einem einzigen Song hatte Willie ihn wieder rausgeworfen. Und dennoch trug Tommy noch immer den Gitarrenkoffer mit sich herum wie ein Geschäftsmann stolz seinen Aktenkoffer auf dem Weg zur Arbeit. In den Straßen von Harlem war 1924 das Chaos ausgebrochen, als Schwarze aus dem Süden und aus der Karibik eingetroffen waren. Ein sowieso schon überfüllter Stadtteil hatte plötzlich noch mehr Leuten Unterschlupf bieten müssen. Tommy Tester gefiel es so. Früh am Morgen durch Harlem zu gehen, das war, als wäre man ein einzelner Blutstropfen in einem riesigen Körper, der gerade erwachte. Gebäude, Geschäfte, Hochbahngleise und etliche Meilen U-Bahn-Tunnel … Diese Stadt war lebendig; sie wuchs und gedieh bei Tag und bei Nacht. Wegen seines Gitarrenkastens benötigte Tommy mehr Platz als die meisten anderen. Am Eingang in der 143. Straße musste er den Kasten über seinen Kopf heben, während er die Treppe zur Hochbahn hinaufstieg. Das kleine gelbe Buch rutschte im Inneren umher, was aber egal war, denn es wog nicht viel. Er fuhr mit der Bahn bis hinab zur 57. Straße, wo er in die Roosevelt Avenue Corona Line der Brooklyn Manhattan Transit umstieg. Das war sein zweiter Abstecher nach Queens, beim ersten hatte er einen besonderen Job übernommen, den er heute zu Ende bringen würde. Je weiter Tommy Tester nach Queens hineingelangte, desto mehr fiel er auf. In Flushing lebten viel weniger Negros als in Harlem. Tommy zog seine Kappe tiefer. Zweimal betrat der Schaffner den Wagen, und beide Male hielt er inne, um sich mit Tommy zu unterhalten. Einmal um ihn zu fragen, ob er Musiker sei, wobei er auf den Kasten klopfte, als wäre es sein eigener, und das zweite Mal, um sich zu erkundigen, ob Tommy seine Haltestelle verpasst habe. Die anderen Passagiere taten desinteressiert, aber Tommy sah, dass sie seinen Antworten lauschten. Die hielt er kurz und einfach: »Ja, Sir, ich spiele Gitarre« und »Nein, Sir, ich habe noch ein paar Stationen vor mir«. Unauffällig zu sein, fügsam, sich unsichtbar zu machen – das alles waren nützliche Tricks, auf die ein schwarzer Mann in einem weißen Viertel zurückgreifen konnte. Überlebenstechniken. An der letzten Station, Main Street, stieg Tommy Tester mit all den anderen aus – vorwiegend irische und deutsche Migranten – und ging die Treppen hinunter auf die Straßenebene. Von hier aus hatte er noch einen langen Fußweg vor sich. Unterwegs bewunderte Tommy die breiten Straßen und die sich um Gartenanlagen gruppierenden Häuser. Zwar war das Viertel, das aus holländischem und britischem Ackerland hervorgegangen war, enorm gewachsen und ziemlich modern, doch einem Jungen wie Tommy, der in Harlem aufgewachsen war, kam es rustikal und verblüffend weitläufig vor. Die offenen Arme der Natur wirkten auf ihn ebenso beunruhigend wie die weißen Menschen, denn beides war ihm fremd. Wann immer er auf der Straße an Weißen vorüberging, hielt er den Blick gesenkt und ließ die Schultern hängen. Männer aus Harlem waren für ihre Haltung bekannt – sie stolzierten einher wie Löwen. Hier draußen verbarg er das lieber. Er wurde beobachtet, aber nicht aufgehalten. Sein schlurfender Gang bot ihm eine gute Tarnung. Und endlich, mitten zwischen unzähligen Blocks frisch erbauter Gartenhofhäuser, erreichte Tommy sein Ziel. Es war ein Privathaus, klein und geradezu verloren hinter einer Reihe Bäume. Das letzte Haus vor der Leichenhalle, die den Rest des Blocks beanspruchte. Das Gebäude wuchs wie ein Tumor aus dem Haus der Toten hervor. Tommy Tester ging die Eingangstreppe hinauf und musste nicht einmal klopfen. Er hatte die drei Stufen noch nicht erklommen, als schon die Haustür geöffnet wurde. Halb im Schatten stand eine große, hagere Frau auf der Schwelle. Ma Att. Das war der Name, unter dem er sie kannte, und der einzige, auf den sie reagierte. Der, unter dem sie ihn angeheuert hatte. Auf dieser Schwelle, bei halb geöffneter Tür. Es hatte sich bis Harlem herumgesprochen, dass sie Hilfe benötigte, und er war genau der Typ Mann, der ihr liefern konnte, was sie brauchte. Und so wurde er zu ihrer Tür gerufen und engagiert, ohne jedoch ins Haus eingeladen zu werden. Genauso würde es auch jetzt ablaufen. Er konnte den Grund verstehen oder zumindest erraten. Was würden die Nachbarn sagen, wenn diese Frau Negros in ihrem Haus ein und aus gehen ließe? Tommy öffnete die Schnalle des Gitarrenkoffers und hielt ihn ihr offen hin. Ma Att beugte sich vor, sodass ihr Kopf ins Tageslicht geriet. Im Inneren lag das Buch, nicht größer als eine von Tommys Handflächen. Der Einband war fahlgelb. Drei Worte waren auf Vorder- wie Rückseite zu sehen: Zig Zag Zig. Nicht dass Tommy wüsste, was die Worte bedeuteten, oder sich auch nur dafür interessiert hätte. Er hatte dieses Buch nicht gelesen oder jemals nur mit bloßen Händen berührt. Er war angeheuert worden, das kleine gelbe Büchlein zu transportieren, und das war alles, was er getan hatte. Er war der richtige Mann für diese Aufgabe – teilweise weil er wusste, dass er nicht mehr als das tun sollte. Ein guter Gauner ist nicht neugierig. Ein guter Gauner will nur seinen Lohn. Ma Att blickte von dem Buch dort im Kasten auf und sah ihn mit vage enttäuschter Miene an. »Sie waren nicht in Versuchung hineinzuschauen?«, fragte sie. »Dafür berechne ich mehr«, sagte Tommy. Sie fand ihn...


Victor LaValle ist der Autor mehrerer  Kurzgeschichtenbände und Romane, darunter Lone Women und The Changeling, welches von Apple TV+ mit LaKeith Stanfield in der Hauptrolle adaptiert wurde.
LaValle wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter der Shirley Jackson Award, der American Book Award, der World Fantasy Award und der Bram Stoker Award. 
Vom Supreme Alphabet hat er erstmals mit achtzehn Jahren gehört. Seither benutzt er es ohne Unterbrechung. LaValle unterrichtet an der Columbia University.



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