E-Book, Deutsch, Band 4, 280 Seiten
Zwischen Konzepten, Analysen und Steuerungspraxis
E-Book, Deutsch, Band 4, 280 Seiten
Reihe: Zeitschrift für Hochschulentwicklung Jg. 16
ISBN: 978-3-7557-4764-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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Markus SEYFRIED4 (Mülheim an der Ruhr), Stefan HOLLENBERG & Guido BAUMGARDT (Köln) Konzeptionelle Betrachtungen zu divergierenden Konstruktionen des Studienerfolgs Wissenschaftlicher Beitrag · DOI: 10.3217/zfhe-16-04/02 Zusammenfassung Das Konstrukt „Studienerfolg“ wird von verschiedenen Akteuren/-innen der Hochschullandschaft unterschiedlich verstanden. Insbesondere zwischen Universitäten und Fachhochschulen sowie dualen Hochschulen bestehen divergierende Auffassungen. Der Beitrag zeigt exemplarisch die Multidimensionalität des Konstrukts Studienerfolg mit seinen verschiedenen Ursachen auf und benennt Implikationen, die diese Multidimensionalität für Erfolgsmessung und -bewertung in der Innenund Außenwirkung hat. Der Fokus liegt auf Unterschieden zwischen den Hochschularten hinsichtlich des Studienverlaufs und der Berufsfähigkeit. Schlüsselwörter Studienerfolg, Ursachen, duale Hochschulen, Fachhochschulen, Universitäten Conceptual considerations on divergent constructions of academic achievements Abstract Various actors perceive the construct of academic success differently, which may depend, for example, from their organizational background. In particular, the approaches followed by universities, universities of applied sciences and cooperative universities (which combine studying and training on the job) differ widely. The present paper shows the multidimensionality of the construct of academic success, including its individual, motivational, organizational, procedural and institutional causes. Furthermore, it distinguishes between the various explanatory approaches and emphasises the implications for measuring and evaluating success. Specifically, the paper focusses on differences between the types of higher education institutions regarding students’ progress and professional skills. Keywords study success, student outcomes, causes, university of applied sciences, universities 1 Einleitung Die wissenschaftlichen, aber auch die öffentlichen Debatten rund um Themen wie Studienerfolg oder Studierfähigkeit haben auch in der jüngeren Vergangenheit weiter an Dynamik gewonnen (KÖNIG & RICHTER, 2019; BERTHOLD, JORZIK & MEYER-GUCKEL, 2015). Dies kann vor dem Hintergrund steigender Bedarfe an qualifiziertem Fachpersonal in privaten und öffentlichen Organisationen kaum verwundern (SCHILLER, FREILING, BENENSON & MASSONNE, 2019; STAAR, KANIA, GURT & KUNERT, 2018). Interessanterweise haben die Begehrlichkeiten nach einer zunehmenden Akademisierung (STOCK, 2014) auch gegenläufige Positionen hervorgebracht, die eine drohende „Überakademisierung“ problematisieren. Allerdings verstellen diese eher normativen Debatten den Blick auf relevantere Fragen, die sich etwa mit den Rahmenbedingungen und den Erfolgsaussichten in einer sich stärker ausdifferenzierenden und professionalisierenden Gesellschaft befassen. Eine solche Perspektive erweist sich für verschiedene Bildungswege gleichermaßen als bedeutsam, auch wenn sie im vorliegenden Beitrag vornehmlich auf das Studium an Hochschulen bezogen wird. Die Erfolgsdebatte ist insofern aufschlussreich, als sie maßgeblich zum Verständnis der Professionalisierungs- und Niveausicherungsbemühungen in verschiedensten Berufsfeldern beiträgt. Staatliche und private Hochschulen investieren viele Ressourcen in die Ausbildung der Studierenden und in Maßnahmen, mit denen Studienabbrüche oder Schwund in Studiengängen vermieden werden sollen. Studienerfolg besitzt folglich auch Verbindungen zu input- und outputorientierten hochschulpolitischen Fragestellungen (BLÜTHMANN, LEPA & THIEL, 2008). Im Fächerdurchschnitt bricht rund ein Drittel aller Studierenden das Studium vor dem angestrebten Abschluss ab (HEUBLEIN & SCHMELZER, 2018). Auch wenn die Forschung sich darüber einig ist, dass selbst Studienabbrecher/-innen zuvor an der Hochschule wichtige Kompetenzen erworben haben, so mag dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zielrichtung der tertiären Bildung eine andere ist und Erfolg meist mit dem angestrebten Abschluss assoziiert wird (HEUBLEIN & WOLTER, 2011; SCHNEIDER & PRECKEL, 2017; DANIEL, SCHMIDT & KREMPKOW, 2019). Und bereits hier ergeben sich erste Dissonanzen im weiten Kanon der unterschiedlichen Verständnisse von Studienerfolg. Der vorliegende Beitrag befasst sich daher mit den Debatten über die Multidimensionalität des Studienerfolgs (BERTHOLD et al., 2015). Er versucht eine Strukturierung der unterschiedlichen Vorstellungen des Studienerfolgs in verschiedenen Hochschulkontexten vorzunehmen. Damit geht er der Frage nach, wie sich die Konzeptionen des Studienerfolgs für verschiedene Hochschularten systematisieren lassen und welche Implikationen dies für die Erfolgsmessung und -bewertung hat. Dadurch wird deutlich, dass die Diskussionen um die Sicherstellung von Studienerfolg nicht nur eine Innenwirkung (wie zum Beispiel auf das Selbstverständnis der Lehrenden, die Studienorganisation oder die Curricula), sondern auch eine Außenwirkung hat (etwa auf die Selbstdarstellung und das Renommee der Hochschule, auf Kooperationen mit anderen Hochschulen, Organisationen und Institutionen, in Zeiten von Social Media auch auf die Anzahl von Bewerber/-innen etc.). Der Beitrag ist daher folgendermaßen aufgebaut: In Abschnitt 2 werden die Grundzüge der Untersuchungsrichtungen in den Blick genommen. Dabei wird herausgearbeitet, welche Verständnisse von Studienerfolg bisherigen Forschungsarbeiten zugrunde liegen. Studienerfolg erweist sich als ein multidimensionales Konstrukt, dem unterschiedliche Zuschreibungen anhaften. Der dritte Abschnitt zeichnet sodann die Querverbindungen in die praktischen Diskussionen um Hochschulreformen nach. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und einem Fazit. 2 Konzeptionen des Studienerfolgs Die Forschung über Studienerfolg erstreckt sich in viele Richtungen, die jeweils Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Hochschulen berücksichtigen müssen. So ist nicht nur zwischen Universitäten, Fachhochschulen und dualen Hochschulen zu unterscheiden. Auch die dualen Studiengänge lassen sich weiter in ausbildungsintegrierende, praxisintegrierende/kooperative, berufsintegrierende bzw. berufsbegleitende/praxisbegleitende Studiengänge differenzieren. Hinzu kommt, dass deutschlandweit ein vergleichsweise kleiner Teil der Studentinnen und Studenten in dualen Studiengängen eingeschrieben ist (HESSER & LANGFELDT, 2017). Übergreifend lassen sich für das Thema Studienerfolg dennoch drei Themenbereiche identifizieren, die anhand des Studienverlaufs folgendermaßen strukturiert werden können: Untersuchungen über die Organisation und die Prozesse, mit denen Studienerfolg gesichert werden kann, einschließlich der Forschung zu den Herausforderungen bei der Messung von Studienerfolg, Analysen zu den Ursachen des Studienerfolgs sowie Folgen des Studienerfolgs bzw. -misserfolgs. Aus Gründen der argumentativen Konsistenz fokussiert der vorliegende Beitrag im Folgenden auf die Forschung zu den Ursachen des Studienerfolgs. 2.1 Über die Ursachen des Studienerfolgs
Dreh- und Angelpunkt der Erforschung des Studienerfolgs sind seit Langem die Untersuchungen über die Ursachen des Studienerfolgs (sowie des Misserfolgs). Nicht zuletzt, da ein besseres Verständnis der Gelingensbedingungen des Studiums den Rückschluss nahelegen, mit Steuerungsentscheidungen, Maßnahmen und Programmen gezielt Einfluss auf die Erfolgsbilanz von Hochschulen zu nehmen (POHLENZ & SEYFRIED, 2010a, 2010b; PAUSITS, AICHINGER & UNGER, 2019). Dabei differenziert die Literatur zwischen ganz unterschiedlichen Ursachenbündeln, die im Folgenden kurz andiskutiert werden sollen, da sie für die weiter unten folgende Darstellung unterschiedlicher Studienerfolgsverständnisse wichtige Bezugspunkte aufzeigen. Hervorzuheben sind die individuellen, motivationalen, organisationalen, prozeduralen sowie die institutionellen Ursachen von Studienerfolg (ROBBINS et al., 2004). Sie allein spannen bereits einen Merkmalsraum auf, der in seiner Komplexität nur schwerlich vollständig untersucht werden kann, auch wenn dieser Anspruch explizit formuliert wird (BAALMANN, BRÖMMELHAUS, FELDHAUS & SPECK, 2020). Die individuellen Ursachen von Studienerfolg und -misserfolg werden entlang klassischer Merkmale wie familiärer Hintergrund, Tätigkeiten, Sozialkapital, Geschlecht, Alter, Schulnoten, Persönlichkeit (etc.) untersucht (WITTENBERG, 2005; MOSLER & SAVINE, 2004; RICHARDSON, ABRAHAM & BOND, 2012; NEUGEBAUER, HEUBLEIN & DANIEL, 2019). Als hervorhebenswert erweisen sich auch die kausalen oder zumindest korrelativen Zusammenhänge zwischen den genannten Merkmalen, wie etwa den Persönlichkeitseigenschaften, den Schulnoten, Interessen, Emotionen oder dem familiären Hintergrund (FELDHAUS & BAALMANN, 2019; PETRI, 2020) – nicht zuletzt, da gerade sie wichtige Aufschlüsse über implizite Selektionsmechanismen aufzeigen können (HURRLE, 2020). Sie bieten sich zudem durch ihre relativ leichte Erfassbarkeit für vergleichende...