E-Book, Deutsch, Band 3804, 166 Seiten
Reihe: Horror Western
E-Book, Deutsch, Band 3804, 166 Seiten
Reihe: Horror Western
ISBN: 978-3-95719-284-4
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 4 – Im Nirgendwo
Rodriguez’ Zelt zu finden, stellte kein Problem dar. Hardin hatte sich in dem Laden, der zur Poststation gehörte, mit Lebensmitteln und Wasser eingedeckt, bevor er sich aufmachte, den Mexikaner zu finden. Rodriguez wartete schon auf ihn. Er ritt einen Rappen und führte ein Maultier hinter sich her, das seine Vorräte trug, darunter auch mehrere prall gefüllte Wasserschläuche. Hardin zügelte seinen Braunen und stellte sich neben den Mexikaner. „Guten Morgen, Mister Rodriguez! Bereit, aufzubrechen, wie ich sehe!“ „Si, Señor, lass uns meinen Bruder finden! Arriba!“ Sie ritten erst westwärts, bis Rodriguez nach Norden abbog. Er hatte behauptet, er wisse, wo sein Bruder ums Leben gekommen sei, und Hardin hoffte, dass der Mexikaner wirklich wusste, was er tat. Hardin wusste nicht viel von Voodoo, aber nach den Dingen, die er in den letzten Monaten gesehen hatte, war er bereit, alles zu glauben, was ihm übernatürlich erschien. Es gab Geister und die Toten konnten in dieser Welt etwas bewirken. So viel war klar. Also war auch dieser New-Orleans-Voodoo-Kram möglich. Sie ritten, bis die Sonne sich hinter den Horizont senkte, und schlugen dort, wo sie waren, ein Lager auf. Die ausgedörrte Halbwüste des Llano Estacado bot genug Brennstoff für ein Lagerfeuer und sie erwärmten Dosen mit Bohnen als Abendmahl. Der Wind hatte sich gelegt und sie verbrachten eine angenehme, ereignislose Nacht. Der nächste Tag begann wie die meisten Tage im Panhandle. Ein paar wenige flauschige Wölkchen trieben über ein tiefblaues Firmament und die Sonne brannte herab auf trockenes Gras und endlosen Sand. Hardin und Rodriguez erwachten von der Hitze schon früh und brachen sofort auf, ohne zu frühstücken. Nur ein Schluck Wasser für Mensch und Tier, dann saßen sie im Sattel. Rodriguez führte, Hardin folgte. Es kam ihm nicht so vor, dass der Mexikaner schnurstracks auf sein Ziel zu ritt. Vielmehr blieb Rodriguez oft stehen, hielt sein Pferd an und sah sich lange um, bis sie dann weiterritten. Den ersten Toten fanden sie am Abend des dritten Tages ihres Ritts. Der Kadaver lag ausgestreckt im Sand, noch mit seinen Waffen im Gürtel. Der Tote hatte zwei Kugeln im Rücken, wie Hardin feststellte, als er den Kadaver genauer ansah, und ihm war ein Messer ins Herz gestoßen worden. Der Körper war schon von Insekten und Vögeln angefressen und die Sonne hatte das ihre getan, so dass man schon die Knochen sehen konnte und vom Gesicht kaum noch etwas übrig war. Hardin hatte schon Schlimmeres gesehen, trotzdem war es alles andere als ein schöner Anblick. „Er war ein Kumpan meines Bruders“, stellte Rodriguez mit ernstem Gesicht fest. „Wir sind auf dem richtigen Weg!“ Sie hoben ein flaches Grab aus und beerdigten die Überreste, bevor sie weiterritten. „Der Kerl hatte zwei Kugeln im Rücken, aber die haben ihn wohl nicht umgebracht“, stellte Hardin klar. „Jemand hat ihm ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Findest du das nicht irgendwie ... befremdlich, Mister Rodriguez?“ Der Mexikaner seufzte und schüttelte den Kopf. „Leider nicht, Señor Hardin. Mein Bruder ... er war kein wirklich schlechter Mensch, aber er ist auf Abwege geraten. Du erinnerst dich an den Überfall auf die Bank in Fort Chadbourne vor ein paar Monaten?“ „Dein Bruder?“, mutmaßte Hardin. „Si, Señor. Er hatte sich mit ein paar Gringos zusammengetan. Hast du den Namen Liam Burgess schon einmal gehört?“ „Ist mir nicht untergekommen“, antwortete Hardin. „Müsste ich ihn kennen?“ Rodriguez griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor, das er Hardin wortlos reichte. Hardin faltete den Bogen auf und hielt einen Steckbrief in der Hand. „Two Shot? Von dem habe ich allerdings schon gehört. Ein gemeiner Bursche, sagt man. Hat im Krieg für den Süden gekämpft und sich einen Namen gemacht. Hat das Oakfield-Massaker angerichtet. Kein angenehmer Zeitgenosse. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was ich gehört habe, dann ist er ein eiskalter Mörder, dem das Leben anderer nichts gilt. Und mit so einem ist dein Bruder geritten? Kein Wunder, dass er zu einem bösen ... wie hießen die noch gleich?“ „Bocore. Aber du verstehst da etwas falsch, Señor Hardin. Mein Bruder hat sich Burgess angeschlossen, um ihn nach Mexiko zu locken. Es gibt dort ein paar Leute, die mit ihm noch eine Rechnung offenhaben. Ich habe Miguel gewarnt, aber er hat sich nicht aufhalten lassen. Bocore geworden ist er erst kurz, bevor er starb.“ „Also kein böser Bube, auch gut. Two Shot hatte wohl keine Lust zu teilen, denke ich.“ Hardin zügelte seinen Braunen und hielt an. Rodriguez ritt noch ein paar Yard weiter, bevor auch er stoppte. „Ich will die ganze Geschichte, Mister, wenn ich mich mit Typen wie Two Shot anlege“, sagte Hardin ernst. Rodriguez antwortete erst nach einem sehr, sehr langen Moment. Die beiden Männer blickten einander in die Augen. Hardin wartete, was der Mexikaner sagen würde, und saß stoisch im Sattel, die Hände auf den Sattelknauf gestützt. Rodriguez dagegen hockte da wie versteinert, die Zügel seiner Pferde in der Hand, und überlegte, was er dem Mann erzählen sollte, den er um Beistand gebeten hatte. Endlich entspannte er sich. „Gut, Señor. Du hast recht. Ich erzähle dir alles, was hierzu geführt hat. Aber das kann ich auch beim Reiten.“ Er trieb sein Pferd an, Hardin folgte und schloss zu dem Mexikaner auf. „Dann erzähl mal, Mister Rodriguez!“ „Eine Frage noch, bevor ich rede, Señor ... Doc Elliot wusste, was passiert war, und dass es mehr gibt, als nur diese Welt, in der wir leben. Was weißt du, Señor Hardin?“ Hardin lachte trocken. „Mir hat er nichts erzählt, aber vor ein paar Wochen habe ich mit einem Geisterreiter zu tun gehabt, ein Toter auf ’nem toten Pferd. War ein Indianerfluch. Hab die Sache erledigt. Das weiß ich. Reicht dir das, Mister?“ Rodriguez nickte. „Dann wirst du mir glauben, was ich zu berichten habe. Du hast schon erwähnt, dass Burgess im amerikanischen Krieg für die Südstaaten gekämpft hat, Señor. Burgess stammte aus Louisiana und er ist der Sohn einer Frau, die mit den dunklen Mächten herumgespielt hat. Das sollte niemand tun! Herumspielen ist gefährlich! Sie hat ihrem Sohn keine Liebe entgegengebracht, doch sie hat ihm gezeigt, was Schmerzen sind. Burgess hat es irgendwann nicht mehr ausgehalten. Er hat seine Mutter umgebracht. Danach musste er aus Louisiana fliehen. Er floh nach Mexiko. Und er nahm sein Wissen mit sich und suchte in Mexiko nach Männern, die waren wie er. Kalt, rücksichtslos und böse. Damals war er sechzehn Jahre jung. Er tat alles, wenn er dafür bezahlt wurde, und es gab immer Männer, die ihn gut bezahlten für das, was er am liebsten tat. Töten. Aber das war nicht das größte Problem, Señor! No! Burgess hat sich in der Zeit auch mit den schwarzen Künsten beschäftigt. Er hat den Kontakt zu Leuten gesucht, die das, was seine Mutter nur stümperhaft getan hatte, zur Perfektion erhoben hatten. Er erlernte, was nötig war, um immer siegreich zu sein, bei seinen Untaten. Er lernte nie Spanisch, aber die meisten Mexikaner reden Englisch. Sie lehrten ihn und sie büßten dafür. Er hat sie alle umgebracht. Und dann kam der Krieg, der ihn zurück nach Louisiana brachte, wo seine Fähigkeiten geschätzt wurden. Den Mord an seiner Mutter hatte man dort schon lange vergessen, denn sie war keine Frau gewesen, die viele Freunde gehabt hatte. Im Krieg konnte er töten und man ehrte ihn dafür. Nach dem Krieg war dann alles vorbei und er wurde steckbrieflich gesucht. Ein Mörder, für den ein hohes Kopfgeld ausgesetzt war. 5.000 Dollar! Tot oder lebendig.“ Rodriguez unterbrach und schwieg. „Und was hat das mit dir und deinem Bruder zu tun?“, wollte Hardin wissen. „Einer der Männer, die Burgess lehrten, war unser Vater. Und die Gemeinschaft, der auch wir angehören, hat uns beauftragt, ihn zu ihnen zu bringen. Mein Bruder ist gescheitert und nun ist es an mir, die Sache zu Ende zu bringen“, erklärte Rodriguez. „Es geht also nicht nur darum, deinen Bruder zu finden. Du sagtest, du brauchst mich wegen dem, was dein Bruder erschaffen hat oder haben könnte. Was hat er vielleicht erschaffen?“ Hardin legte unwillkürlich die linke Hand auf den Griff des Colt Walker, der an seiner linken Seite an der Hüfte hing, dem Revolver, der auch Tote töten konnte. „Das weiß ich nicht genau, aber ich glaube, er hat Burgess verflucht. Aber ich kann nicht sagen, was das für ein Fluch war. Ich kann nur sagen, dass es ein dunkler Fluch war, so finster, dass mein Bruder ein Bocore wurde. Man muss also mit dem Schlimmsten rechnen.“ „Wobei die Frage ist, was das Schlimmste sein könnte“, sagte Hardin, mehr zu sich selbst. „Das kann niemand sagen, Señor!“, erwiderte Rodriguez finster. Schweigend ritten sie weiter, bis Rodriguez seine Tiere anhielt und nach Westen wies. „Dort!“, sagte er ruhig. Hardin schwieg weiter und folgte dem Mexikaner. Er konnte nur hoffen, dass der Mann den Weg kannte. In dieser Gegend verlief man sich schnell ... Die Dämmerung senkte sich nieder und die beiden Männer schlugen ihr Nachtlager auf. Der Wind, der ihnen den ganzen Tag über in den Rücken wehte, hatte sich gelegt. Es war so windstill, dass der wenige Rauch ihres Lagerfeuers nahezu lotrecht in den klaren...