Lang / Heyl / Greving | Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 239 Seiten

Lang / Heyl / Greving Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung

E-Book, Deutsch, 239 Seiten

ISBN: 978-3-17-026894-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



This textbook provides a comprehensive introduction to education for blindness and visual impairment. It broadens the perspective beyond the school and includes the individual=s entire lifespan, from early childhood education to old age. In this way, it presents the main foundations of the discipline, the profession and all institutions involved in education for the blind and visually impaired in a handy, compact form. References to practical work are a consistent principle. A unique aspect of the book is the close connection it makes between the psychological and diagnostic foundations and specific educational measures in the different areas of work.
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1          Bezugsgruppe und Personenkreis
      1.1       Begriffsklärungen
Im deutschen Sprachraum existieren verschiedene Ansätze, die unterschiedlichen Ausprägungsgrade von Beeinträchtigungen des Sehens zu definieren und zu klassifizieren. Hierbei lassen sich medizinische, sozialrechtliche und pädagogische Sichtweisen unterscheiden, die jeweils eigene Schwerpunkte und Definitionskriterien festlegen. In medizinisch-sozialrechtlichen Kontexten werden die Kategorien »Blindheit«, »hochgradige Sehbehinderung« und »Sehbehinderung« unter dem Oberbegriff »Sehschädigung« zusammengefasst. Die Einteilung in die jeweiligen Untergruppen erfolgt auf der Grundlage der ophthalmologisch gemessenen Sehschärfe (Visus) oder einer in den Auswirkungen vergleichbaren Einschränkung des Gesichtsfelds. Auf dieser Grundlage werden beispielsweise staatliche Unterstützungsleistungen und Formen des Nachteilsausgleichs zugewiesen. Bei einer Visusmessung muss die Testperson Sehzeichen (Optotypen) in einer Normdistanz erkennen. Aus der Differenz zwischen Normdistanz und tatsächlicher Prüfdistanz lässt sich die Sehschärfe folgendermaßen errechnen: Beispiel: Ist ein Optotyp für eine Entfernung von fünf Metern normiert, die Testperson müsste jedoch die Distanz bis auf einen Meter verkürzen, um es erkennen zu können, beträgt der Visuswert 1/5 (0,2). Der Referenzwert für nicht beeinträchtigtes Sehen liegt bei 1,0 (in unserem Beispiel 5/5). Neben Visuswerten für die Ferne, kann mit entsprechend normierten Prüftafeln auch ein Nahvisus bestimmt werden. Bei Sehprüfungen sollte grundsätzlich beides, Fern- und Nahvisus, getestet werden, da der Nahvisus beispielsweise für Lese- und Schreibtätigkeiten von hoher Bedeutsamkeit ist. Neben der Sehschärfe spielt das Gesichtsfeld bei der medizinischen und sozialrechtlichen Bestimmung einer Sehschädigung eine zentrale Rolle. Als Gesichtsfeld wird derjenige Bereich der Außenwelt bezeichnet, der bei unbewegtem Kopf und ohne Augenbewegungen wahrgenommen werden kann (Henriksen & Laemers, 2016, 142). Bei einem nicht sehbeeinträchtigten Erwachsenen beträgt die horizontale Ausdehnung des Gesichtsfelds beider Augen etwa 180°, die vertikale etwa 60° nach oben und 70° nach unten (Abbildung 1). Abb. 1: Vertikales und horizontales Gesichtsfeld Basierend auf diesen medizinischen Grundlagen werden in Deutschland Menschen mit einem auf dem besseren Auge (mit Korrekturhilfen wie Brille oder Kontaktlinse) ermittelten Visus von = 0,3 bis ausschließlich 0,05 als sehbehindert, mit einem Visus von = 0,05 bis ausschließlich 0,02 als hochgradig sehbehindert und mit einem Visus = 0,02 als blind bezeichnet (Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, 2011; Rath, 1987, 18). Das derzeitige internationale Klassifikationsmodell der World Health Organisation (International Classification of Diseases, ICD-10) sieht fünf Abstufungen vor, wobei die Stufen 1 und 2 zusammengenommen der deutschen Definition von Sehbehinderung entsprechen und Stufe 3 der Definition von hochgradiger Sehbehinderung (Tabelle 1). Tab. 1: Sozialrechtlich-medizinische Klassifikation von Sehschädigung im Vergleich Eine sehr starke zentrale Gesichtsfeldeinschränkung (»Röhrengesichtsfeld«) auf 5° wird sozialrechtlich ebenfalls dem Begriff »Blindheit« zugeordnet (Diepes et al., 2007, 10). Neben dem Visuswert sind somit auch Gesichtsfeldeinschränkungen bzw. Kombinationen von Visusminderungen und Gesichtsfeldeinschränkungen im sozialrechtlich-medizinischen Klassifikationsmodell maßgeblich. Aufgrund der Tatsache, dass sich pädagogische Maßnahmen nicht unmittelbar aus medizinischen Richtwerten (Visus, Gesichtsfeld etc.) ableiten lassen, verzichten pädagogische Definitionen von Blindheit und Sehbehinderung auf deren Nennung und beschreiben stattdessen die Zielgruppe und deren Unterstützungsbedarf. In den »Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Sehen« der Kultusministerkonferenz von 1998 finden sich dementsprechend folgende Ausführungen (Drave et al., 2000, 179): »Blinde Kinder und Jugendliche können nicht oder nur in sehr geringem Maße auf der Grundlage visueller Eindrücke lernen. Sie nehmen Informationen aus der Umwelt insbesondere über das Gehör und den Tastsinn sowie über die Sinne der Haut, des Geruchs und des Geschmacks auf. Die kompensierenden Funktionen dieser Sinne können durch geeignete Lernangebote entwickelt und gefördert werden. Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung können ihr eingeschränktes Sehvermögen nutzen. Sie sind in vielen Situationen auf spezielle Hilfen angewiesen. Sie bedürfen besonderer Anleitung, sonderpädagogischer Förderung und technischer Hilfen. Dies kann auch bei Sehbehinderungen geringeren Grades notwendig sein wie bei Beeinträchtigungen des Sehvermögens beider Augen oder bei Einäugigkeit.« Medizinisch diagnostizierte Sehschädigungen müssen nicht zwangsläufig zu Behinderungen der Teilhabe führen. Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, wird in aktuellen Veröffentlichungen im pädagogischen Kontext (u. a. Walthes, 2014; Lang & Thiele, 2020) der Begriff »Sehbeeinträchtigung« verwendet. Diese Begriffsdifferenzierung steht in engem Zusammenhang mit der seit 2001 vorliegenden WHO-Klassifikation ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) und deren Weiterführung ICF-CY (WHO, 2013). Mit der ICF liegt ein Instrumentarium vor, das den Begriff der Behinderung von einem einseitigen personalen Bezugsrahmen löst, der Behinderung monokausal als Folge einer medizinischen Schädigung betrachtet. Stattdessen werden kontextbezogene und situative Aspekte einbezogen (Abbildung 2). Abb. 2: Grundstruktur der WHO-Klassifikation ICF (WHO, 2013, 46) Die Lebenssituation eines Individuums hängt nicht nur von den zur Verfügung stehenden Körperfunktionen und -strukturen ab, sondern ganz entscheidend auch von den Möglichkeiten zur Aktivität und zu sozialer Partizipation, die wiederum maßgeblich von Umweltfaktoren und von individuellen personenbezogenen Faktoren beeinflusst werden. Eine Beeinträchtigung der Körperfunktionen, wie beispielsweise diejenige des Sehens, muss demnach nicht zwangsläufig in jeder Lebenssituation eine Behinderung darstellen. Aufgrund der skizzierten Zusammenhänge sollte der Begriff »Sehschädigung« nur dann verwendet werden, wenn medizinische Aspekte, also Einschränkungen der Körperstrukturen und -funktionen, im Vordergrund stehen oder wenn auf Leistungen des Sozialrechts Bezug genommen wird. Abbildung 3 veranschaulicht die weiteren begrifflichen Zusammenhänge, die insbesondere für pädagogische Kontexte bedeutsam erscheinen. Unterschieden werden hierbei die Begriffe »Sehbeeinträchtigung« und »Blindheit«. Beide Bezeichnungen verstehen sich als unabhängig von der Schädigungsursache und umfassen okulare, zerebral bedingte und psychische Ursachenzusammenhänge. Der Begriff »Sehbeeinträchtigung« lässt sich weiter differenzieren in die sozialrechtlich bedeutsamen Kategorien »Sehbehinderung« und »Hochgradige Sehbehinderung«, schließt jedoch auch sozialrechtlich nicht relevante Einschränkungen von Sehfunktionen mit ein. Sowohl bei »Sehbeeinträchtigung« als auch bei »Blindheit« bleibt offen, ob eine Behinderung von Teilhabe und Aktivität vorliegt oder nicht. Wie bereits dargestellt, ist das Vorhandensein von Behinderungen von Aktivität und Teilhabe maßgeblich von Umweltfaktoren und personalen Faktoren abhängig, die situativ gegeben oder nicht gegeben sein können. Grundsätzlich kann bei allen Formen und Ausprägungsgraden beeinträchtigten Sehens eine Behinderung vorliegen, muss aber nicht. Die Abstufung der genannten Kategorien kann sich an Visusgrenzen orientieren oder anhand vergleichbarer Beeinträchtigungen und Einschränkungen vorgenommen werden (z. B. Gesichtsfeldeinschränkungen, Kombination verschiedener visueller Beeinträchtigungen einschließlich zerebral bedingter Beeinträchtigungen). Die Abgrenzung von »Blindheit« und »Sehbeeinträchtigung« sowie die weitere Ausdifferenzierung von »Sehbeeinträchtigungen« erscheint grundsätzlich sinnvoll, weil die jeweiligen Maßnahmen zum Abbau von Behinderung von Teilhabe und Aktivität bzw. die Maßnahmen zum Aufbau optimierter Umweltfaktoren (z. B....


Prof. Markus Lang and Prof. Vera Heyl carry out research and teaching at Heidelberg University of Education, with a special focus on education for the blind and visually impaired.


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