Wurzeln und Perspektiven
E-Book, Deutsch, 161 Seiten
ISBN: 978-3-17-037814-8
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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3.1Thomas Hobbes (1588-1679)
»He who appropriates land to himself by his labour, does not lessen, but increase the common stock of mankind: for the provisions serving to the support of human life.« (Locke 2021, S. 176) Hobbes: Leben und Werk Dar. 1:Thomas Hobbes (Gemälde von J.M. Wright) Thomas Hobbes wurde als Sohn eines Pfarrers geboren, der aufgrund eines Skandals in seiner Gemeinde die Familie verließ. Hobbes und seine drei Brüder wurden von ihrem Onkel großgezogen. Hobbes galt als Wunderkind, besuchte mit vier-Jahren bereits die Schule und studierte schließlich mit 15 in Oxford. Nach Abschluss seines Studiums 1608 wurde er von der wohlhabenden Cavendish-Familie als Hauslehrer engagiert. Hobbes blieb in verschiedenen Funktionen im Dienst der Familie und fand sich dadurch im englischen Bürgerkrieg auf Seite der Royalisten wieder. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Cavendish Familie bereiste er Europa, war Mitglied in vielen Gelehrtenzirkeln und hatte Kontakt zu den herausragenden Geistern seiner Zeit wie z.B. Descartes. 1640 schrieb Hobbes sein erstes politisches Traktat, in dem er die Machtfülle des Königs verteidigte. Ab den 1630er-Jahren beschäftigte Hobbes sich auch mit den Naturwissenschaften und galt als Autorität in den Bereichen Optik und Ballistik. Damit war er sowohl in den Bereichen Philosophie als auch Naturwissenschaften anerkannt. Im Bürgerkrieg flüchtete er nach Paris, wo er Privatlehrer des späteren Königs Charles II. wurde. Hobbes schrieb drei politische Werke: De Cive (1642) war auf Latein verfasst und hatte Gelehrte als Zielgruppe. Dort legte er die Grundzüge seines Gesellschaftsvertrags dar, der das Herzstück von Leviathan (1652) ist. The Elements of Law war auf Englisch verfasst und beschäftigte sich konkret mit politisch-juristischen Fragen der Regentschaft Charles I. Sein Hauptwerk Leviathan war an den späteren König gerichtet. Trotzdem kehrte Hobbes 1651 nach England zurück und arrangierte sich mit der Herrschaft Cromwells. Dennoch gelang es ihm nach der Restauration der Monarchie wieder eine prominente Rolle bei Hofe zu erreichen. Er genoss den Ruf eines herausragenden Intellektuellen seiner Zeit in In- und Ausland. 1666 verbrannte Hobbes die meisten seiner Aufzeichnungen, da er eine Strafverfolgung wegen Atheismus befürchtete. Im Alter von 84 Jahren übersetzte er Homers Odyssee in Reimform ins Englische. Noch vier Monate vor seinem Tod im Alter von 91 Jahren kündigte er seinem Verleger ein neues Manuskript an. (Sorrel o.J.) Thomas Hobbes gilt als Begründer der Theorie des Gesellschaftsvertrags. Er geht grundsätzlich davon aus, dass der Mensch in einer vorstaatlichen Zeit in einem permanenten Kriegszustand zu anderen stand, weil er seiner Natur nach einerseits nach absoluter Freiheit für sich selbst strebe und gelichzeitig nach Herrschaft über andere. (Hobbes 2017, S. 77) Ohne Staat gäbe es keine Gesetze und vor allem keine staatliche Macht, die diese Gesetze in Rechtsprechung überführt und ihnen dann auch Geltung verleiht. Der Staat diene den Bürgern also dazu »getting themselves out of the miserable condition of war.« (Hobbes 2017, S. 77) Die menschliche Natur stehe also im Widerspruch zum Naturrecht jedes einzelnen. Daher gibt das Individuum einen Teil seiner Selbstbestimmungsrechte an den Staat ab, um Sicherheit zu bekommen. (Hobbes 2017, S. 79) Eines der fundamentalen Rechte in einem Staatswesen ist für Hobbes Eigentum. Wenn Eigentum nicht eindeutig rechtlich geklärt ist und auch nicht auf dem Rechtsweg verteidigt werden kann, herrscht Krieg, denn ein jeder versuche dann, für sich selber so viel wie möglich zu bekommen, auch auf Kosten anderer. (Hobbes 2017, S. 66 und 83) Eigentum ist für Hobbes also kein Naturrecht, sondern viel mehr Konsequenz und Grundbedingung eines geplanten Gesellschaftsvertrags. Wo der Sozialismus Eigentum als Beginn der Unfreiheit sieht, ist es für Hobbes Grundbedingung für Freiheit unter dem Gesetz. Wie später auch Smith sieht Hobbes eine starke und unabhängige Rechtsprechung als Grundvoraussetzung für Rechtsgleichheit, so dass nicht faktische Macht über Eigentumsrechte entscheidet, sondern objektive Regelungen. (Hobbes 2017, S. 72) Hobbes erkennt, dass ein Staat Geld bzw. Ressourcen benötigt, um seine Kernaufgaben zu erfüllen: Rechtsprechung sowie innere und äußere Sicherheit. Insofern stellt er klar, dass es keine Obergrenzen geben kann, sondern dass die Einnahmen des Staates sich zwangsläufig an den sich ändernden äußeren Bedingungen orientieren müssen. (Hobbes 2017, S. 109) Allerdings könne dies nur funktionieren, wenn die Wirtschaft eine entsprechende Dynamik an den Tag lege. Relevant sei also nicht der Reichtum einzelner Individuen in der Binnensicht, sondern Wirtschaftsdynamik durch nationalen wie internationalen Handel, der wiederum klar gesetzlich geregelt sein müsse. (Hobbes 2017, S. 113) Daher sei Geldwirtschaft der Schlüssel zu einem volkswirtschaftlichen Wohlstand und einem funktionierenden Staat. (Hobbes 2017, S. 114) Ökonomische Macht könne zu Machtausübung nicht legimitierter Kräfte über Individuen führen und müsse deshalb durch Gesetze kontrolliert werden. (Hobbes 2017, S. 149) Bei der Steuer wiederum kommt Hobbes sehr wirtschaftsliberal daher: nicht die Finanzkraft des Steuerzahlers sei maßgeblich, sondern in welchem Maße jeder die staatliche Infrastruktur nutze. Steuergerechtigkeit heißt für ihn also, nach dem Verursacherprinzip vorzugehen. Dieser Grundgedanke von einkommens- und vermögenunabhängigen Steuern findet sich heute noch vielerorts im Wirtschaftsliberalismus, auch wenn die Französische Revolution (Schubert 2009, S. 32ff.) und die Poll Tax Riots (Whitmore 2015) im Vereinigten Königreich gezeigt haben, dass Kopfsteuern offensichtlich nicht konsensfähig sind. Auch mag eine Flat Tax (einheitlicher Steuersatz ohne Progression für alle Formen des Einkommens) durchaus die Vorteile von »Einfachheit in der Steuererhebung und -verwaltung sowie seine objektive Transparenz« (Minter o.J.) haben, so zeigt sich doch, dass – sicher auch in Abhängigkeit von der nationalen Kultur- solche Systeme große Akzeptanzprobleme haben. Dennoch sieht Hobbes (wie später auch Locke) Grenzen des Eigentums. Aufgrund seines negativen Menschenbildes geht er davon aus, dass jeder sich ungeachtet des tatsächlichen Nutzens möglichst viel aneignen möchte. Daher schlägt er vor, das was nicht sinnvoll in Eigentum aufgeteilt werden kann »be enjoyed in common«. (Hobbes 2017, S. 71) Hier zeigt sich ein starker Bruch zum Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts, in dem ja durch die Enclosures die Allmendrechte abgeschafft und gemeinschaftlich genutztes Land privatrechtlich eingefriedet wurde. Da der Grundgedanke von Hobbes’ Gesellschaftsvertrag darin besteht, dass der Mensch absolute Freiheit abgibt, um eine Freiheit unter dem Gesetz zu gewinnen, darf Macht folglich auch nur von einer legitimierten Staatsmacht ausgeübt werden. Daher wendet er sich ausdrücklich gegen jede andere Form von nicht legitimierter Machtausübung über den Bürger. Dazu gehören für ihn vor allem Kartelle, die Monopole bilden, um ihre eigenen Interessen gegen diejenigen der Allgemeinheit durchzusetzen. (Hobbes 2017, S. 105f.) Obschon Leviathan primär ein gesellschaftspolitisches Werk ist, finden sich dennoch wichtige Grundzüge einer Wirtschaftsordnung darin. Das zeigt, dass Politik und Wirtschaftspolitik immer untrennbar miteinander verbunden sind. Sicher kann man Hobbes nicht pauschal als Wirtschaftsliberalen bezeichnen. Dennoch sieht man bereits hier, dass Privateigentum konstituierend für eine Gesellschaft in Abgrenzung zur Gemeinschaft ist. Auch grenzt Hobbes sich deutlich von einem späteren Laissez-faire-Kapitalismus ab, wenn er die Bedeutung ökonomischer Macht und deren staatlicher Kontrolle erkennt. Märkte müssen gesetzlich reguliert werden, wenn ein Marktzugang für alle gewährleistet sein soll. Wie das politische Denken Hobbes’ ist auch das ökonomische davon geprägt, dass ein Faustrecht der Freiheit zwar einzelnen nutzt, nicht jedoch der Allgemeinheit. Alles in allem zeigen sich hier viele Elemente, die Adam Smith später aufnehmen wird. Es wäre jedoch sicherlich überzogen, Smith zu unterstellen, dass er nur eine »vulgarized version« (Hobsbawm 1977, S. 289) von Hobbes’ Gedanken wiedergegeben hätte. 3.2John Locke (1632-1704)
Locke: Leben und Werk Dar. 2:John Locke (Gemälde von G. Kneller) John Locke wurde 1632 in der Nähe von Bristol als Sohn eines Anwalts geboren, der im Bürgerkrieg als Offizier auf der republikanischen Seite diente. Mit 14 Jahren wurde er Schüler an der Westminster Schule in London. Die Schulzeit war wohl alles andere als glücklich, da sie von Strenge und körperlichen Übergriffen durch den Schulleiter geprägt war. Mit 20 wechselt er an die Universität von Oxford, wo er im Schwerpunkt Medizin studierte. Auch diese Zeit bewertet er selbst sehr kritisch, da ihm die Universität deutlich zu wenig fortschrittlich war. 1660 verfasste er anlässlich der Restoration der Monarchie sein erstes größeres politisches Werk, Two Tracts on Governement, das jedoch über dreihundert Jahre unveröffentlicht blieb. Bemerkenswerterweise vertritt er hier noch Ansichten, die denen aus Two Treatises of Government diametral gegenüberstehen. 1666 wird Locke Leibarzt des Earl of Shaftesbury. Daraus entwickelt sich eine Freundschaft, die Locke stark prägt und vor allem auch auf seine politischen Ansichten Einfluss hat. So wandelt er sich nun zum Befürworter...