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E-Book, Deutsch, 337 Seiten

Kratz Qumran

Die Schriftrollen vom Toten Meer und die Entstehung des biblischen Judentums

E-Book, Deutsch, 337 Seiten

ISBN: 978-3-406-78175-9
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Schriftfragmente und Ruinen, die 1947 - 1956 am Toten Meer entdeckt wurden, geben bis heute Rätsel auf. War die Gemeinschaft, die hier lebte, eine Art Kloster, eine absonderliche Sekte oder eine Schreibwerkstatt? Kam Johannes der Täufer oder Jesus hierher? Der renommierte Bibelwissenschaftler Reinhard Kratz verabschiedet in seinem bahnbrechenden Buch viele der gängigen Hypothesen und zeigt, dass wir in Qumran Zeugnisse des entstehenden 'biblischen Judentums' vor uns haben, das sich von anderen Jahwe-Verehrern abgrenzte und bis heute in Judentum und Christentum lebendig ist.
Die Fragmente von rund tausend hebräischen, aramäischen und griechischen Handschriften, die in Höhlen nahe der Siedlung Hirbet Qumran zutage gefördert wurden, sind eine der spektakulärsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Die Texte geben Einblick in die Lebens- und Vorstellungswelt einer bis dahin völlig unbekannten Gruppe des Judentums der hellenistisch-römischen Zeit. Reinhard Kratz erklärt die Geschichte der Funde und ihrer Erforschung, rekonstruiert die Organisation der Gemeinschaft und erläutert, wie und warum hier so viele Texte entstanden. In einem souveränen Durchgang durch die wichtigsten Schriften macht er deutlich, dass die Gemeinschaft Teil einer Bewegung war, die sich auf die biblischen Schriften, besonders Tora und Propheten, berief und vom traditionellen jüdischen Opferkult distanzierte. Klar und anschaulich entsteht so ein neues, plastisches Bild von der Vielfalt des antiken Judentums und der frommen Bewegung, aus der auch das Christentum hervorging.
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I. «Bücher in hebräischer Schrift»
Ein spektakulärer Fund
1. Die Entdeckung
Um das Jahr 800 schrieb der Patriarch von Seleukia-Ktesiphon im Zweistromland, Timotheus I. (727–823), einen Brief an seinen Amtsbruder Sergius (gest. ca. 805), den Bischof von Elam, und berichtete von einem seltsamen Fund. Ein Hund habe sich beim Jagen in eine Felshöhle nahe Jericho verlaufen. Als sein Besitzer ihm gefolgt sei, habe er «Bücher in hebräischer Schrift» entdeckt und umgehend die Juden in Jerusalem davon in Kenntnis gesetzt. Es handele sich um Bücher des Alten Testaments und andere Schriften, darunter mehr als zweihundert Psalmen Davids.[1] Ganz ähnlich klingt die Geschichte, die die Beduinen des Stammes Ta?amire über den bedeutendsten Fund antiker jüdischer Handschriften im zwanzigsten Jahrhundert erzählen.[2] Diesmal soll es eine Ziege gewesen sein, die einem Hirtenjungen entlaufen sei und ihn auf seiner Suche zu einer Höhle geführt habe. Als er zum Zeitvertreib Steine in die Höhle geworfen habe, sei er auf die Tonkrüge mit den Schriftrollen gestoßen. Ob Hund oder Ziege, in den Jahren 1947 und 1948 tauchten auf dem Antiquitätenmarkt in Bethlehem sieben Schriftrollen auf, die Beduinen zuvor in einer Felshöhle am Nordwestende des Toten Meeres, etwa 13 Kilometer südlich von Jericho, entdeckt hatten. Sie bildeten den Grundstock der Handschriften, die in den fünfziger Jahren nach und nach in insgesamt elf Höhlen am Felsabhang des Wadi Qumran, nahe der Siedlung ?irbet Qumran, und an einigen anderen, weiter südlich gelegenen Orten am Toten Meer (Na?al ?ever, Wadi Murabba?at, Masada) gefunden wurden. Im Jahre 2017 wurde eine zwölfte Höhle entdeckt, die allerdings schon ausgeplündert war und nur noch Scherben von Tonkrügen sowie unbeschriftete Reste von Schriftrollen und Materialien zum Zusammenbinden und Einwickeln der Rollen enthielt. Dass diese Handschriften aus derselben Quelle stammen wie «die Bücher in hebräischer Schrift», von denen der Patriarch Timotheus I. berichtet, lässt sich nicht beweisen, ist aber nicht unwahrscheinlich. Ähnliche Nachrichten gab es immer wieder in der Antike. Euseb von Cäsarea (260–340) und Epiphanius von Salamis (gest. 403) erwähnen Funde von hebräischen und griechischen Texten in der Zeit des Kaisers Caracalla (Severus Antonius, 211–217), wiederum in Tonkrügen in der Nähe von Jericho. Von Euseb erfahren wir, dass schon Origenes (185–254) von ihnen Gebrauch machte. Der große christliche Gelehrte verfasste ein monumentales textkritisches Werk, in dem diverse hebräische und griechische Textfassungen des Alten Testaments in sechs Spalten aufgeführt waren und miteinander verglichen wurden, weswegen es Hexapla, die «Sechsfache», heißt. Eine der griechischen Versionen des Psalters stammte aus den Textfunden bei Jericho. Auch von den späteren Funden zur Zeit Timotheus’ I. versprach man sich Aufschluss über einen zuverlässigeren, wenn nicht sogar den ursprünglichen Text der heiligen Schrift. Der Patriarch vermutete, die Bücher seien von dem Propheten Jeremia oder seinem Schreiber Baruch aus Furcht vor der Zerstörung durch die Babylonier im sechsten Jahrhundert v. Chr. bei Jericho deponiert worden. Ähnliches vermutet die moderne Wissenschaft. Von den Funden des zwanzigsten Jahrhunderts nimmt sie an, die Texte seien aus Furcht vor der Zerstörung durch die Römer im ersten Jahrhundert n. Chr. in den Höhlen am Toten Meer versteckt worden. Sie geben tatsächlich einen einzigartigen Einblick in die Geschichte des Alten Testaments und darüber hinaus in die Geschichte des antiken Judentums. Bis die Forschung Einblick erhielt und das Material studieren konnte, war es jedoch ein weiter Weg. Die Fundgeschichte, die John C. Trever 1965 auf Englisch erzählt hat, ist 1967 unter dem Titel «Das Abenteuer von Qumran» auf Deutsch erschienen und liest sich wie ein Kriminalroman. Viele Gerüchte, Spekulationen und Mythen ranken sich seither um die Umstände, wie die Textfunde aus den Höhlen von Qumran in die Hände von Wissenschaftlern gelangten und schließlich publiziert wurden. Beduinen graben 1949 in einer Höhle nach Fragmenten von Schriftrollen (Re-Enactment). Sicher ist, dass die Höhlen mit den meisten Textresten (1, 2, 4, 6 und 11) von Beduinen, die übrigen (3, 5 und 7–10) im Zuge der archäologischen Grabungen gefunden wurden, die in den Jahren 1949–1958 in ?irbet Qumran und Umgebung durchgeführt wurden. Über den Antiquitätenhändler Khalil Iskandar Shahin, genannt Kandu, aus Bethlehem, der der syrisch-orthodoxen Kirche angehörte, gelangten von den zuerst entdeckten sieben Schriftrollen aus Höhle 1 vier in den Besitz des St.-Markus-Klosters in Jerusalem. Die drei übrigen gerieten in die Hände von Professor Eliezer Sukenik, der am 29. November 1947, dem Tag der UN-Resolution zur Gründung des Staates Israel, inkognito nach Bethlehem in das damals noch britische Mandatsgebiet reiste und sie für die Hebräische Universität in Jerusalem erwarb. Die vier Rollen aus dem St.-Markus-Kloster sind auf dem Umweg über den Libanon und den amerikanischen Markt von Sukeniks Sohn, dem General, Staatsmann und Archäologen Yigael Yadin, 1954 käuflich erworben und dem Staat Israel übergeben worden. Sämtliche sieben Rollen und anderes Material aus Höhle 1 werden seither in dem eigens dafür erbauten Shrine of the Book (Hekhal Ha-Sefer) in Jerusalem gelagert und ausgestellt. Zwischen 1952 und 1956 wurden nach und nach die anderen zehn Höhlen entdeckt. Sofern die Texte nicht aus archäologischen Grabungen stammten, sondern von Beduinen gefunden wurden, wurden sie als heißbegehrte Ware auf dem Antiquitätenmarkt gehandelt und erzielten hohe Preise. Dabei hat leider das Material nicht selten gelitten. Es musste ausfindig gemacht und entweder den Beduinen selbst oder Sammlern aus aller Welt abgekauft werden, woran sich viele Nationen, darunter auch Deutschland, Institutionen und Privatpersonen beteiligten. Dies und nicht zuletzt die politischen Veränderungen in Palästina haben zu einer höchst komplizierten und diffusen Rechtslage geführt, die bis heute nicht restlos geklärt ist. Manche Stücke sind im Museum von Amman in Jordanien und in anderen Museen der Welt gelagert und dort zu bestaunen. Das meiste Material wurde jedoch im Rockefeller Museum im Ostteil Jerusalems untergebracht. Heute befinden sich auch diese Funde im Israel Museum im Westteil der Stadt und werden hier neben den Funden aus Höhle 1 im Shrine of the Book von einer eigenen Forschungseinheit professionell konserviert, wissenschaftlich untersucht und in Ausstellungen präsentiert. Moderne Konservierung der Fragmente im Labor der Qumran Unit der Israel Antiquities Authority (IAA) in Jerusalem Die Suche nach Handschriften geht weiter, doch außer den elf (neuerdings zwölf) Höhlen bei Qumran und den anderen Fundorten sind bis heute keine nennenswerten weiteren Entdeckungen mehr gemacht worden. Gelegentlich tauchen neue Fragmente auf, die stets viel Aufsehen erregen, aber meistens keine neuen Erkenntnisse bringen und deren Herkunft unsicher ist. Fast alle der in jüngster Zeit bekannt gewordenen Fragmente von Bibelhandschriften unsicherer Herkunft, wie etwa die im Washingtoner Museum of the Bible ausgestellten oder in der Schøyen-Sammlung befindlichen Stücke, haben sich als moderne Fälschungen erwiesen und können daher vernachlässigt werden. 2. Die Veröffentlichung
Die Publikation der Handschriften ging zunächst zügig voran, geriet jedoch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ins Stocken, bevor sie in den neunziger Jahren wieder aufgenommen wurde. Rund sechzig Jahre nach dem Fund der Handschriften wurde 2010 die offizielle Publikationsreihe «Discoveries in the Judaean Desert» (DJD) abgeschlossen. Seither liegen sämtliche Texte vom Toten Meer in edierter und in mehrere Sprachen übersetzter Form vor.[3] Die lange Zeit, die die Publikation benötigte, gab Anlass zu mancherlei Kontroversen in der wissenschaftlichen Welt und aufregenden Spekulationen in den Medien. Einen Höhepunkt erreichte die Entwicklung 1991 mit dem Paukenschlag der Publikation einer unautorisierten Edition von Ben Zion Wacholder und Martin Abegg. Die beiden Forscher haben unpublizierte, noch nicht freigegebene Texte mit Hilfe des Computers aus einer nur in wenigen Exemplaren existierenden handschriftlichen Konkordanz der rechtmäßigen ...


Reinhard G. Kratz ist Professor für Altes Testament an der Georg-August-Universität Göttingen, Leiter der dortigen Qumran-Forschungsstelle sowie Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Fellowships in Berlin, Oxford, Cambridge und Rufe nach Kiel, Heidelberg, Berlin und Oxford belegen sein internationales Renommee.


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