Perspektiven für eine weltoffene Nation
E-Book, Deutsch, 418 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-90666-9
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Priv.-Doz. Dr. Volker Kronenberg, M.A. ist Akademischer Oberrat am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Zielgruppe
Research
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Vorwort zur 2. Auflage;5
2;Vorwort;7
3;Inhaltsverzeichnis;10
4;I. Einleitung;14
5;II. Rahmenbedingungen nationaler Selbstfindung;52
6;III. Den Blick nach Westen (I): Deutsche Patrioten und Frankreich im 18. Jahrhundert;75
7;IV. Auf der Suche nach dem Vaterland: Deutsche Patrioten zwischen Romantik, Restauration und Nationalismus;113
8;V. Patriotismus und der Abgrund des Totalitarismus;147
9;VI. Patriotismus in der Bundesrepublik Deutschland;174
10;VII. Patriotismus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert;230
11;VIII. Der Blick nach Westen (II): Die amerikanische Kommunitarismus- Debatte und ihre Implikationen fiir die Frage nach einem zeitgemaBen Patriotismus in Deutschland;245
12;IX. Patriotismus in Europa: Deutsche Erfahrungen und Einsichten zu Beginn des 21. Jahrhunderts;273
13;XL Anhang;334
14;XII. Bibliographie;353
Rahmenbedingungen nationaler Selbstfindung.- Den Blick nach Westen (I): Deutsche Patrioten und Frankreich im 18. Jahrhundert.- Auf der Suche nach dem Vaterland: Deutsche Patrioten zwischen Romantik, Restauration und Nationalismus.- Patriotismus und der Abgrund des Totalitarismus.- Patriotismus in der Bundesrepublik Deutschland.- Patriotismus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.- Der Blick nach Westen (II): Die amerikanische Kommunitarismus-Debatte und ihre Implikationen für die Frage nach einem zeitgemäßen Patriotismus in Deutschland.- Patriotismus in Europa: Deutsche Erfahrungen und Einsichten zu Beginn des 21. Jahrhunderts.- Blick zurück nach vorn: Bilanz und Ausblick.- Bibliographie.
V. Patriotismus und der Abgrund des Totalitarismus (S. 147-148)
A Patria ohne Patrioten: Die Weimarer Republik
a) Die fragmentierte Gesellschaft und die Hypothek des Krieges
Die Republik von Weimar, in ihrer politischen Verfassung ein neuer, ein demokratischer, parlamentarischer Nationalstaat, sie war von Anbeginn an eine belagerte civitas". Sie stand seit ihrer Gründung im Zeichen des verlorenen Krieges und der daraus resultierenden Friedensbedingungen von Versailles. Versailles erwies sich als ein gesamtgesellschaftliches Trauma, als eine Hypothek der Republik, die einen republikanischen Patriotismus von Anfang an diskreditierte. Nicht so sehr die territorialen und materiellen Auflagen des Versailler Vertrages waren es, die über alle Parteigrenzen hinweg als Unrecht empfunden wurden, es waren vor allem die Alleinschuld am Krieg sowie das Verlangen nach Auslieferung der politischen und militärischen Führung als „Kriegsverbrecher", die als Unrecht, als nationale Demütigung empfunden wurden.
Die aufgrund der Niederlage notwendigen, vielfach auch berechtigten und für eine neue nationale Entwicklung sogar vorteilhaften Aspekte des Vertrages wollte man nicht sehen bzw. nicht zugeben. Der Revisionismus des status quo war der einzige Punkt, über den, über alle politischen Lager hinweg, Einmütigkeit bestand. Die argumentative Grundlage des Revisionismus, der Maßstab, auf den er sich bezog, war das Reich von 1871 - doch in welchen Grenzen? Mit oder ohne Kolonien? Allein an diesen Punkten öffnete sich ein breites Spektrum von unterschiedlichen Zielvorstellungen, die von einer Aufhebung der beschrankenden und belastenden Auflagen des Versailler Vertrages bis zu weitreichenden neoimperialistischen Projektionen einer neuen deutschen Großmachtrolle reichten. Der Grundkonsens der Republik, soweit überhaupt vorhanden, erwies sich als ein negativer.
Selbst Revisionismus polarisierte, auch wenn es allenthalben als empörend empfunden wurde, dass Deutschland dem Volkerbund, auf Initiative Woodrow Wilsons hin als eine Institution der internationalen Verständigung und Konfliktlosung konzipiert, zunächst nicht beitreten durfte, zweimal wurde eine Teilnahme an den Olympischen Spielen untersagt. Die Deutschen in Osterreich, die sich am 19. März 1919 endgültig für einen Beitritt zum Deutschen Reich entschieden hatten, wurden gezwungen, auf diesen Akt nationaler Selbstbestimmung zu verzichten.
Vor dem Hintergrund der politischen und psychologischen Hypotheken des verlorenen Krieges sowie in Erinnerung an den innenpolitischen „Kampfkurs" im Kaiserreich" war zu Beginn der Weimarer Republik der gesellschaftliche und politische Diskurs ebenso beachtlich wie zerbrechlich.`"` Aufgrund der revolutionären Situation waren Vereinbarungen sehr zeitbedingt und bei einer Veränderung der Kräfteverhältnisse sofort gefährdet. Dies gait nicht nur für das Abkommen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften, welches einen gesellschaftspolitischen Umsturz verhindern und den Weg zu verstärkten Sozialreformen weisen sollte, sondern vor allem für die Grundlegung der formalen Demokratie.