Lanthaler | Grobes Foul | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 268 Seiten

Reihe: Tschonnie-Tschenett-Roman

Lanthaler Grobes Foul

Ein Tschonnie-Tschenett-Roman

E-Book, Deutsch, Band 2, 268 Seiten

Reihe: Tschonnie-Tschenett-Roman

ISBN: 978-3-7099-7682-1
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



SIE WISSEN ALLES. DER STARFUSSBALLER WIRD ERPRESST. MIT EINER GESCHICHTE, DIE KEINESFALLS AN DIE ÖFFENTLICHKEIT GELANGEN DARF …

Der Stürmerstar Paolo Canaccia hat die teuersten Beine seiner Mannschaft und eine Frau, um die ihn ganz Italien beneidet. Währenddessen ist der Aushilfs-LKW-Fahrer Tschonnie Tschenett hauptsächlich damit beschäftigt, unter der Sommerhitze zu leiden. Als er nachts an einem auf der Notspur der Autobahn geparkten Ferrari vorbeikommt, hält er an.
Stunden später hat er in Canaccia einen Freund gewonnen. Der ein Problem hat: Der Starfußballer wird erpresst. Mit einer Geschichte, die keinesfalls an die Öffentlichkeit gelangen darf …

WEITERE KRIMIS AUS DER TSCHONNIE-TSCHENETT-REIHE:
- Der Tote im Fels
- Grobes Foul
- Herzsprung
- Azzurro
- Napule

LESERSTIMMEN:
"Der Antiheld Tschonnie Tschenett tritt mal wieder von einem Fettnäpfchen ins nächste. Dabei will er doch nur einem Fußballstar helfen. Verplant, chaotisch und schräg, ein Krimistar der besonderen Sorte."
"Der Krimi gewährt Einblicke hinter die Fassade Südtirols abseits der aufgehübschten Touristenstories. Ein Buch mit starkem Realitätsbezug, Italienische Redewendungen runden das Ganze ab. Ein Buch zum Abtauchen, einlassen, schmunzeln!"
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3
„Hast du was dagegen, Berta, wenn ich mich hinters Haus lege und in Ruhe sterbe?“ Berta sah mich an, drehte sich um und verschwand in die Küche. Als sie zurückkam, hatte sie eine überdimensionale Schale in der Hand. Normalerweise braute sie sich darin ihren Milchkaffee. Berta legte ihre schwere Hand auf meine Schulter, schob mich vom Pudel weg zu dem kleinen Tisch, drückte mich in den Stuhl und setzte mir die Schale vor die Nase. „Das wird jetzt getrunken“, sagte sie, „vorher red ich nicht mit dir. Punktum.“ Das Ding war randvoll mit dampfender Fleischsuppe. Und mittendrin schwammen zwei Eier, halbroh. „Berta …“ „Nix da. Austrinken“, sagte Berta und setzte sich. Mir genau gegenüber. Und ließ mich nicht aus den Augen. Ich versuchte zaghaft, die Tasse anzuheben, ohne alles zu verschütten. Nach den ersten Millimetern war schon klar, daß ich keine Chance hatte. „Los. Auf geht’s“, sagte Berta. Ich sah sie kurz an. Sie schaute gnadenlos zurück. Dann gab ich auf. Beugte mich über die Fleischsuppe und schlürfte. „Vielleicht wirst so wieder ein Mensch“, sagte Berta. Was sollte ich tun? Ich war Berta auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Nirgendwo sonst hatte ich noch auch nur einen Rest von Kredit. Und Berta ließ Widerspruch prinzipiell nicht gelten. Vor allem, wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatte, so einen wie mich auf den Rechten Weg zurückzubringen. Und wenn es mit Hilfe eines dreiviertel Liters kochendheißer Suppe war. „Mein Bruder hat einmal zwei Tage lang nicht mehr gewußt, wie er heißt“, sagte Berta. „So viel gesoffen hat er gehabt. Heumachen hab ich ihn geschickt, mitten in die größte Hitze. Und zu trinken hat er nur Fleischsupp bekommen. Und rohe Eier. Aber geholfen hat’s.“ Bertas Bruder war seit fünfzehn Jahren tot. So gut war ich noch nicht dran. Dann war da noch Bertas Verlobter: vor vierzig Jahren gestorben. Als dann auch der Bruder tot war, hatte sie sich allein geholfen. Und eine Bar aufgemacht. Hier hinten in Pflersch, diesem kleinen Seitental abseits der Welt, führte sie ein kleines Lokal, das für die Bauern der Umgebung so etwas wie ein Sanatorium war. Hier konnte man sich für ein paar Lire die Mühen einer ganzen Woche langsam und in Ruhe von der Seele trinken und reden. Für gescheiterte Figuren wie mich hatte die Berta auch immer einen Platz frei. Und ein paar Lire übrig. Deswegen war ich hier. „Ich glaube nicht, daß mir noch etwas helfen kann“, sagte ich. „Hör auf, dir ewig leid zu tun.“ „Und dann?“ „Gar nichts. Trink aus und geh arbeiten.“ Genau so hatte ich sie vor Jahren kennengelernt. Ein Weibermensch mit Haaren auf den Zähnen, sagten die Einheimischen. Und verwiesen auf Bertas ebenso unvollendete wie frühe Witwenschaft und die nachfolgenden ledigen Jahrzehnte. Zuerst wollte sie nicht und dann hat sich keiner mehr getraut, sagten sie. Berta sah das anders. „Junger hab ich noch geglaubt, es nützt etwas, sich mit einem Mandermensch zusammenzutun“, hatte sie mir erklärt, als wir wieder einmal über einem halben Roten ins Philosophieren gekommen waren. „Jetzt weiß ich’s besser. Es wird nichts leichter dadurch. Also hab ich’s bleibenlassen“, hatte sie gesagt. Und mir dringend ähnliches empfohlen. „Dann wirst ruhiger. Zum Heiraten bringst du’s eh nie. Und alles andere macht dich nur konfuser. Schau dich an.“ Viel zum Schauen gab’s da nicht. Ich war inzwischen, ohne es zu merken, sechsunddreißig Jahre alt geworden, machte, wenn’s gar nicht anders ging, zwischendurch ein paar Fuhren als Aushilfs-LKW-Fahrer und versuchte ansonsten, mir vom Leben möglichst wenig anhaben zu lassen. Was nicht immer leicht war. Denn was sich da um mich herum abspielte an Geschäftigkeit, Tüchtigkeit, Fleiß und Pünktlichkeit und wie diese Kardinaltugenden einer verrottenden Welt alle hießen, konnte einem die Pickel bis ins letzte Glied schießen lassen. Und für heute hatte ich noch diese LKW-Fuhre am Hals. Mit dem letzten Schluck war mir das halbrohe Eiweiß durch die Kehle geschlurft. Es schüttelte mich. „Komm, komm“, sagte Berta, „das ist mehr als gesund. Es hilft dir wieder auf die Beine.“ Und genau dahin wollte ich nicht. Eigentlich. „Berta, ich habe in ein paar Stunden eine Fuhre. Rotterdam. Aber die Zugmaschine steht noch auf der Raststätte. Tank leer. Ich brauch ein paar Lire.“ Berta sah mich an, stand langsam auf, verschwand kurz in der Küche und legte dann zwei Hunderttausender vor mich hin. „Kriegst es vom nächsten Gehalt.“ Wobei Gehalt für das, was ich von meinen Arbeitgebern zu erwarten hatte, ein maßlos übertriebenes Wort war. „Was?“ sagte Berta. „Das hier, oder die anderen Schulden?“ Ich hob langsam den Kopf und sah Berta an. In diesem Augenblick kam ein Gast in die Bar. „Vergiß es“, sagte Berta, „es hat keine Eile. Zum Leben hab ich genug. Und zu was anderem brauch ich’s nicht.“ Ich steckte das Geld ein. Berta stand inzwischen hinter dem Pudel und schenkte ihrem Gast einen Treber ein. Ich stand auf, möglichst langsam, um die Fleischsuppe nicht durcheinanderzubringen, und stellte mich dazu. Der Mensch, der gerade versuchte, sich den Schnaps einzuverleiben, war mindestens so schlimm dran wie ich. Er zitterte so stark, daß er das Glas mit beiden Händen halten mußte. Und trotzdem kam er nicht recht weit damit. Nach ein paar Zentimetern verschüttete er die ersten Tropfen. Sofort stellte er das Glas wieder hin. War ja auch schade um das gute Zeug. Berta schaute zwischen ihm und mir hin und her. Und schien zu überlegen, wem von uns beiden sie als nächstes die Ohren langziehen sollte. Inzwischen hatte der Kollege die Lösung gefunden, sich über das Glas gebeugt und schlürfte den Schnaps direkt in sich hinein. „Gib mir einen Weißgespritzten“, sagte ich zu Berta. „Den zahlst aber“, sagte sie, „wenn schon unbedingt trinken mußt. Die Supp ist gratis.“ „Ins Rutschen gekommen“, sagte der Mensch neben mir, mehr zu sich als zu sonst jemandem. „Der Bagger ist ins Rutschen gekommen. Auf einmal. Grad daß ich noch Zeit gehabt hab. Grad noch.“ „Was ist los, Franz?“ sagte Berta. Kannte sie also auch den. „Feierabend hab ich für heut. Der Bagger ist mir abgestürzt. Tot könnt ich sein. Hin wie der Bagger. Feierabend. Und noch ein’ Treber.“ Den letzten Schluck hatte er schon mit beinahe ruhiger Hand in sich hineingeworfen. „Wenn’s sein muß“, sagte Berta. „Was war denn?“ Darauf hatte er nur gewartet. „Am Morerberg oben bauen wir einen Forstweg. Soll bis ganz oben aufs Eck raus gehen. Weißt eh. Seit einer knappen Woche sind wir in dem Hang drin. Dreihundert Meter hab ich schon hinübergebaut, steh vorn mit dem Bagger, leg noch einen von den Felsbrocken hin, dreh mich, hol mir mit der Schaufel noch einen, da kommt der sauteuflige Bagger ins Rutschen.“ Den zweiten Schnaps trank er in einem Schluck aus. Er war merklich ruhiger geworden. Und ich begann langsam, den Mann zu verstehen. Die neue Forststraße, die sie oben am Morerberg quer durch das steile Gelände zogen, damit sie sich jeden Baum, der dort gefällt werden sollte, direkt auf den LKW fallen lassen konnten, war ein ziemlich gewagtes Unterfangen. Ein paar Bürokraten in der Hauptstadt hatten einen Strich quer über eine Karte gezogen, unter Zuhilfenahme eines Lineals. Und jetzt wurde da oben die Straße gebaut. Das sah dann so aus, daß einer wie Franz mit seinem Bagger vorne überm Abgrund stand und einen nach dem anderen Felsbrocken, die kaum in die Schaufel paßten, an den Hang legte. So lange, bis eine Hangmauer und darauf eine Art Straße entstanden war. Auf der er selbst als erster fuhr. Sozusagen probeweise. Und hinter ihm der LKW, der die Felsen antransportierte. Zyklopenmauern hießen die Dinger unter Fachleuten. Für den, der sie da mit seinem Schaufelbagger in die steilen Hänge legen mußte, war das eine nervenaufreibende Angelegenheit. Da waren einiges Fingerspitzengefühl, Geschicklichkeit, gute Nerven und vor allem jede Menge Glück gefragt. Wenn es mein Nachbar, nachdem ihm sein Bagger abgestürzt war, noch bis in Bertas Bar geschafft hatte, hatte er sogar ziemlich viel Glück gehabt. Meist blieben die Baggerfahrer, wenn sie erst einmal ins Rollen gekommen waren, zusammen mit ihren Maschinen ein paar hundert Meter weiter unten liegen. Und...


Kurt Lanthaler, geboren 1960 in Bozen, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Schreibt Erzählungen, Romane, Drehbücher, Hörspiele und Theaterstücke. Installationen. Libretto und Video zu der Oper "Rasura" von M. Kerer. Diverse Preise und Stipendien. Übersetzer aus dem Italienischen, darunter Romane von Peppe Lanzetta und Roberto Alajmo. Bei Haymon: Fünf Romane um Tschonnie Tschenett: Der Tote im Fels, Grobes Foul (beide 1993), Herzsprung (1995), Azzurro (1998) und Napule (2002); Heiße Hunde. Hirnrissige Geschichten und ein Stück Karibik (1997), Offene Rechnungen. Anoichtoi Logariasmoi. Zwölf Gedichte und vier Geschichten (deutsch/italienisch/neugriechisch, 2000), Südtiroler Wein Lesen. Beschreibungen, Fotografien, Literatur (gem. mit Wolfgang Maier und Jochen Wermann, 2003), himmel & hoell (fuer fuszleser & daumenschauer) 84 strofen & 84 bilder fuer 84 stufen (gem. mit Peter Kaser, 2003), Das Delta. Roman (2007) und Goldfishs reisen um die halbe welt. Gedichte (2011). Bei HAYMONtb: Grobes Foul. Ein Tschonnie-Tschenett-Roman (2010) und Der Tote im Fels. Ein Tschonnie-Tschenett-Roman (2011).


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